Robin Gosens' Karriere-Anfänge in den Niederlanden: Wo der Wille entstand

Robin Gosens feiert 2014 den Aufstieg in die Eredivisie mit dem FC Dordrecht.
© imago images
Cookie-Einstellungen

Holger Gosens: "Sein soziales Umfeld ist unser Dorf"

Für Gosens bedeutete der Transfer einen großen Einschnitt, war er doch mit seinem Auszug von zuhause verbunden. Dordrecht liegt nahe Rotterdam im Westen der Niederlande, anders als nach Arnheim lässt es sich hierhin aus Elten nicht so einfach pendeln. Der damals 19-Jährige bezog also erstmals eine eigene Wohnung, fuhr aber bei jeder Gelegenheit über die A15 Richtung Osten in die Heimat. "Er hat sich in Holland mit seinen jeweiligen Kollegen zwar immer super verstanden, war privat aber weitestgehend daheim", sagt Vater Holger. "Sein soziales Umfeld ist immer unser Dorf geblieben."

Das heimatliche Dorf Elten hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich: Direkt an der heutigen deutsch-niederländischen Grenze gelegen, stand es zwischen 1949 und 1963 unter niederländischer Verwaltung, ehe es gegen eine Geldzahlung an Deutschland zurückgegeben wurde. Als Erinnerung an diese Zeit besitzen viele ältere der rund 5000 Bewohner bis heute die niederländische Staatsbürgerschaft, so auch Holger Gosens. "Papier-Holländer" sei er nach eigener Auskunft: "Ich bin deutsch aufgewachsen und habe eigentlich wenig Bezug zu Holland."

Sohn Robin hat beide Staatsbürgerschaften und das bekam man irgendwann auch beim niederländischen Verband mit. Vor seiner Entscheidung für die deutsche Nationalmannschaft versuchte ihn der damalige Bondscoach Ronald Koeman vergeblich für die Elftal zu begeistern. Die niederländische Sprache hatte Gosens schon in der Schule gelernt, fließend verständigen kann er sich aber erst seit seinen Auslandsstationen als Fußballer.

Robin Gosens feiert 2014 den Aufstieg in die Eredivisie mit dem FC Dordrecht.
© imago images
Robin Gosens feiert 2014 den Aufstieg in die Eredivisie mit dem FC Dordrecht.

Robin Gosens in Dordrecht: "Nicht genug Vertrauen"

Besonders viel Praxiserfahrung im Sprechen dürfte er in Dordrecht gesammelt haben, Trainer van den Ham erinnert sich nämlich noch heute an lange, intensive Gespräche mit seinem Neuzugang. Hauptthema: Mut. "Er hatte eine tolle Mentalität, viel Dynamik und Laufstärke. Sein linker Fuß war super, er konnte flanken und schießen - hat das aber kaum eingesetzt. Er hatte nicht genug Vertrauen in seine Stärken, musste lernen, mehr ins Risiko zu gehen, mehr Fußball zu spielen."

Drei, vier Spiele brauchte Gosens laut van den Ham, ehe er sein tatsächliches Potenzial ausschöpfte: "Ab dann war er unser bester Spieler." Als Stammspieler führte er Dordrecht zum ersten Aufstieg in die Eredivisie nach 20 Jahren Abstinenz. Der Klub musste zwar umgehend wieder runter, Gosens aber blieb erstklassig, weil ihn Heracles Almelo für 200.000 Euro aus seinem Vertrag in Arnheim herauskaufte.

Robin Gosens: Europapokal und Mallorca-Trip

Nach dem Aufstieg mit Dordrecht war Gosens auch in Almelo direkt an einem der größten Erfolge der Klubgeschichte beteiligt, und zwar der erstmaligen Europapokal-Qualifikation. "Er war physisch stark, hatte so viel Power, so viel Hingabe und ist immer gelaufen, gelaufen, gelaufen", sagt der damalige Heracles-Keeper Bram Castro im Gespräch mit SPOX und Goal. "Sogar in der 90. Minute war ein 100-Meter-Sprint nach vorne kein Problem für ihn - und auch wieder zurück. Er war ein Teamkollege, wie man ihn sich wünscht."

Das Mannschaftsgefüge stimmte bei Heracles, wo damals auch der heutige Wolfsburg-Stürmer Wout Weghorst spielte. "Zum Abschluss der Saison waren wir mit der ganzen Mannschaft drei, vier Tage auf Mallorca. Wir sind am Strand gelegen, haben ein paar Drinks genommen, sind ins Restaurant gegangen und dann haben wir uns noch gemeinsam die letzten Spiele der Bundesligasaison angeschaut", erinnert sich Castro. "Es war Robins Traum, irgendwann in der Bundesliga zu spielen."

Robin Gosens spielte von 2015 bis 2017 für Heracles Almelo.
© getty
Robin Gosens spielte von 2015 bis 2017 für Heracles Almelo.

Robin Gosens: Fernstudium aus der Kabine

21 Jahre war Gosens damals erst alt, Zukunftsgedanken machte er sich aber längst nicht mehr nur über seine Fußballkarriere. Um die viele Freizeit zu nutzen, begann er nebenbei ein Fernstudium der Sportpsychologie. "Manchmal saß er sogar mit seinem Laptop in der Kabine und hat irgendwas für sein Studium gemacht", sagt Castro.

Mittlerweile lernt Gosens nicht mehr aus der Kabine von Heracles, sondern der von Atalanta Bergamo. Nach zwei Jahren in Almelo wechselte er 2017 für 1,17 Millionen Euro nach Italien, wo er sich nach einigen Anlaufschwierigkeiten ebenfalls sofort durchsetzte. Dann: Champions League, Nationalmannschaftsdebüt im Herbst 2020, EM-Teilnahme 2021. "Ich habe immer wieder den Mund offen stehen und denke mir: Das kann nicht wahr sein, was da passiert", sagt Vater Holger. Letztmals am Samstagabend in der Münchner Allianz Arena.

Robin Gosens' Karrierestationen

ZeitraumKlubPflichtspieleToreAssists
2012 bis 2014Vitesse Arnheim (Reserve)13--
2014 bis 2015FC Dordrecht5332
2015Heracles Almelo (Reserve)6-1
2015 bis 2017Heracles Almelo7057
seit 2017Atalanta Bergamo1492720
Inhalt:
Artikel und Videos zum Thema