Kolumne - Problem-Präsident Fritz Keller: So manövrierte sich der DFB-Boss ins Abseits

Fritz Keller ist seit 2019 DFB-Präsident.
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DFB-Präsident Fritz Keller steht nach nicht mal 15 Monaten im Amt massiv in der Kritik. Mit seinen Alleingängen und seiner Beratungsresistenz hat der langjährige Präsident des SC Freiburg die Mehrheit der Mitarbeiter und im Präsidium gegen sich aufgebracht. Die Fußball-Kolumne.

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Jogi Löw hat sich nach seiner Pressekonferenz am Montag in den vorzeitigen Winterschlaf verabschiedet. Gut möglich, dass man vom Bundestrainer bis zu den nächsten Länderspielen im März nichts mehr hören wird.

Seinen letzten Auftritt nutzte er aber zu bemerkenswerten Attacken gegen seinen Arbeitgeber. Löw prangerte vehement an, dass Interna aus seinem Gespräch mit der engsten DFB-Führung an die Öffentlichkeit gelangt waren ("da herrscht bei mir Explosionsgefahr") und er beschwerte sich über den Wortlaut einer Pressemitteilung, wonach er nach dem 0:6-Debakel in Spanien "emotionale Distanz" gebraucht habe: "Das war für mich unverständlich."

Aufs Gemüt schlug Löw auch, dass DFB-Präsident Fritz Keller eine öffentliche Diskussion über den Bundestrainer zugelassen hatte. Das wunderte weite Teile der Öffentlichkeit zwar weniger, doch Löw soll so enttäuscht gewesen sein, dass er seinem badischen Landsmann seine Meinung ins Gesicht gesagt haben soll. Es sei richtig zur Sache gegangen, heißt es übereinstimmend.

Zumal Keller zunächst nicht klein beigegeben, sondern Löw laut Bild sogar mehrfach zu einem Rückzug nach der EM 2021 gedrängt haben soll. Der 60-Jährige ist dagegen fest entschlossen, trotz der Negativentwicklung seit der WM 2018 seinen bis zur WM 2022 laufenden Vertrag zu erfüllen. Und offensichtlich war auch niemand aus der DFB-Spitze bereit, sich den Forderungen Kellers anzuschließen - ein deutliches Zeichen für dessen Isolation nach nicht mal 15 Monaten im Amt.

Fritz Keller und Jogi Löw "werden keine Freunde mehr"

"Von der Trainer- direkt zur Präsidentendebatte", betitelte Spiegel Online darauhin einen Bericht, in dem der "irrlichternde DFB-Präsident" garniert mit zahlreichen Insiderinformationen zum großen Verlierer der Machtprobe erklärt wurde. Auch wenn der Bundestrainer sagte, die Dissonanzen seien ausgeräumt, meint ein Insider: "Die werden keine Freunde mehr."

Was beide im Übrigen auch nie waren. Ungeachtet anders lautender Gerüchte und ungeachtet der räumlichen Nähe von nur etwas mehr als 20 Kilometern zwischen Löws Penthouse-Wohnung und Kellers Weingut in Oberbergen im Kaiserstuhl gibt es keine "Freiburg-Connection" beim DFB. Vielmehr bindet beide eine Zweckgemeinschaft, denn nur Erfolge können ihre Jobs retten.

Der nach der unglückseligen Ära von Vorgänger Reinhard Grindel als Hoffnungsträger angetretene Keller steht vor dem Trümmerhaufen seiner kurzen Amtszeit. Dabei waren angeblich drei vermutlich nicht gerade günstige Headhunter-Agenturen und eine DFB-Findungskommission 2019 monatelang damit beschäftigt gewesen, einen kompetenten Mann für die Spitze des größten Sportverbandes der Welt zu finden.

Fritz Keller: Patensohn von Fritz Walter und Spitzenwinzer

Entsprechend groß war die Begeisterung über den Vorschlag der renommierten Beratungsfirma Egon Zehnder für den Kandidaten Fritz Walter Keller, dem Patensohn von Fußball-Legende Fritz Walter, dem erfolgreichen Spitzenwinzer und Hotelier und jovialem Präsidenten des SC Freiburg. DFB-Vize-Präsident und Chef-Strippenzieher Rainer Koch bezeichnete den 63-Jährigen damals als "außergewöhnliche Persönlichkeit mit allen Qualitäten für das Amt des DFB-Präsidenten".

Mittlerweile hat Keller fast gar keinen Rückhalt mehr im DFB. "Sein Verhalten als Präsident ist indiskutabel. Er ist als Teamplayer angetreten und macht nur noch Alleingänge", sagte ein hochrangiges Präsidiumsmitglied diese Woche dem Kölner Express.

Fritz Keller
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Vorwürfe an Keller: Beratungsresistenz, Aktionismus, Führungsschwäche

Doch die Liste der Kritikpunkte ist noch deutlich länger. So werden Keller sein fehlendes Netzwerk, Beratungsresistenz, seine aufbrausende Art, mangelnde Kompetenz sowie Aktionismus in Kombination mit Führungsschwäche vorgeworfen. Als "Präsident Wankelmütig" betitelte ihn der Spiegel schon im Oktober vor den Diskussionen um Löw.

Das Kernproblem lag wohl in den unterschiedlichen Erwartungen an den Präsidenten von Keller einerseits und von den Mitgliedern des für alle wichtigen Entscheidungen maßgeblichen DFB-Präsidialauschusses. Dem gehören neben Koch der inzwischen daraus zurückgetretene DFL-Boss Christian Seifert, der damalige Vize-Präsident Reinhard Rauball (inzwischen ersetzt vom Ex-Schalker Peter Peters), der Schatzmeister Stephan Osnabrügge sowie Generalsekretär Friedrich Curtius als wichtigster Hauptamtlicher an.

Der Plan war, mit Keller einen sowohl bei Profis als auch Amateuren gut vernetzten und sympathischen Aufsichtsratsvorsitzenden an der DFB-Spitze zu bekommen, der die Hauptamtlichen um Curtius und den für Sport zuständigen Oliver Bierhoff nur kontrollieren und sich ansonsten auf repräsentative Aufgaben zurückziehen sollte. Diese Strukturreform ist zwar beschlossen, wurde aber bis heute nicht konsequent umgesetzt.

Fritz Keller will beweisen, dass er weiter die Nr. 1 im DFB ist

Und Keller will trotz des Verlustes der sogenannten Richtlinienkompetenz offenbar allen beweisen, dass er kein Grüßaugust ohne echte Macht ist, sondern nach wie vor als Präsident die Nummer eins im DFB. Das hat in der relativ kurzen Zeit schon zu einigen bemerkenswerten Eigentoren geführt.

So soll er sich laut Spiegel im Frühjahr uneingeladen in eine Telefon- und Videoschalte der Mitarbeiter eingewählt haben, um sich dann für alle überraschend zu Wort zu melden und die Verantwortung für den wegen Corona angedachten Gehaltsverzicht von sich auf den gesamten Präsidialausschuss zu verweisen.

Kellers "Lauschangriff" landete vor der DFB-Ehtik-Kommission (die den Fall aber aus unbekannten Gründen nicht behandelte), das Vertrauen der meisten Mitarbeiter in ihren Präsidenten ist nicht mehr vorhanden. "Der Vorgang lähmt den DFB bis heute", schrieb der Spiegel.

Keller: Verhältnis zu Generalsekretär Curtius offenbar irreparabel gestört

Denn seitdem ist auch das Verhältnis zwischen Keller und Curtius offenbar irreparabel gestört. Gerüchte halten sich hartnäckig, der Präsident wolle den Generalsekretär durch seinen Büroleiter Samy Hamama ersetzen, der intern den Spitznamen "Fehlerflüsterer" haben soll. Curtius hingegen genießt die Rückendeckung der übergroßen Mehrheit der rund 500 Mitarbeiter in der Otto-Fleck-Schneise und auch beim Großteil des Präsidiums, das die "internen Dissonanzen" sogar in einer Pressemitteilung öffentlich eingestand und zu einer Mediation riet.

Doch zwischen den beiden Streithähnen herrscht weiterhin Eiszeit, zumal Curtius nach einem häuslichen Sturz von der Leiter beim Gardinenaufhängen einen doppelten Ellbogenbruch sowie eine Handfraktur erlitt und seit Wochen krankgeschrieben ist. Doch auch im Präsidialausschuss soll die Mehrheit nach diversen Meinungsverschiedenheiten, zuletzt nach dem 0:6 in Spanien, gegen Keller sein. Im 19-köpfigen DFB-Präsidium ist er ebenfalls isoliert. Er wüsste keinen, der aus diesem Gremium im Moment noch auf Kellers Seite stehe, sagt ein Verbandsinsider.

Einzig die Vertreter des Profi-Fußballs halten noch ihre Hand über den einstigen Freiburger Vereinsboss, allerdings mehr aus Mangel an Alternativen als aus Überzeugung. Christian Seiferts überraschender Rücktritt aus dem Präsidialausschuss habe vor allem mit Kellers Beratungsresistenz zu tun, so dass er für dessen Alleingänge nicht mehr die Verantwortung übernehmen wolle.

Fritz Kellers Defizite in Freiburg schon lange bekannt

Allerdings fällt die offensichtliche Fehleinschätzung bei der Wahl Kellers auch auf Seifert zurück, der maßgeblich am Entscheidungsprozess beteiligt war. Denn fragt man in Freiburg nach, wo Keller seit 1994 als Vorstand und ab 2010 als Vorsitzender beim Sport-Club tätig war, hätte man das alles schon vorher wissen können.

Dass er als aufbrausend gilt, dass er auf seinem Weingut schon immer als Alleinherrscher aufgetreten ist und dass sie ihn beim SC als "komplett führungsschwach" erlebt haben, wie ein damaliger Mitarbeiter sagt. Vor allem aber habe Keller keine Ahnung von Fußball, lautet das vernichtende Urteil.

Positiv erwähnt werden hingegen seine Qualitäten als Spitzenwinzer, Gastronom und "fantastischer Gastgeber". Ob das reicht, um einen Verband wie den DFB zu führen, daran gibt es mittlerweile erhebliche Zweifel.

Fritz Keller beim DFB: Kein Alternativkandidat weit und breit

Allerdings ist ein Alternativkandidat weit und breit nicht zu sehen und der von Affären geplagte DFB kann es sich eigentlich nicht erlauben, in der aktuellen Krisensituation den dritten Präsidenten in nicht mal fünf Jahren zu verbrennen. Stattdessen soll jetzt versucht werden, Keller mit einer massiven PR-Kampagne in TV-Talkshows, Radiosendungen und Podcasts zu platzieren und dort als "menschlich, nahbar und überzeugend" zu präsentieren, wie es in einem internen DFB-Konzeptpapier heißt.

Der Weinkönig selber hat offenbar auch gemerkt, dass er in der Sackgasse steckt. So plädierte er bei der jüngsten Präsidiumssitzung vehement für "Geschlossenheit - auf allen Ebenen übrigens", wie Keller auf der offiziellen Verbands-Website verlauten ließ: "Wir sind Fußballer, da kann und darf es wie auf dem Platz auch schon mal emotional zugehen. Aber wenn eine Entscheidung mehrheitlich getroffen worden ist, sollten wir alle rausgehen und uns hinter die Sache stellen. Wie eine Mannschaft."

Man darf gespannt sein, ob es für diese Weihnachtsbotschaft nicht schon zu spät war.

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