Razzia, Steuerskandale, Kungeleien: Welchen Anteil hat der mächtigste DFB-Angestellte an der Krise?

Im Kreuzfeuer der Kritik: Die DFB-Verantowrtlichen Fritz Keller, Friedrich Curtius und Rainer Koch.
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Nach den erneuten Durchsuchungen wegen des Verdachts auf Steuerhinterziehung ist das Image des DFB schlecht wie nie. In den Fokus gerät daher mehr und mehr der mächtigste Hauptamtliche im Verband. Die Fußball-Kolumne.

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Das massive Vorgehen der Frankfurter Staatsanwalt am Mittwoch hat bei vielen DFB-Mitarbeitern für nachhaltige Verstörung gesorgt. Dass die Steuerfahnder beim Besuch der Verbandszentrale im Stadtwald von einem Großaufgebot maskierter Polizisten mit schweren Waffen im Anschlag begleitet wurden, erinnerte eher an einen Einsatz gegen Terroristen oder Schwerkriminelle.

Zeitgleich wurden die Wohnhäuser von drei ehemaligen und drei aktuellen DFB-Funktionären durchsucht: Beim ehemaligen Interims-Präsidenten Reinhard Rauball, dem damaligen Schatzmeister Reinhard Grindel und dem Ex-Generalsekretär Helmut Sandrock sowie den amtierenden Funktionären Rainer Koch (1. DFB-Vizepräsident), Stephan Osnabrügge (Schatzmeister) und Friedrich Curtius. Der ist als Generalsekretär der einzige Hauptamtliche unter den Verdächtigen.

Nicht zum ersten Mal wird dem größten Sportverband der Welt Steuerhinterziehung vorgeworfen. Auch beim nach wie vor nicht aufgeklärten Sommermärchen-Skandal um die WM-Vergabe 2006 stand der Vorwurf im Raum. Dementsprechend ätzte die Süddeutsche Zeitung, Durchsuchungen beim DFB gehörten inzwischen "ja fast zum sportpolitischen Brauchtum".

Experten bewerten die aktuellen Vorwürfe allerdings höchst unterschiedlich. Laut Staatsanwaltschaft sollen die sechs Beschuldigten die Erlöse aus der Bandenwerbung bei den Heim-Länderspielen 2014 und 2015 "bewusst unrichtig" als Einnahmen aus der Vermögensverwaltung erklärt und daher 4,7 Millionen Euro an Steuern zu wenig gezahlt haben.

Unglaubliche Szenen: Die Steuerfahndung der Polizei rückt an der DFB-Zentrale in Frankfurt an.
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Unglaubliche Szenen: Die Steuerfahndung der Polizei rückt an der DFB-Zentrale in Frankfurt an.

Im schlimmsten Fall droht Rauball und Co. eine Haftstrafe

Schon 2013 soll laut Informationen des Spiegel ein Steuerfachmann der Verbandsführung erklärt haben, dass das gewählte Modell nicht legal sei - weshalb inzwischen 20 Millionen Euro für eine Nachzahlung zurückgelegt worden seien. Würde sich also in einem möglichen Prozess der offizielle Vorwurf der "Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen" bestätigen, könnte den Beschuldigten wie BVB-Präsident Rauball im schlimmsten Fall eine Haftstrafe drohen.

Auf der anderen Seite haben sich die Funktionäre im Gegensatz etwa zum verurteilten Uli Hoeneß nicht persönlich bereichert und dürften sich zudem hinter der Aussage des einstigen Präsidenten Reinhard Grindel verschanzen. Er habe sich auf das verlassen, was ihm die Wirtschaftsprüfer und Steuerberater gesagt hätten, erklärte Grindel der Frankfurter Rundschau.

Sucht die Staatsanwaltschaft neue Spuren im WM-Skandal?

Ohnehin halten viele Beobachter das Vorgehen der Staatsanwaltschaft für übertrieben, zumal die Diskussionen zwischen Finanzamt und DFB über das Thema schon seit Jahren anhalten sollen. Möglicherweise ist den Behörden schlicht der Geduldsfaden gerissen und man wollte öffentlich überdeutlich machen, dass man sich die Hinhaltetaktik nicht mehr länger gefallen lässt.

Eine andere Theorie hört man unter der Hand aus Kreisen der DFB-Führung, wo von zuletzt eigentlich konstruktiven Gesprächen mit den Behörden gesprochen wird: Dass die Mitnahme von Massen an Unterlagen auch mit dem Ziel erfolgt sein könnte, bei der Auswertung "zufällig" neue Spuren auf den Sommermärchen-Skandal zu finden.

Denn nach wie vor ist unklar, ob der Prozess wegen Steuerhinterziehung beziehungsweise Beihilfe zur Steuerhinterziehung gegen die Ex-Präsidenten Wolfgang Niersbach und Theo Zwanziger sowie die früheren Generalsekretäre Horst R. Schmidt (DFB) und Urs Linsi (FIFA) in Frankfurt überhaupt stattfinden wird. Da würden neue Beweismittel natürlich helfen, nachdem der Strafgerichtsprozess im Schweizer Bellinzona ergebnislos verjährt ist.

Ob die aktuelle DFB-Spitze mit dem Verweis auf die Vergehen der in Ungnade verbannten WM-Macher von 2006 allerdings aus dem Schneider ist, darf man bezweifeln. Denn es bleibt das selbst von seriösen Medien aufgestellte Bild eines von permanenten Affären und Skandalen geplagten und dadurch auch noch finanziell arg gebeutelten Verbandes.

Wieder im Zentrum der Ermittlungen? Die in Ungnade gefalllenen WM-Macher von 2006 Theo Zwanziger und Wolfgang Niersbach.
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Wieder im Zentrum der Ermittlungen? Die in Ungnade gefalllenen WM-Macher von 2006 Theo Zwanziger und Wolfgang Niersbach.

Generalsekretär Friedrich Curtius rückt in den Fokus

Zwar waren die meisten der heutigen Entscheider bei der WM-Vergabe und möglichen Unregelmäßigkeiten davor und danach nicht aktiv beteiligt. Bei der offensichtlich misslungenen Aufarbeitung des 2015 durch den Spiegel ans Licht gebrachten Sommermärchen-Skandals aber sehr wohl. Immer wieder landet man dann bei Friedrich Curtius, dem seit 2016 als Generalsekretär mächtigsten Angestellten in der Otto-Fleck-Schneise.

Denn der 44-Jährige arbeitete rund ein Jahrzehnt als rechte Hand von Niersbach, zuletzt als Büroleiter. Dass ausgerechnet er nach dem Rücktritt seines Förderers in die Rolle des "Generals" aufrückte, wurde intern als Zeichen der Kontinuität gewertet. Curtius selbst behauptet, er habe als einer der engsten Mitarbeiter Niersbachs nichts von all den fragwürdigen Vorgängen gewusst, die zu dessen Rücktritt führten. Nicht jeder glaubt das. "Alles Wichtige läuft im DFB über das Büro des Generalsekretärs", sagt ein Insider.

Entscheidungen zugunsten von Bekannten

Doch auch danach gab es einige merkwürdige Entscheidungen, etwa die Vergabe der am Ende etwa sieben Millionen Euro teuren Untersuchung der Sommermärchen-Affäre an die Kanzlei Freshfieds. Denn deren mandatsführender Anwalt Christian Duve war persönlich mit Curtius bekannt.

Oder der Abschluss eines zehnjährigen Rahmenvertrags ohne Ausschreibung über das Streaming von Amateurspielen mit Sportvermarkter Sporttotal.tv, dessen Geschäftsführer Peter Lauterbach mit Curtius zur Schule gegangen war.

Darüber hinaus ist der Jurist zusammen mit Oliver Bierhoff verantwortlich für den Bau der DFB-Akademie, deren Kosten von ursprünglich kalkulierten 77 Millionen auf rund 150 Millionen Euro explodiert sind - was dem Verband angesichts von Steuerrückzahlungen und hohen Einnahmeausfällen aufgrund der Corona-Pandemie nun böse auf die Füße fällt.

Verantowrtlich für das Mega-Projekt "DFB-Akademie", deren Kosten von 77 auf 150 Millionen Euro explodiert sind: Oliver BIerhoff und Friedrich Curtius
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Verantowrtlich für das Mega-Projekt "DFB-Akademie", deren Kosten von 77 auf 150 Millionen Euro explodiert sind: Oliver BIerhoff und Friedrich Curtius

Strukturänderung macht Curtius zum mächtigsten Mann

Und Curtius ist natürlich neben der Führung um den seit einem Jahr amtierenden Präsidenten Fritz Keller hauptverantwortlich für die seit längerem verheerende Außendarstellung des "klüngelhaften Verbandes" (dpa), dessen Glaubwürdigkeit tief erschüttert ist. Gleichzeitig wird kolportiert, dass sein Verhältnis zum Präsidenten nicht das Beste sein soll. Und dennoch würde Curtius nach der vollständigen Umsetzung der Strukturänderung zum mächtigsten Mann im DFB werden, der von Keller und Co. nur noch kontrolliert wird.

Ob all dies dazu führen könnte, dass der Ex-Boss des SC Freiburg tatsächlich den zahlreichen Forderungen nachgibt, angesichts der anhaltenden Unruhe in der Zentrale personell durchzugreifen, ist die spannende Frage. Sofern eine Anklageerhebung wegen Steuerhinterziehung einen Rücktritt einiger altbekannter DFB-Gesichter nicht ohnehin unumgänglich macht.

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