Joti Chatzialexiou vom DFB im Interview: Das sind die Probleme des deutschen Fußballs

Joti Chatzialexiou sieht Nachholbedarf im deutschen Fußball.
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Sie haben eingangs auch Matthias Sammer erwähnt. Er hat viele Reformen angestoßen und den deutschen Fußball vorangebracht - nicht zuletzt als "Mahner", der den Finger in die Wunde legt, wenn ihm etwas nicht passt. Wie haben Sie ihn in Erinnerung?

Chatzialexiou: Matthias ist ein detailverliebter Visionär, der die Nationalmannschaften vom U- bis zum Senioren-Bereich auf ein anderes Level gehoben hat. Er ist eine der Persönlichkeiten, die der deutsche Fußball braucht. Was ich immer an ihm bewundert habe: Alles, was er anpackt, packt er zu hundert Prozent an. Dass er sich dann sehr direkt und ehrlich äußert, wenn er die Notwendigkeit dazu sieht, finde ich absolut legitim. Eine Diskussionskultur ist sehr wichtig, es muss Leute geben, die mahnen.

Fehlt das dem DFB?

Chatzialexiou: Wir gehen sehr kritisch mit uns selbst um, noch mehr seit der WM im vergangenen Jahr. Was uns vielleicht abhandengekommen ist, ist diese gesunde Siegermentalität, die Matthias täglich vorgelebt hat. Dass man selbstbewusst auftritt, dass man auch mal wieder die alten Tugenden wie Kampfgeist auf den Platz bringt anstatt in Schönheit zu sterben, dass man den anderen Nationen sagt: Wir sind Deutschland, wir drücken euch unseren Stempel auf und nicht umgekehrt.

Wie schwer wiegt noch die Schmach von Russland?

Chatzialexiou: Wir haben sicher nicht alles richtig gemacht, sonst wären wir nicht so früh ausgeschieden. Das haben wir gründlich analysiert und richten den Blick nach vorne. Wir haben in den vergangenen Länderspielen gesehen, dass es besser läuft, dass wir auch in der Offensive großes Potenzial und durch Spieler wie Serge Gnabry, Kai Havertz oder Leroy Sane, der sich hoffentlich gut erholt, die Dynamik entwickeln können, die uns bei der WM in Russland gefehlt hat.

Sehen Sie den deutschen Fußball gut aufgestellt für die Zukunft?

Chatzialexiou: Das müssen wir differenziert betrachten: Wir haben nach wie vor enorme fußballerische Qualität und hervorragende Infrastrukturen, die sich durch den Bau der DFB-Akademie in Frankfurt noch weiter verbessern werden. Dennoch möchte ich an der Stelle dann aber auch den Mahner geben: Andere Nationen haben in der jüngeren Vergangenheit einige Schritte nach vorne gemacht, wir sind aktuell nicht das Maß der Dinge. Das bekommen wir bei unseren U-Nationalmannschaften durchaus zu spüren. Und da wiederhole ich mich gerne: Wir müssen bereit sein, einige Dinge in unserem System zu verändern.

Joti Chatzialexiou: Fritz Kellers Werte positiv für den DFB

Mit Fritz Keller kommt ein neuer Präsident. Was gewinnt der DFB mit ihm?

Chatzialexiou: Einen bodenständigen und warmherzigen Menschen, einen hervorragenden Kommunikator. Einen, der den Fußball liebt. Fritz schaut sich nicht nur Spiele im Lizenzbereich an, er ist auch auf Amateurplätzen unterwegs und engagiert sich sehr im Frauenfußball. Was er beim und mit dem SC Freiburg geleistet hat, kann man gar nicht hoch genug einschätzen. Der SC ist ein stabiler Verein, der für Kontinuität und Konstanz steht. Fritz hat auch in schwierigen Phasen nie die Ruhe verloren und etwas ganz Wichtiges bewiesen: Geduld. Er und seine Werte werden dem DFB sehr gut zu Gesicht stehen.

EM-Qualifikation: Die Gruppe B mit Deutschland

PlatzierungVereinSp.Diff.Pkt.
1Nordirland4512
2Deutschland3119
3Niederlande233
4Weißrussland4-80
5Estland3-110
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