WM 2006: Schweizer Bundesanwaltschaft erhebt Anklage gegen Niersbach, Zwanziger und Schmidt

SID
Werden wegen "arglistiger Täuschung" im Zuge der Sommermärchen-Affäre angeklagt: Die Ex-DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach und Theo Zwanziger.
© getty

Für die Macher des WM-Sommermärchens im Jahr 2006 wird es endgültig eng. Am Dienstag teilte die Schweizer Bundesanwaltschaft mit, dass Anklage erhoben wurde. Theo Zwanziger, Wolfgang Niersbach und Co. drohen nun harte Strafen.

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Der Schweizer Schlussspurt bringt die Sommermärchen-Macher doch noch in Bedrängnis: Nach jahrelangen Ermittlungen müssen sich die Organisatoren der Fußball-WM 2006 vor der Justiz verantworten und ihre Hoffnungen auf Verjährung wohl begraben.

Am Dienstag hat die Bundesanwaltschaft (BA) offiziell Anklage gegen die frühere Spitzenriege des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) erhoben und damit einen Prozess im Schnelldurchgang eröffnet. Spätestens im April 2020 soll ein erstes Urteil fallen, den Beschuldigten drohen bis zu zehn Jahre Haft. Sie selbst fanden drastische Worte, das Vorgehen sei "unsäglich" (Wolfgang Niersbach) und "bösartig" (Theo Zwanziger).

Die ehemaligen DFB-Präsidenten Niersbach und Zwanziger, der einstige DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt sowie der frühere FIFA-Generalsekretär Urs Linsi haben nach Auffassung der BA "arglistig über den eigentlichen Zweck einer Zahlung in der Höhe von 6,7 Millionen Euro getäuscht." Sie machten sich demnach des "Betrugs der Mittäterschaft" (Zwanziger, Schmidt, Linsi) bzw. der "Beihilfe zum Betrug" (Niersbach) schuldig. Die Ermittlungen wegen des Verdachts auf Geldwäscherei wurden hingegen eingestellt.

WM 2006: Verfahren gegen Beckenbauer wird abgetrennt

Gleichzeitig teilte die Behörde mit, dass das Verfahren gegen den früheren OK-Boss Franz Beckenbauer schon abgetrennt wurde und nun separat weitergeführt werde. Grund ist der gesundheitliche Zustand Beckenbauers, der laut BA "eine Teilnahme oder Einvernahme an der Hauptverhandlung vor dem Bundesstrafgericht nicht zulässt." Das muss sich nämlich im Eiltempo einen Überblick verschaffen und binnen acht Monaten zu einer erstinstanzlichen Entscheidung kommen, da sonst das Verfahren wegen Verjährung eingestellt wird.

Niersbach reagierte angesichts der Umstände ungehalten. "Es ist bezeichnend für dieses unsägliche Verfahren, dass man als Betroffener nach über drei Jahren über die Medien erfahren muss, dass Anklage erhoben wird", sagte der 68-Jährige dem SID: "Materiell wird sich herausstellen, dass die erhobenen Vorwürfe völlig haltlos sind."

Ähnlich schätzte auch Zwanziger die Situation ein, seine Wortwahl war allerdings noch drastischer. "Die ganze Schweizer Kampagne ist desolat, bösartig und wird völlig scheitern, weil ich mir überhaupt nichts vorzuwerfen habe", sagte der 74-Jährige dem SID: "Diese unfähigen Ermittler rasen mit dem Kopf gegen eine Wand - und zum Schluss gewinnt immer die Wand. Das Ganze ist inzwischen längst ein Justizskandal und kein wirklich vorwerfbares Verhalten gegenüber den Beschuldigten."

Deshalb wird der ehemalige DFB-Boss nach SID-Informationen zum Gegenschlag ausholen und auf einer Pressekonferenz am kommenden Dienstag mitteilen, dass er juristisch gegen die Schweizer Ermittler vorgehen will. Ob Schmidt ("Ich bin überrascht, was da alles in der Schweiz abläuft"), den die unschönen Neuigkeiten im Urlaub erreichten, ein ähnliches Vorgehen prüft, ließ er offen.

Sommermärchen-Affäre: Es geht um 6,7 Millionen Euro

Die BA hatte das Verfahren gegen die Beschuldigten am 6. November 2015 eröffnet. Konkret geht es um die 6,7 Millionen Euro, die 2005 vom deutschen WM-Organisationskomitee über den Weltverband FIFA mutmaßlich an den früheren adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus überwiesen worden sind. Exakt diese Summe war drei Jahre zuvor offenkundig in Form von Vorleistungen von Beckenbauer, der zentralen Figur im ganzen Skandal, und Louis-Dreyfus an den früheren FIFA-Skandalfunktionär Mohamed bin Hammam nach Katar geflossen.

Für die Überweisung an die FIFA täuschten die WM-Macher 2005 vorsätzlich einen Anlass (WM-Kulturprogramm) vor. Weil sich die Zahlung durch die Verschleierung für den DFB allerdings später auch steuermindernd auswirkte, ermittelt auch die deutsche Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung.

Mitte Oktober des vergangenen Jahres hatte das Landgericht Frankfurt/Main beschlossen, auf die Eröffnung eines Hauptverfahrens zu verzichten. Dagegen hat die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel eingelegt. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) steht noch aus.

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