Tüfteln im Kreativlabor

Joachim Löw sieht sich nach der WM einigen Fragen ausgesetzt
© getty

Nach Miroslav Kloses Rücktritt sucht Deutschland nach einem Nachfolger im Sturm. Aber gibt es den überhaupt? Joachim Löw kündigt ein Jahr der Experimente und neue Varianten an.

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Wut, Entsetzen, Fassungslosigkeit. All das war zu spüren am 8. Juli in Belo Horizonte, als Deutschland mit 7:1 im Halbfinale der WM den Gastgeber Brasilien demontierte. Aber auch Respekt. Respekt für die Leistung der DFB-Elf und Respekt für einen Mann, der sich gerade den Rekord eines Nationalheiligen gekrallt hatte.

Aus deutscher Sicht hätte das Drehbuch nicht besser geschrieben werden können, als dass Miroslav Klose gegen die Selecao die Tor-Bestmarke von Ronaldo bei WM-Turnieren knackte. 16 Treffer hat Klose nun erzielt und damit eins mehr als Il Fenomeno.

Im Trikot der Nationalmannschaft hat Klose mit 71 Treffern ebenfalls die Spitzenposition von Gerd Müller (68 Tore) übernommen. Klose ist ohne Zweifel eine deutsche Stürmerlegende. Aber Legenden haben es in den meisten Fällen nunmal so an sich, dass sie der Vergangenheit angehören und ihre Heldentaten zurückliegen.

Wer ist Kloses Nachfolger?

Selbst bei der WM war Klose nicht mehr erste Wahl, aber in einigen Spielen ein entscheidender Faktor und eine praktische Waffe. Klose hat anschließend seinen Rücktritt erklärt und den Platz freigemacht für seine Nachfolger.

Aber wer sind diese Nachfolger? Der natürliche Erbe schien über lange Jahre Mario Gomez. Der ist seit seinem Wechsel vom FC Bayern zum AC Florenz aber kaum einsatzfähig und mittlerweile auch schon 29 Jahre alt.

Das deutsche Publikum ist aus unterschiedlichen Gründen nie warm geworden mit dem ehemaligen Angreifer des FC Bayern und VfB Stuttgart. Löw hat ihm zwar immer vertraut, aber in vielen Spielen auch andere Lösungen vorgezogen.

Kein echter Stürmer in Sicht

Thomas Müller und Mario Götze haben schon im Zentrum gespielt. Die Diskussion kam dann schnell auf die falsche Neun, obwohl weder Müller noch Götze die Rolle so interpretierten, sondern einfach bewegliche Stürmer waren, die nur nicht der klassischen Vorstellung eines Angreifers im Stile von Jürgen Klinsmann oder Rudi Völler entsprachen.

Richtig scharf sind aber weder Müller noch Götze auf den Part als Stürmer, sie sehen sich selbst eher als offensive Mittelfeldspieler.

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Für die Länderspiele gegen Gibraltar und Spanien hat Löw mal wieder Max Kruse und Kevin Volland berufen. "Auch ich bin eigentlich eher Offensivspieler als echter Mittelstürmer", sagt Kruse. Volland wird bei 1899 Hoffenheim vornehmlich auf dem rechten Flügel eingesetzt.

Deutschland ist ohne echten Stürmer Weltmeister geworden und Deutschland wird auch in naher Zukunft ohne diesen Typus gut zurechtkommen, auch wenn Löw einen neuen Klose mit Kusshand nehmen würde.

Löw kündigt Veränderungen an

Der Bundestrainer wird mit seinem Trainerteam und Scout Urs Siegenthaler also wieder ins Kreativlabor steigen und an neuen Ansätzen tüfteln. Er hat das auf der Pressekonferenz am Donnerstag noch etwas kryptisch ausgedrückt.

"Unabhängig von unserem System müssen wir Dinge einfließen lassen, die unserer Spielweise wieder neue Impulse geben. Es gibt da verschiedene Möglichkeiten, was die Systematik betrifft", sagte Löw.

Nach einem Erfolg wie dem Gewinn des WM-Titels "muss man Veränderungen vornehmen, wenn man weiterhin erfolgreich bleiben will." Er wollte eigentlich schon früher neue Impulse aufnehmen und neue Entwicklungen in seine Arbeit einfließen lassen. Das kommende Jahr wird der Entwicklung verschrieben.

Auf einmal mit zwei Stürmern

Die Dreierkette hat wieder ihre Berechtigung im Weltfußball, Pep Guardiola hat sie erfolgreich beim FC Bayern etabliert. Auch Löw zieht eine Erweiterung des Repertoires in diese Richtung in Betracht. Schon gegen Gibraltar werden "nicht viele Defensive auf dem Platz stehen".

Teammanager Oliver Bierhoff erwartet "viele Tore" gegen den Kleinstaat. Nicht wenige halten einen neuen Rekordsieg in der Ära Löw für möglich. Die aktuelle Bestmarke stellte das Team 2006 beim 13:0 in San Marino auf. Eine moralische Grenze bei der Anzahl von Treffern gebe es auch am Freitag gegen Gibraltar nicht.

Deutschland agierte damals in einem 4-4-2 mit dem Sturmduo Klose und Lukas Podolski. Auch das ist zukünftig wieder eine Option für Löw. "Vielleicht spielen wir wieder mit zwei Stürmern", sagte der Bundestrainer. Echte Stürmer kann er bei der momentanen Personalsituation aber kaum gemeint haben.

Der Kader der deutschen Nationalmannschaft

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