Grätsche, Sternschnuppe und der Boss

Von Stefan Rommel und Andreas Lehner
Wie bei Brasilien und Italien lagen zwischen Deutschlands drittem und viertem WM-Titel 24 Jahre
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Die Mittelfeldspieler

Julian Draxler: Nach der Enttäuschung vor zwei Jahren mit der Ausbootung im letzten Moment nun Teil der Reisegruppe. Wie die anderen, die kaum oder gar nicht spielen durften, ruhig und unaufgeregt. Und immerhin war er ja auch dabei, als der Gastgeber mit 7:1 zerpflückt wurde. Zwar nur 14 Minuten, aber immerhin. Ein Versprechen für die Zukunft, das jede Menge lernen durfte.

Mario Götze: Ordentliches erstes Spiel, Tor im zweiten Spiel. Und dann: War er fast weg vom Fenster. Nicht jedem gefiel sein Habitus, das Pendeln zwischen Spielfeld und Ersatzbank machte es Götze auch nicht leicht. In gewisser Weise war die WM die Fortsetzung seiner gewiss nicht leichten Saison bei den Bayern. Die 113. Minute im Finale von Maracana veränderte aber (fast) alles. Sein Tor war in der technischen Umsetzung eine Sensation und von nun an wird er immer der Goldjunge bleiben, egal was passiert. Helmut Rahn, Gerd Müller, Andy Brehme - Mario Götze.

Sami Khedira: Aus dem Rehazentrum auf den Weltthron. Sein Wille und sein Ehrgeiz haben ihn kaum ein Dreivierteljhr nach seinem Kreuzbandriss erst zum Champions-League-Sieger und dann zum Weltmeister gemacht. Wurde in der K.o.-Phase immer mehr zum "alten" Khedira, dann setzte ihn eine Wadenverletzung Minuten vor dem größten Spiel seiner Karriere außer Gefecht. Trotzdem hat sich Löws Plan mit Khedira als Schlüsselspieler als richtig erwiesen.

Christoph Kramer: Erstes Länderspiel: Am 13. Mai gegen Polen in Hamburg, in einer von den Kritikern als "Jux-Spiel" abgetanen Veranstaltung. Letztes Länderspiel: Am 13. Juli gegen Argentinien in Rio de Janeiro, im wichtigsten Spiel des Weltfußballs. In den zwei Monaten dazwischen ist Kramer wie aus dem Nichts aufgetaucht. Schon seine Nominierung war für die meisten eine große Überraschung. Und dann spielte er in vier von sieben Spielen bei einer WM. Bis zu seinem Knockout, als er mit Garays Schulter unliebsame Bekanntschaft machte.

Toni Kroos: Der Passspieler der Bayern wurde auch zum Passspieler der deutschen Mannschaft. Und zum Spezialist für Offensivstandards. Kroos strukturierte das deutsche Spiel, gegen Brasilien war er so gut wie noch nie. Leider im Finale von seiner Vorlage für Higuain so schockiert, dass er das Passen darüber völlig vergaß. Trotzdem war diese WM auch seine WM. Die Bayern lassen ihn trotzdem gehen. Und niemand weiß so recht, warum eigentlich.

Thomas Müller: Großes, dünnes Müller. "Der ist so dünn und hat so wenige Muskeln - der sieht aus wie einer dieser Rosenverkäufer", sagte Maradona. In Wirklichkeit ist dieser Müller aber einer, der dem Gegner so dermaßen auf den Senkel geht mit seinen wirren Läufen und seinen Ideen. Und mit seiner Kaltschnäuzigkeit vor dem Tor. Ist erst 24 und hat jetzt doch schon zehn Tore bei Weltmeisterschaften erzielt. Die Konstante in der deutschen Offensive, und das wird im Van-Gaal-Duktus auch so bleiben, denn: "Müller spielt immer!"

Mesut Özil: Die umstrittenste Figur im deutschen Team. Spielt er jetzt unter seinen Möglichkeiten? Oder ordnet er sich einfach der Aufgabenstellung und damit dem Team unter und kann deshalb nicht so glänzen wie gewohnt? Tatsache ist, dass sich Özil nach der "Abschaffung" des klassischen Zehners auf der linken Seite verdingen und dort mehr Defensivarbeit verrichten musste. Ein großer Zweikämpfer wird er nicht mehr, aber er bleibt der Spieler für die besonderen Momente und derjenige im Team, der auch schwerste Dinge spielend leicht aussehen lassen kann.

Lukas Podolski: Für ihn persönlich verlief die WM nicht eben optimal. Spielte nur einmal von Beginn an. Und da dann nicht besonders gut. Verletzte sich in der Partie sogar noch leicht und war in der K.o.-Phase dann komplett raus aus dem Rennen um die Startplätze. Aber wenn einer weiß, wie wichtig jeder Einzelne fürs Team ist, dann Podolski bei seinem sechsten Großereignis. Beim Feiern einer der Größten überhaupt. Das Bild, wie er mit seinem Sohn im Maracana wie früher auf den Bolzplatz kickt, war eines der schönsten der WM.

Andre Schürrle: Mister Super-Sub. Sechs Einwechslungen in sieben Partien. Drei Tore. Drei Assists. Der Dosenöffner für die verzwickten Spiele gegen Algerien und Argentinien. Sein Sprint die linke Flanke entlang wird öfter wiederholt werden als jedes seiner Tore als Profi - es sei denn, er erzielt demnächst selbst das entscheidende Tor in einem großen Finale.

Bastian Schweinsteiger: Patellasehnenreizung. Ergänzungsspieler. Dirigent. Autorität. Kämpfer. Anführer. Vorbild. Stratege. Boss. Fußball-Gott.

Der Angreifer

Miroslav Klose: Der Torrekord ist die eine Sache. Die andere ist, dass Klose mit seinen 36 Jahren im 137. Länderspiel doch noch einen großen Titel geholt hat. Er ist nicht mehr ganz so spritzig im Antritt, für zwei oder drei gefährliche Aktionen eigentlich aber fast immer gut. Kommt gegen Ghana rein und erzielt mit der ersten Ballberührung im Turnier den Ausgleich. In vier Jahren geht's in Russland weiter. Und dieser Müller hängt ihm ja bereits gefährlich im Nacken...

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