"Als ob uns der Pokal gestohlen wurde"

Marcel Schmelzer mit Schiedsrichter Florian Meyer, der dem BVB ein reguläres Tor aberkannte
© getty

Marcel Schmelzer von Borussia Dortmund laboriert derzeit an einer Prellung im linken Knie und kann im Trainingslager der deutschen Nationalmannschaft in Südtirol nicht voll trainieren. Im Interview spricht der Linksverteidiger über die Auswirkungen des verlorenen DFB-Pokal-Endspiels gegen den FC Bayern München, die Akzeptanz-Probleme der BVB-Spieler im DFB-Team und Snooker mit Mats Hummels.

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SPOX: Herr Schmelzer, hat Sie Atletico Madrids Führungstor im Champions-League-Finale eigentlich an etwas erinnert, als Sie es hier im Trainingslager im Kreise der deutschen Nationalmannschaft gesehen haben?

Marcel Schmelzer: Leider ja. Wir Dortmunder haben uns alle angeschaut. Es war deprimierend zu sehen, dass es nur eine Woche nach dem Pokalfinale eine sehr ähnliche Situation gab, ein Torrichter eingesetzt wurde und der Treffer gezählt hat. Das war für eine kurze Zeit schon ein sehr komisches Gefühl. Letztlich müssen wir die Geschichte aber abhaken. Wir bekommen das Spiel nicht mehr zurück.

SPOX: In der Basketball-Bundesliga wurde Spiel vier der Viertelfinalplayoffs zwischen den Riesen Ludwigsburg und dem FC Bayern aufgrund einer Fehlentscheidung der Schiedsrichter wiederholt. Ist das für Sie ein im Fußball denkbarer Weg?

Schmelzer: Nein, daran glaube ich nicht. In meinen Augen wäre es der beste Weg, sich einmal mit der Torlinientechnik zu befassen. Unsere Auswechselspieler haben gesehen, dass der Ball im Tor war. Der Linienrichter stand sogar noch besser als sie. Daher macht es wenig Sinn, sich in solchen Situationen ausschließlich auf die Linienrichter zu verlassen - zumal sie ja gleichzeitig auch noch auf mögliche Abseitsstellungen schauen müssen. In solch wichtigen Spielen brauchen wir entweder Torrichter oder die Torlinientechnik.

SPOX: Mats Hummels sagte kürzlich, ihn wurme das verlorene Pokalfinale immer noch, auch hier in Südtirol.

Schmelzer: Das ist auch total verständlich. Es ist einfach bitter. Beide Mannschaften waren gleich stark, ein Spiel auf absoluter Augenhöhe. Entweder läuft es auf ein Unentschieden und Elfmeterschießen hinaus oder das Team, das den ersten Treffer erzielt, gewinnt. Wir haben den ersten Treffer erzielt - er hat halt nur nicht gezählt. Von daher fühlen wir uns schon so, als ob uns der Pokal sozusagen gestohlen wurde. Wir waren uns relativ sicher, dass wir das Spiel gewinnen, wenn wir das erste Tor schießen. Deshalb ist es sehr enttäuschend, einen solchen Erfolg in der Karriere verpasst zu haben.

SPOX: An mancher Stelle wird davon gesprochen, dass ein Jahr ohne Titel bereits ein verlorenes Jahr für den BVB sei und man seine Topspieler so auf Dauer nicht halten könne. Sie dagegen spielen seit Sie 17 sind für Schwarzgelb.

Schmelzer: Es gab natürlich gerade nach den zuletzt so erfolgreichen Spielzeiten auch für mich Möglichkeiten. Aber wie Mats Hummels schon einmal in einem Interview sagte: Der Großteil unserer Mannschaft hat einfach das Bedürfnis und die Lust, gerade in einem Team, das so wie wir zusammengewachsen ist und sich nach und nach verbessert hat, Erfolge zu feiern. Titel sind beim BVB keine Selbstverständlichkeit, es ist sehr schwer, dauerhaft erfolgreich zu sein. Es stand für mich noch nicht zur Debatte, irgendwo neue Luft schnuppern zu wollen.

SPOX: Sie sehen also weiterhin großes Entwicklungspotential in Dortmund?

Schmelzer: Natürlich. Leider haben wir immer riesige Abgänge zu verkraften, das ist natürlich bitter. Nicht jeder hat eben so wie andere das Gefühl, dass es nichts Besseres gäbe, als die Erfolge mit dem BVB zu feiern. Bisher haben wir es immer geschafft, die Abgänge zu ersetzen. Bei Robert Lewandowski wird es wohl einfach zu schwer, das dürfte nicht ganz machbar sein. Es gibt auf der Welt allerhöchstens drei Spieler, die seine Position gleichwertig spielen können - und die können wir uns in Dortmund auf keinen Fall leisten.

SPOX: Ciro Immobile vom FC Turin soll auserkoren worden sein, Lewandowski nachzufolgen. Was wissen Sie über ihn?

Schmelzer: Ich habe ihn noch nie live spielen sehen, sondern nur ein paar seiner Tore angeschaut. Das ist alles, was ich zu ihm sagen kann.

SPOX: Sie haben in dieser Saison nur 27 Pflichtspiele im Verein absolvieren können...

Schmelzer: ...(unterbricht) 27?

SPOX: Genau. 19 in der Bundesliga, fünf in der Champions League und drei im DFB-Pokal.

Schmelzer: Ah, in Ordnung. Doch so viele (lacht). Es hat sich weniger angefühlt.

SPOX: Immer wieder warfen Sie dabei kleinere und größere Verletzungen zurück. Wie sehr haben Sie mit Ihrem Schicksal gehadert, zumal die Saison hinsichtlich der WM nicht ganz unwichtig war?

Schmelzer: In der Hinrunde schon eher als zuletzt. Da war ich wirklich sehr oft verletzt und hatte auch Probleme, das in den Griff zu bekommen. Als das aber geklappt hat und ich die Winter-Vorbereitung absolvieren konnte, habe ich wieder alle Partien spielen können - bis das Spiel gegen St. Petersburg kam. Dort habe ich mich in einer Situation mit Fremdeinwirkung verletzt. Da konnte mein Körper nichts dafür, das hätte jedem anderen auch passieren können. Ich hatte ja sogar noch Glück im Unglück, dass mir der Muskel nicht komplett abgerissen ist. Sonst wäre ich jetzt nicht hier in Südtirol. Ich wusste zwar, dass es eng werden könnte, habe aber nicht damit gehadert. Ich war im Gegenteil sehr optimistisch, dass ich am Saisonende noch ein paar Spiele machen werde.

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