Warten auf den Final Cut

Von Für SPOX bei der Nationalmannschaft: Stefan Rommel
Mario Balotelli trifft mit Schmackes zum 2:0 für Italien gegen Deutschland
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Die Spieler stecken beim DFB zu sehr in der Komfortzone

Die Vorbereitung sei zerrüttet gewesen, alles andere als optimal. Die verspätete Ankunft der Real- und Bayern-Spieler brachte einige Trainingsinhalte etwas durcheinander, dazu kam die Enttäuschung aus dem Champions-League-Finale. In der Tat waren das nicht die besten Voraussetzungen.

Andererseits: Die Spanier trudelten tröpfchenweise in deren Trainingslager ein, die Spieler des FC Barcelona und von Athletic Bilbao spielten am 25. Mai noch das Finale der Copa del Rey - sechs Tage nach dem CL-Finale von München. Danach, am 28. Mai, spielten Sergio Busquets, Gerard Pique, Andres Iniesta und Xavi noch bei einem Benefiz-Futsal-Kick von Pep Guardiola in Barcelona mit.

Andere Teams wie etwa England hatten kurz vor dem Turnier noch schmerzhafte Ausfälle zu verkraften, die Italiener den neuerlichen Wettskandal. Optimal war die Vorbereitung im Prinzip bei keinem Verband.

Der Deutsche Fußball Bund hat trotzdem absolut optimale Bedingungen geschaffen, ob in den Trainingslagern auf Sardinien und in Frankreich oder später im Dwor Oliwski, dem abgelegenen Hotel in der Nähe von Danzig. Absolute Fokussierung auf die Trainingseinheiten, strikt durchgeplante Tagesabläufe. Die Iren wohnten als krasses Gegenbeispiel im Stadtteil Sopot, mitten in der Partymeile Monte Casino. Abends wurden Spieler in umliegenden Restaurants gesichtet, die Lobby im Teamhotel Sheraton war stets geradezu belagert von irischen Fans.

Der DFB schottet seine Mannschaft schon seit Jahren ab. Das ist nachvollziehbar und im Grunde auch richtig. Aber die Art und Weise, wie den Spielern wirklich alles abgenommen wird, ist zumindest diskussionswürdig. Dass sich die Mannschaft über eine lächerliche 30-minütige Verspätung beim Rückflug aus Charkiw beschwert, ist eigentlich nicht der Rede wert. Aber es zeigt, dass selbst kleinste Unregelmäßigkeiten sofort wahrgenommen werden - weil man ansonsten hundertprozentig umsorgt ist.

Auf den über 30 Pressekonferenzen nahm jeder Spieler mindestens einmal teil, auch das gesamte Trainerteam saß mindestens einmal auf dem Podium, dazu noch Teammanager Oliver Bierhoff und einige Protagonisten vom "Team hinter dem Team". Der DFB geht bei seinen Pressekonferenz äußerst professionell vor, so gut organisiert wie sonst kein anderer Verband - was dann auf dem Podium aber gesprochen wird, ist größtenteils doch eher nichtig. Die Spieler sind medial glattgebügelt, nur wenige brechen dabei auch mal aus. Nicht überraschend gab Lars Bender die erfrischendste aller Pressekonferenzen. Er ist schließlich erst seit ein paar Monaten Bestandteil der Mannschaft...

Deutschland hat eine goldene Generation - im negativen Sinn

Miroslav Klose, Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski haben seit 2004 jedes Turnier gespielt, Per Mertesacker kam 2006 bei der Heim-WM dazu. Eine starke Generation, die zuletzt aber viermal in Folge so knapp vor dem Ziel gescheitert ist. Keiner anderen Mannschaft ist so etwas in der Art je passiert.

Die Frage ist nicht erst seit Donnerstag, wie viel Optimismus der Mannschaft entgegengebracht wird - und wie hart sie dafür kritisiert werden darf, immer wieder kurz vor dem ausgegebenen Ziel zu scheitern? Die Aussagen der Spieler nach dem Italien-Spiel waren sehr nüchtern, fast schon ein wenig zu emotionslos und politisch korrekt.

An der grundsätzlichen Einordnung, dass diese Mannschaft eine der besten der Welt sein kann, ändert sich nichts. Nur gerierten sich die wichtigen Spieler auch in einer eigenartigen Form des Euphemismus, da wurde einiges schöngeredet und immer wieder auf die Zukunft verwiesen.

Nur leider wurde bereits 2006, 2008 und 2010 auch jedes Mal auf die zu erwartende erfolgreiche Zukunft verwiesen und das Entwicklungspotenzial, das mittlerweile dank der nachrückenden Generation in der Tat enorm ist. Nur: Wo und wann kommt die Sollbruchstelle?

Die Entwicklung an sich geht ja immer weiter. Sicher sind in zwei Jahren in Brasilien wieder drei, vier neue Begabte dabei, denen großes Entwicklungspotenzial attestiert wird. Aber wann kommt der finale Cut? Die reine Entwicklung neuer, glänzend ausgebildeter Spieler ist schön, aber sie allein bringt keine Titel. Insofern kann man Kapitän Lahm durchaus Recht geben, dass es keine Garantie dafür gebe. Aber ebenso wenig haben auch andere Mannschaften eine Garantie auf die Titel, die sie letztlich dann doch gewinnen.

Was trotz aller Kritik für die deutsche Mannschaft spricht: Sie war die jüngste des Turniers mit einem Altersdurchschnitt knapp über 24 Jahren. Und schaut man sich den Reifungsprozess der Spanier an, wird klar, dass deren Korsettstangen auch erst mit Ende 20 und einigen Turnieren Vorlauf ihre ersten Titel eingefahren haben. Vielleicht war die Zeit also wirklich noch nicht reif.

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