Mahnung an die hübsche Maschine

Von Für SPOX in Bremen: Stefan Rommel
Mats Hummels (r.) klatscht mit dem überragenden Franzosen Samir Nasri (M.) ab
© Getty

Nicht überbewerten, aber doch genau analysieren: Die Niederlage gegen Frankreich kommt dem DFB-Team gar nicht so ungelegen. Bundestrainer Joachim Löw zieht wie seine Mannschaft schnell die richtigen Schlüsse, bleibt im Hinblick auf die Europameisterschaft aber gelassen.

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Viele deutsche Spieler wollten nicht reden nach dem 1:2 gegen Frankreich im ersten Länderspiel des Jahres. Die wenigen aber, die sich doch zu ein paar kargen Sätzen durchringen konnten, machten zumindest in der Spielanalyse vieles richtig.

Nicht überbewerten, trotzdem hinterfragen

"Man darf das Spiel nicht überbewerten, trotzdem müssen wir einiges hinterfragen", fasste Thomas Müller die Einordnung des Abends von Bremen zusammen. Man hätte es nicht treffender formulieren können.

Da hatte das mürrische Bremer Publikum bereits wenig Gnade gezeigt und die deutsche Nationalmannschaft mit Pfiffen unter die Dusche verabschiedet - was angesichts eines verlorenen Spiels nach zuvor mitunter glanzvollen Auftritten deutlich überzogen war.

Die Reaktion der Fans zeigt, wie verwöhnt die Deutschen von ihrer Nationalmannschaft zuletzt wurden und vor allen Dingen, wie groß die Erwartungshaltung mittlerweile ist. Insofern kann die Art und Weise der Niederlage zur Einordnung der deutschen Mannschaft im Nachhinein noch sehr hilfreich sein.

Klose bleibt zuversichtlich

"Ob das jetzt ein Schuss vor den Bug zur rechten Zeit war, wird man erst im Sommer bei der EM sehen", meinte Miroslav Klose und fand dabei die Unterstützung seiner Kollegen. Anders als die vielen Jungspunde im Team hat Klose aber schon fünf Großturniere gespielt, weshalb er sich noch ein bisschen aus dem Fenster lehnen konnte. "Wenn es darauf ankommt, ist unsere Mannschaft da!"

Das weiß auch Löw, der sich deshalb zwar leicht genervt, aber dennoch offen der Fehleranalyse hingab. "Ich ärgere mich ein bisschen darüber, wie wir es verloren haben. Im Laufe der Partie war uns Frankreich spielerisch überlegen. Im zweiten Durchgang haben wir nicht mehr zu unserem Spiel gefunden. Deshalb war es verdient, dass Frankreich gewonnen hat", so Löw.

Taktische und handwerkliche Fehler

Im Detail sah seine Bestandsaufnahme zu viele Fehler in der Anordnung seiner Mannschaftsteile. "Es waren immer 50, 60 Meter Abstand zwischen unseren ersten und letzten Spieler. Das ist zu viel. Wir hatten zu viel Raum zwischen der Viererkette und unserem Mittelfeld, diesen Zwischenraum hätten wir enger halten müssen. So ist Frankreich da immer wieder reingestoßen."

Dazu bekamen die Außenbahnspieler ihre Defensivaufgaben nicht in den Griff. Dennis Aogo, Jerome Boateng, Benny Höwedes, aber auch die Mittelfeldspieler Marco Reus oder Andre Schürrle halfen nicht konsequent genug hinten aus. Handwerkliche Fehler waren es, die zu den beiden Gegentoren und auch noch der einen oder anderen Chance der Franzosen führten.

Zweigeteilte Mannschaft

Wie immer seien die letzten Wochen vor dem Turnier die wichtigsten. Und wie immer kommt es da dann besonders darauf an, das Defensivverhalten der gesamten Mannschaft auf Kurs zu bringen. "Ich denke, dass wir gerade in der Defensive einiges tun müssen Richtung EM", so Löw.

Dass seine Spieler die Partie aber nicht einfach abhaken und bis Mitte Mai, wenn der DFB-Tross für die Trainingslager auf Sardinien und in Südfrankreich zusammenkommt, längst wieder vergessen haben, wird nicht passieren.

"Über so ein Spiel kann man noch viel sprechen. Es war ein bisschen undiszipliniert. In der zweiten Halbzeit hatten wir eine bisschen zweigeteilte Mannschaft. Wir haben die Verteidigung schön alleine gelassen", mahnte Müller die Defizite im deutschen Spiel an.

Müller: "Keine Entschuldigung"

Und auch die gerne hergenommene Tatsache, dass das Länderspiel mitten in die heiße Phase von Liga- und Champions-League-Betrieb platzen würde, ließ der Münchener nur halb gelten. "Der Termin lag sicherlich ungünstig, uns haben einige Spieler gefehlt - aber das ist keine Entschuldigung, dass wir das Spiel so herschenken!"

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Denn die Rahmenbedingungen waren auch für den Gegner dieselben, nur konnten die Franzosen damit offenbar etwas besser umgehen. Dazu hatte Trainer Laurent Blanc seiner Mannschaft einen durchdachten Plan mit auf den Rasen gegeben, die die ebenfalls ersatzgeschwächte Truppe in großen Teilen auch gut in die Tat umsetzte.

Blanc: Parallelen zu Löw

"Wir hatten die Deutschen gut analysiert. Sie sind stark in der Offensive. Wir haben versucht hoch zu stehen, damit die Deutschen nicht ihre Offensive entfalten können. Das hat geklappt", sagte Blanc, der mit dem Sieg bei der "hübschen Maschine", wie er Deutschland vor dem Spiel genannt hatte, zusätzlich Punkte in eigener Sache einfahren konnte.

Blanc liegt mit dem neuen Verbandschef Noel Le Graet im Clinch, es geht um die Verlängerung seines Vertrags und um Werbeverträge, die nicht wohl gelitten sind beim Boss der FFF.

Ein bisschen erinnert Blancs Lage deshalb auch an die von Löw vor der WM vor zwei Jahren, als sich der Bundestrainer mit Präsident Theo Zwanziger überworfen hatte und seine Zukunft sich erst mit den Spielen beim Endturnier entschied.

Etwas Druck aus dem Kessel

Bis dahin vergeht aber noch einige Zeit, die der Bundestrainer jetzt abseits des Rasens für seine Vorbereitungen nutzen wird. Die ganz großen Termine stehen nicht mehr an, jetzt heißt es die Kandidaten in den Ligen beobachten, mit den Vereinstrainern sprechen, Urs Siegenthaler einbinden.

Damit Löw bis zur Benennung seiner 23 Spieler für die Europameisterschaft genügend Eindrücke und Informationen parat hat.

"Ich glaube, unsere Basis ist gut. Wir haben mit vielen, vielen guten Spielen die Erwartungshaltung angehoben", sagte Löw und meinte damit im Umkehrschluss, dass die Niederlage jetzt vielleicht auch etwas Druck aus dem Kessel nehmen wird.

Denn: "Im März sind schon viele Dinge passiert bei uns in den letzten Jahren. Was im März passiert ist für den Trainer nicht so ausschlaggebend!"

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