"Mir fehlt manchmal die Leichtfüßigkeit"

Von Interview: Stefan Rommel
Benedikt Höwedes (M.) bei einer Trainingseinheit der deutschen Nationalmannschaft
© Getty

Deutschland trifft am Mittwoch in Stuttgart auf Brasilien (20.30 Uhr im LIVE-TICKER). Benedikt Höwedes ist erstmals als Bundesliga-Kapitän dabei. Der neue Schalke-Boss bei SPOX über Verantwortung, seine (schwierige) Rolle in der Nationalmannschaft und den unglaublichen Raul.

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SPOX: Herr Höwedes, was war Ihr großer Kindheitstraum?

Benedikt Höwedes: Natürlich einmal Fußballprofi zu werden und in den großen Stadien spielen zu dürfen. Als Neunjähriger durfte ich beim Länderspiel gegen Armenien als Einlaufkind einmarschieren. Da ist es klar, dass man irgendwann auch Nationalspieler werden will.

SPOX: Beides hat recht gut geklappt. Was sind heute Ihre Träume?

Höwedes: Sportlich will ich wie jeder andere Spieler so viele Titel wie möglich gewinnen: National und international, mit Schalke und der Nationalmannschaft. Ich will das Maximum rausholen. Ich will aber auch ein vernünftiger Spieler sein, der ein gutes Auftreten hat. Sprich: Ich will akribisch an mir arbeiten und immer besser werden und ein Vorbild sein für Kinder und Jugendliche.

SPOX: In der Nationalmannschaft ist der Platz rechts hinten vakant, es wird durch den Wechsel von Philipp Lahm nach links ein Rechtsverteidiger gesucht. Sie sind einer der Kandidaten. Wie sehen Sie Ihre Situation?

Höwedes: In den letzten Länderspielen durfte ich auf der Position ran und ich denke, dass ich meine Sache ganz ordentlich gemacht habe. Ich wäre froh, wenn ich einer der ersten Kandidaten bleiben könnte und würde - obwohl ich im Verein in der Innenverteidigung spiele - dort natürlich sehr gerne auflaufen.

SPOX: Müssen Sie sich deshalb im DFB-Team auf Dauer umorientieren?

Höwedes: Es ist eine gewisse Umstellung, eine komplette Umorientierung ist es aber nicht.

SPOX: Die Position des Außenverteidigers fristet gemeinhin immer noch ein eher unbeachtetes Dasein und wird als nicht so wichtig empfunden.

Höwedes: Das ist aber so nicht ganz richtig. Die letzte Verteidigungslinie steht immer besonders im Fokus. Man muss da auch als Außenverteidiger höllisch aufpassen und auf der Höhe sein. Die Position ist deshalb auch reizvoll, weil sie einen Spieler in einem besonderen Maße fordert.

SPOX: Beschreiben Sie doch einmal das Anforderungsprofil.

Höwedes: In der Defensive muss die Abstimmung mit den anderen Kollegen der Viererkette perfekt passen, man braucht eine gute Grundschnelligkeit und Zweikampfstärke im Eins-gegen-eins. Sehr oft hat man es da mit einem trickreichen, wendigen Gegner zu tun. Man muss viel Laufarbeit verrichten. In der Offensive ist man auf dem Flügel gefordert, muss präzise flanken und auch mal einen Gegner ausspielen können. Die Position wird etwas verkannt. Ich finde, sie ist sehr wichtig.

SPOX: Gehen Sie den Job als gelernter Innenverteidiger von Haus aus etwas defensiver an?

Höwedes: Meine grundsätzliche Denkweise orientiert sich sicherlich zunächst darauf, Tore zu verhindern. Ein Spiel wie das von Dani Alves entspricht nicht meinem Naturell. Das heißt aber nicht, dass ich nicht auch Akzente im Offensivspiel setzen kann. Vor allem gegen defensiv eingestellte Gegner muss man Druck nach vorne machen. Das habe ich in den letzten Spielen auch recht ordentlich gemacht.

SPOX: Wo sehen Sie bei sich noch Defizite?

Höwedes: Meinem Angriffsspiel fehlt manches Mal noch die Leichtfüßigkeit, der Spielwitz. Im Dribbling kann ich mich noch verbessern und meine Flanken könnten präziser sein. Das sind eben die Dinge, die man als Innenverteidiger normalerweise nicht macht. Aber ich glaube auch, dass man ein besseres Gefühl dafür bekommt, je öfter man die Position spielt.

SPOX: Ist es für einen Kapitän im Sinne der Kommunikation auf dem Spielfeld ungünstig, auf die Außenbahn ausgelagert zu werden?

Höwedes: Man kann aus dem Zentrum heraus mehr Anweisungen und Kommandos geben. Von daher sehe ich zumindest einen Unterschied. Einen Nachteil kann ich deshalb aber nicht erkennen.

SPOX: Philipp Lahm wird es einige Male als solcher ausgelegt, wenn er nicht immer gleich mitten im Geschehen ist.

Höwedes: An der Autorität eines Kapitäns den Mitspielern oder dem Schiedsrichter gegenüber ändert das rein gar nichts.

SPOX: Schalke hat zum Bundesligaauftakt relativ klar verloren, Sie bleiben trotzdem sehr optimistisch. Warum?

Höwedes: Unsere Vorbereitung war sehr gut, dazu haben wir ein junges, talentiertes Team. Vor dem Spiel hatte ich ein gutes Gefühl und eine positive Grundeinstellung. In der ersten halben Stunde haben wir das auch gut gemacht, hatten ordentliche Pressingsituationen und ein paar gute Ballgewinne. Aber im Konterspiel waren wir zu ungenau und sind somit trotz guter Ausgangspositionen nicht gefährlich genug vor dem Tor geworden. Aber ich bleibe dabei: Trotz des verpatzten Starts werden wir eine ordentliche Saison spielen.

SPOX: Was hat sich an der Schalker Spielweise unter Ralf Rangnick im Vergleich zu dessen Vorgänger geändert?

Höwedes: Wir suchen jetzt die frühen Ballgewinne, um den kürzeren Weg zum Tor zu haben. Und wir wollen schneller nach vorne spielen. Diese Entwicklung dauert natürlich, das braucht Zeit. Wir haben in der Vorbereitung in diesem Bereich aber schon gute Fortschritte gemacht und sind einen Schritt weitergekommen.

SPOX: Schalke steht erneut vor einer Saison des Umbruchs. Wann findet die Mannschaft zu einer gewissen Kontinuität?

Höwedes: Wir haben zu viele Spieler eingekauft und abgegeben in den vergangenen Jahren. Das war nicht positiv. Wir stellen nun aber die zweitjüngste Mannschaft der Bundesliga, sind also im Begriff, etwas Neues aufzubauen. Diesen eingeschlagenen Weg finde ich sehr gut.

SPOX: Als Nachfolger von Manuel Neuer im Kapitänsamt rücken Sie noch stärker in den Fokus, Sie sind für die Fans noch mehr Identifikationsfigur. Macht Sie das nur stolz, oder haben Sie auch Respekt vor der großen Aufgabe?

Höwedes: Es macht mich natürlich stolz. Aber ich bin mir der Verantwortung auch bewusst, die ich da trage. Ich weiß, dass ich jetzt mehr unter Druck stehe. Aber mit diesen Situationen bin ich bisher immer gut umgegangen.

SPOX: Rund um den Verein herrscht oft eine gewisse Unruhe. Ist das die typische Folklore, die einen Groß-Klub umweht, oder ist Schalke auch in dieser Hinsicht noch spezieller als andere Klubs?

Höwedes: Schalke ist einfach speziell. Seit ich im Profibereich dabei bin, habe ich das gar nicht anders kennengelernt. Es ist einfach immer etwas los.

SPOX: Wenn Sie morgen also nach zum Beispiel nach Hoffenheim wechseln, wären Sie leicht geschockt?

Höwedes: Dann wäre es sicher ruhiger und vielleicht aus meiner Sicht praktisch nichts mehr los. Das macht den Reiz von Schalke aus. Natürlich wäre es schön, wenn man auch mal ein bisschen mehr Ruhe hätte. Aber so wie es ist, habe ich Schalke kennen- und auch lieben gelernt.

SPOX: Das Einsatzgebiet von Raul im offensiven Mittelfeld war nach dem Spiel in Stuttgart ein großes Thema. Zurecht?

Höwedes: Überhaupt nicht. Raul hat auch letzte Saison als hängende Spitze gespielt, sich immer mal wieder ins Mittelfeld fallen lassen. Er hat eine unglaubliche Ballbehandlung, kann Bälle gut abschirmen und er strahlt auch aus dem Mittelfeld eine große Torgefahr aus. Keine Ahnung, warum die Medien das jetzt so groß aufbauschen.

SPOX: Sie sind überzeugt, dass er diese Saison noch auf Schalke bleibt?

Höwedes: Ja. Raul kann und wird weiter eine sehr gute Rolle bei uns spielen.

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