Ein kleiner Vorgeschmack

Von Stefan Rommel
Andre Schürrle (l.) stand gegen Australien in der Startformation, Mario Götze kam als Joker
© Getty

Beim Testspiel gegen Australien testete Bundestrainer Joachim Löw munter seine Spieler aus der zweiten Reihe. Wer hat seine Chance genutzt und sich als Kandidat für größere Aufgaben erwiesen? Eine Einschätzung.

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Joachim Löw hatte sich im Vorfeld schon früh festgelegt und die Partie gegen Australien wenige Tage nach dem Spiel in der EM-Qualifikation gegen Kasachstan als Testspiel im wörtlichen Sinne definiert.

Im Vergleich zum Pflichtspiel in Kaiserslautern am vergangenen Samstag stellte der Bundestrainer seine Mannschaft dann tatsächlich auf acht Positionen um, zudem spielte mit Thomas Müller einer der gesetzten Spieler auf einer etwas abgeänderten Position.

Vorerst letzter Testlauf

Es wird das letzte ganz große Experimentierfeld auf absehbare Zeit gewesen sein. Die nächste Partie gegen Uruguay wird zwar erneut auf freundschaftlicher Basis abgehalten, nur wird der Gegner dann ungleich stärker sein als Australien, und: Nur wenige Tage danach steht in Wien gegen Österreich ein vorentscheidendes Quali-Spiel an.

Löw wird dann sehr wahrscheinlich seine erste Elf aufbieten, um sich für die Partie in Wien einzuspielen. Deshalb waren die Eindrücke von Mönchengladbach für einige Spieler von bedeutender Natur. Eine Einschätzung.

Tim Wiese: Die neuerliche Verletzung von Rene Adler bescherte Wiese das dritte Länderspiel im letzten halben Jahr. Dabei sind die Verhältnisse klar abgesteckt: Manuel Neuers Konkurrenz darf ab und an spielen, an der Reihenfolge im deutschen Tor würden aber auch fünf starke Leistungen in Folge kaum etwas ändern. Wiese spielte solide, leistete sich eine Unkonzentriertheit nach einem Rückpass in der ersten Halbzeit. Beim Ausgleich mit etwas Pech, als der Ball unter ihm durchrutschte. Ein weiteres Länderspiel für die Statistik. Mehr nicht.

Christian Träsch: Er hatte als einziger das Pech, auf einer Position spielen zu müssen, die seine Fähigkeiten etwas beschneidet. Eigentlich hätte Jerome Boateng als rechtes Glied der Viererkette spielen sollen, dessen Meniskusverletzung bedeutete für Träsch die Chance. Zwar spielt Träsch auch beim VfB notgedrungen rechts in der Viererkette, seine enorme Laufbereitschaft, seine Dynamik und seine bissige Zweikampfführung kommen dort aber weniger zum Tragen. Trotzdem hatte er zusammen mit Schürrle auf der rechten Seite einen gelungenen Start. Allerdings baute er in seinem Offensivdrang bis zum Ende der Partie stark ab - dabei forderte ihn Gegenspieler McKay defensiv so gut wie nie. Als Lahm-Ersatz dürfte er nur in Notfällen in Frage kommen, für die Stelle im defensiven Mittelfeld gibt es gleich haufenweise Konkurrenz. Insofern ein unglücklicher Abend, weil er noch nicht mal die Chance hatte, auf seiner Lieblingsposition sein Können zu zeigen.

Arne Friedrich: Auf den Wolfsburger durfte man sehr gespannt sein. Ohne Länderspiel seit der WM. Dynamik fehlte ein bisschen, gegen den flinken Holman in den wenigen Laufduellen mit Problemen. Für Friedrich war es ein erster Schritt zurück ins Team, wenngleich er noch nicht so spritzig und austrainiert wirkt wie bei der WM und noch deutlich Luft nach oben hat.

Mats Hummels: Der beste deutsche Innenverteidiger der laufenden Bundesliga-Saison erwischte einen eher durchschnittlichen Abend. Hummels spielte defensiv gegen Routinier Kewell lange solide, sah beim Gegentreffer zum 1:1 aber nicht gut aus. Allerdings ist gerade in der Innenverteidigung die Abstimmung mit dem Nebenspieler eine wichtige Komponente. Bei der Premiere mit Friedrich waren deshalb auch keine Wunderdinge zu erwarten. Auffällig waren aber seine Probleme im Spielaufbau bei den kurzen Zuspielen ins Mittelfeld. Da blieb er deutlich unter seinen Möglichkeiten. Seine weiten Diagonalbälle erreichten fast nie den gewünschten Abnehmer. Diese eine etwas schwächere Partie wird für Hummels auf mittelfristige Sicht aber kaum Nachwirkungen haben. Der Dortmunder bleibt ein heißer Kandidat für die Startelf.

Marcel Schmelzer: Nach Dennis Aogos durchschnittlicher Vorstellung in Kaiserslautern war die Chance für Schmelzer besonders groß, im direkten Vergleich mit den beiden mehr oder weniger offen auserkorenen Kandidaten für die linke Abwehrseite wichtige Pluspunkte zu sammeln. Schmelzer hatte auch ein paar nette Aktionen, wirkte aber nicht entschlossen genug, insgesamt zu verhalten und auch ein wenig nervös. Vielleicht sollte man beim erst zweiten Länderspiel überhaupt nicht zu viel erwarten, aber ein bisschen mehr Mut und Unbekümmertheit hätten dem Dortmunder gut zu Gesicht gestanden. Eine nachhaltige Bewerbung war der Auftritt nicht, trotzdem bleibt Schmelzer einer der ersten Kandidaten auf die eine große Problemstelle im deutschen Team.

Sven Bender: Im Vergleich zum Kollegen Schmelzer war Bender im zentralen defensiven Mittelfeld besonders in der ersten Halbzeit von Beginn an bestrebt, Dominanz auszustrahlen. Das Zusammenspiel mit Schweinsteiger funktionierte dabei erstaunlich reibungslos, die deutsche Doppelsechs hatte die Partie über eine Stunde lang voll im Griff. Allerdings schlichen sich bei Bender ein paar Fahrlässigkeiten ein. Trotzdem zeigte der Dortmunder, dass er jetzt schon eine zuverlässige Alternative sein kann - besonders gegen Gegner, deren Spiel zerstört werden soll.

Andre Schürrle: Er erweckte von Beginn an den Eindruck, seine Chance beherzt und mutig nutzen zu wollen. Riskierte einige Male das Dribbling und war für die Australier auf Grund seiner enormen Schnelligkeit nur schwer zu packen. Beim Führungstreffer spekulierte er auf Müllers Finte richtig und verbuchte den ersten Assist bei seinem Startelf-Debüt. Für den Tempo-Fußball mit schnellem Umschaltspiel, den sich Löw in bestimmten Partien und Konstellationen zurechtlegt, wird Schürrle noch ein wertvoller Spieler werden. Einen ersten kleinen Vorgeschmack dafür gab es in Mönchengladbach.

Mario Gomez: Vielleicht war es sein größter Nachteil, dass die Partie vor heimischem Publikum stattfand. Derzeit ist die Beziehung zwischen den Fans und Gomez leicht gestört. Der Münchener hatte bis zu seinem Tor kaum eine nennenswerte Aktion - den Treffer zum 1:0 erzielte er dann aber wie auf Knopfdruck eiskalt.Es bleibt aber auch festzuhalten, dass er weniger am Spiel teilnimmt als etwa Konkurrent Klose, der sich tiefer fallen lässt, sich dort am Spielaufbau beteiligt und dadurch auch eine gewisse Sicherheit erlangt. Gomez hat den einzigen deutschen Treffer erzielt, wurde bei seiner Auswechslung aber dennoch mit höhnischem Applaus verabschiedet. Wenigstens bleibt ihm die Gewissheit, dass sich der Bundestrainer von der derzeit sehr kritischen Betrachtungsweise der Fans nicht beirren lässt.

Mario Götze: Seine Aufgabe war undankbar. Bei Rückstand in eine zerfahrene Partie gegen einen grimmigen Gegner zu kommen und sofort Kreativität auszustrahlen, ist eine der schwierigeren Aufgaben im Fußball. Götze fand ein uninspiriertes deutsches Offensivspiel vor und konnte daran bis zum Schluss auch nicht mehr viel ändern. Götze bleibt ein Geheimtipp, auch wenn die Startelf derzeit sehr weit entfernt ist. Allerdings muss man das von einem 18-Jährigen auch nicht verlangen.

Toni Kroos: Er sollte nach seiner Einwechslung das Spiel wieder ordnen, nachdem vorher für zehn Minuten ein paar Dinge nicht so funktioniert hatten. Die große spielerische Linie kam auch mit Kroos nicht zurück. Er stand aber auch nicht so im Fokus wie einige andere, der Bundestrainer weiß sehr wohl, was er an ihm hat und dass auf Kroos in der Vergangenheit auch in wichtigen Spielen schon Verlass war.

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