"Mit Zwillingen hat man keine Ruhe"

Von Für SPOX bei der Nationalmannschaft: Christian Bernhard
Nationalspieler Jerome Boateng spielt seit Sommer 2010 für den Premier-League-Klub Manchester City
© Getty
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SPOX: Was unterscheidet einen englischen Großklub von einem deutschen?

Boateng: Alles ist überdimensional und größer als beim HSV. Es wurde auch viel gebaut, jetzt wird gerade für viel Geld an einem Trainingsgelände gearbeitet. Der Verein besitzt außerdem ein eigenes Flugzeug und den Spielern wird alles abgenommen, wenn man das möchte.

SPOX: Besteht direkter Kontakt zum Scheich?

Boateng: Er kommt ab und an zu den Spielen und dann unterhält er sich auch mit uns. Er hat Ahnung vom Fußball. Sein Assistent ist öfter da. Mit ihnen kann man sich ganz normal unterhalten.

SPOX: Ihr Teamkollege Mario Balotelli hat mit seinem Kampf mit einem Trainingsleibchen gerade erst für Furore gesorgt. Was musste er sich dafür in der Kabine alles gefallen lassen?

Boateng: Beim ersten Training danach haben wir ihm alle ein Leibchen zugeworfen. (lacht) Wenn so etwas passiert, hast du bei uns erstmal die Arschkarte gezogen. Da hängt was bei dir im Spind und von überall bekommst du was mit. Das wird auch noch dauern - vor allem bei seinem Charakter. Er tritt ja immer so selbstbewusst auf - dafür muss er jetzt doppelt einstecken.

SPOX: Wie ist er damit umgegangen?

Boateng: Am Anfang war er schon ein bisschen eingeschnappt. Aber jetzt lacht er auch darüber. Er war ja auch wegen der Roten Karte gegen Kiew schlecht drauf. Aber jetzt geht es wieder.

SPOX: Wie sieht Ihr persönliches Fazit nach neun Monaten England aus?

Boateng: Zu Beginn war es schwierig, da ich acht Wochen verletzt war. Es ist schlecht, ohne Vorbereitung nach der WM zu einem neuen Klub zu kommen. Dann hatte ich das Problem, dass ich ja eigentlich zu ManCity gewechselt bin, um in der Innenverteidigung zu spielen. Aber dann habe ich rechts gespielt und da fühle ich mich nicht so wohl. Darum habe ich mit dem Trainer geredet und daraufhin jetzt im Winter auch öfters innen gespielt. Zentral habe ich mich viel besser gefühlt und auch gute Kritiken bekommen, auch aus der Mannschaft.

SPOX: Sie waren aber nicht immer erste Wahl.

Boateng: Logisch wünscht man sich, mehr zu spielen, aber für mich ist es auch ungewohnt, alle drei Tage zu spielen - und das auch noch den Winter durch. Ingesamt bin ich aber ganz zufrieden. Wir haben einen großen Kader und nicht gerade wenig Qualität. Das ist mein erstes Jahr hier, ich fühle mich trotzdem wohl in Manchester.

SPOX: Wie ist der Austausch mit Coach Roberto Mancini?

Boateng: Er kennt meine Sichtweise. Ich habe vor dem Wechsel gesagt, dass ich nur nach Manchester komme, wenn ich innen spiele. Deshalb war es ein bisschen ärgerlich, dass ich rechts spielen musste. Das habe ich ihm gesagt und er hat es zur Kenntnis genommen.

SPOX: Hat er Ihnen für die Zentrale eine langfristige Perspektive aufgezeigt?

Boateng: Er hat gesagt, dass er es so plant - aber das ist nicht so einfach. Er hat ja auch andere Spieler und kann es nicht jedem recht machen. Aber wie gesagt: Ich bin eigentlich gekommen, um innen zu spielen. Das wurde mir so zugesagt.

SPOX: Welches Team hat Sie bisher in England am meisten beeindruckt?

Boateng: Spielerisch ganz klar Arsenal. Chelsea von der Kraft her und bei ManUtd merkt man, dass die alles zusammen als Mannschaft machen. Da weiß jeder: Wenn es schlecht läuft, müssen wir alle verteidigen. Klar ist auch: Bei allen drei Mannschaften spielt der Stamm schon länger zusammen, das merkt man im Gegensatz zu uns. Wir haben viele gute Einzelspieler, aber es muss noch zusammenwachsen.

SPOX: Welcher Spieler hat sie besonders beeindruckt?

Boateng: Für mich als Verteidiger ganz klar Nemanja Vidic. Er ist für mich derzeit der Beste der Welt. Er hat alles: Stellungsspiel, Kraft und er gewinnt jedes Kopfballduell - obwohl er nicht der Größte ist.

SPOX: Studieren Sie Vidic dann auch?

Boateng: Studieren nicht, aber ich schaue ihn mir genau an. Wenn ich zu Hause ein Spiel im Fernsehen sehe, beobachte ich ihn schon sehr genau. Die Innenverteidiger interessieren mich am meisten: Was kann man vielleicht noch verbessern, was anders machen, wo würde ich in bestimmten Situationen stehen?

SPOX: Was sagen Sie zu den Vorgängen bei Ihrem Ex-Klub in Hamburg?

Boateng: Auch als ich noch da war, war immer was los. In Hamburg herrscht nie richtig Ruhe. In der Saison ist aber noch einmal eine Schippe draufgelegt worden. Es ist einfach traurig für den Verein und schadet seiner Außendarstellung. Ich hoffe, dass schnell Ruhe einkehrt, denn der Verein ist an sich einer der besten in Deutschland. Da muss man einfach mehr daraus machen.

SPOX: Als Profi hat man schnell ein Image ab und bekommt oft einen Stempel aufgedrückt. Bei Ihnen fielen Stichwörter wie 'Ghetto-Kid' und 'Problem-Kicker'. Wie sehr nervt Sie das?

Boateng: Zuerst einmal möchte ich betonen, dass ich mir nie etwas zu Schulden kommen haben lasse - weder sportlich noch privat. Aber mir ist auch klar, dass wenn hier jetzt irgendetwas Negatives passieren würde, würden solche Beurteilungen sicher gleich aus der Schublade gezogen werden. Nach dem Motto: Der hat sich nicht unter Kontrolle. Das regt mich auf. Aber was soll ich dazu sagen? Ich bin das schon gewohnt, aber es ist ja insgesamt weniger geworden.

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