Es kann nur einen geben

Von Für SPOX in Südafrika: Stefan Rommel
Joachim Löw (l.) trat nach der WM 2006 die Nachfolge von Jürgen Klinsmann an
© Getty

Die Debatte um Joachim Löws Zukunft als Bundestrainer gewinnt an Fahrt. Alle Zeichen stehen auf eine Weiterführung der Arbeit. Vor allem aus sportlicher Sicht gibt es zu Löw keine Alternative.

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Wenn das Vergnügen der Spiele vorbei ist, setzt die kühle Politik wieder ein. Der Hype um die deutsche Nationalmannschaft und ihre lebhaften Auftritte bei der Weltmeisterschaft flaut immer mehr ab, das Spiel um Platz drei gegen Uruguay am Samstag (20.15 Uhr im LIVE-TICKER und auf SKY) ist jetzt schon in den Hintergrund gerückt.

Stattdessen bestimmt die unvermeidliche Diskussion um Joachim Löws Zukunft als Bundestrainer die Schlagzeilen. Die "Bild" will schon längst erfahren haben, dass Löw seinen Vertrag beim Deutschen Fußball Bund um zwei Jahre bis Juni 2012 verlängern will.

"Wir haben immer gesagt, wir werden nach dem Turnier sprechen. Diese Nachricht stimmt nicht. Wir werden erst das Turnier zu Ende spielen. Danach ist genug Zeit, dieses Thema zu besprechen", entgegnete Teammanager Oliver Bierhoff am Freitag den offenbar etwas voreiligen Meldungen.

Löw hat alle Trümpfe in der Hand

Neben den streitbaren Personalien, die bei einer Weiterbeschäftigung Löws auf die Tagesordnung rutschen - was wird dann aus Bierhoff, was aus Sportdirektor Matthias Sammer - und nach und nach diskutiert werden wollen, bleibt dann aber doch der sportliche Aspekt der wichtigste Entscheidungsschlüssel.

Und hier spielen die Vorzeichen eindeutig Löw in die Hand. Schon vor der WM war der Bundestrainer autark in seinem Handeln. Die geplatzte Vertragsverlängerung, garniert mit den wilden Schuldzuweisungen beider Seiten, hatte ihn nur kurz geschwächt.

Nach einer durchweg euphorisierten WM hat er alle Trümpfe in der Hand und vor allen Dingen: Die Mannschaft auf seiner Seite.

Lob aus der Mannschaft

"Seitdem Joachim Löw bei der Nationalmannschaft ist, sind wir viel stärker geworden. Wir sind eine der besten Mannschaften der Welt, waren in allen Turnieren vorne dabei", sagt Bastian Schweinsteiger.

"Der Trainer hat in entscheidenden Situationen gezeigt, was er imstande ist zu leisten mit so einer jungen Mannschaft", lobt Miroslav Klose.

"Er ist der beste Bundestrainer, den man sich wünschen kann. Wir sind jung, wir sind erst am Anfang eines erfolgreichen Weges. Ich hoffe, dass Löw und das Team um ihn noch lange bleiben", hofft Lukas Podolski.

Es ist jener eingeschlagene und noch nicht vollendete Weg, der Löw quasi einen Freifahrtschein ausstellt. Löw hat einen Anforderungskatalog und den sollte er zu Ende abarbeiten.

Arbeit nicht vollendet

Seit vier Jahren baut er ein Mosaik zusammen, scoutete seitdem unzählige Spieler, gab über 30 davon die Chance, sich in der Nationalmannschaft zu bewähren.

Er hat ein Team um sich geschart, von den Physiotherapeuten über den Psychologen bis hin zum Koch, das sein Team ist. Den Klinsmann-Weg aus der grauen Mittelmäßigkeit heraus hat er logisch fortgesetzt und so modifiziert, dass Deutschland imstande ist, einen neuen, frischen Fußball zu spielen.

"Ich habe mich mit dem taktischen System immer sehr wohl gefühlt. Es macht einfach Spaß, offensiven Fußball zu spielen", sagt Thomas Müller. Was bisher fehlt, ist der dazu gehörige Erfolg.

Offene Baustellen

Dafür muss noch mehr Arbeit investiert werden. Viele Punkte auf Löws Liste sind schon mit einem grünen Filzstift abgehakt, einige andere aber noch offen: Eine bessere Raumaufteilung, gefährlichere Offensiv-Standards, die fehlende Gewinnermentalität, die Deutschland in den engen Spielen seit vier Jahren immer noch abgeht.

Vielleicht braucht diese durchgeplante Mannschaft da noch mehr Emotionalität, um in vertrackten Situationen mit dem reinen Instinkt zu arbeiten.

Und natürlich die Automatismen, die er sich bei seiner Mannschaft so wünscht, wie sie die Spanier im Halbfinale dargeboten hatten.

Großes Potenzial heißt große Verantwortung

Der große Begriff, der über dieser deutschen Mannschaft bei der WM schwebt, ist "Potenzial". Hier steht ein Team, das in seiner Grundstruktur eigentlich auf Turniere in zwei, vier oder sechs Jahren ausgelegt ist, wenn seine Anführer dann das angeblich beste Fußballalter von 28, 29 Jahren erreicht haben.

Und dessen Jungspunde dann mit der Erfahrung von mindestens einem großen Turnier ausgestattet sind. Das alles wird von ganz alleine kommen. Was auf dem Weg bis dorthin passiert, liegt im Verantwortungsbereich des Bundestrainers.

"Die Mannschaft hat mit Sicherheit eine gute Zukunft vor sich, weil sie sehr jung ist und eine hohe Qualität hat. Sie braucht dazu einen guten Trainer. Und unser Trainer ist sehr, sehr gut", sagt Kapitän Philipp Lahm.

Chemie zwischen Mannschaft und Löw stimmt

Dabei ist die perfekte Chemie zwischen Löw und der Mannschaft vielleicht das entscheidende Kriterium. Beide haben sich aneinander gewöhnt, kennen sich gut, auch nach hitzigeren Diskussionen gehen Trainer(stab) und Team am Ende wieder gemeinsam den Weg.

Man darf sich auch kritisieren, ohne dass etwas davon zurückbleibt. Löw hat die Hierarchie auch gezwungenermaßen (durch Ballacks Ausfall) geändert und ist in Zweifelsfragen neben dem bestimmenden Chef auch der schlichtende Moderator.

Noch einmal muss Spanien als Vorbild herhalten: Der Europameister litt jahrzehntelang darunter, zwar immer wieder Weltklassespieler, aber keine Weltklasse-Nationalmannschaft zu haben.

Erst die konzeptionelle Arbeit der letzten Jahre gepaart mit einer wahrlich goldenen Generation von Spielern versorgte die Spanier mit jenem gewachsenen Selbstverständnis ihrer Arbeit, das sie zum aufregendsten Team der Gegenwart macht.

Was wären die Alternativen?

Deutschland hat eine zumindest tolle Generation an jungen Spielern, denen im Rücken schon der nächste Schub an Talenten wie Mats Hummels, Benedikt Höwedes oder die Bender-Zwillinge lauert. Um aber daraus eine goldene zu machen, benötigt es die Fortsetzung der bisherigen Philosophie und eine gewisse Kontinuität - auch auf dem Trainerposten.

Dazu kommt, dass die Diskussionen um Löw und dessen Zukunft beim DFB auch immer eine gewisse Ratlosigkeit bei der Suche nach echten Alternativen begleitet. Neben Sammer, der zwar immer dem Gegenlager zugeordnet wird, in seiner Spielauffassung aber ähnlich wie Löw tickt, fallen kaum Namen.

Zwanziger als Bittsteller

An der Person Joachim Löw hängt mehr als nur der eine Posten des Bundestrainers. Mit Löw stehen und fallen auch einige Positionen rund um die Mannschaft und im Trainer- und Betreuerstab.

"Ich möchte, dass Joachim Löw bleibt", sagt DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger und fügt generös an: "Natürlich kann er dann auch sein Team nach seinen Vorstellungen zusammenstellen. Das ist doch selbstverständlich."

Derzeit gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Mannschaft nicht mit Löws Team weiterarbeiten will. Ganz im Gegenteil.

Arne Friedrich, der mit Rudi Völler, Jürgen Klinsmann und Löw als einer der wenigen schon drei Bundestrainer erlebt hat, bringt die Stimmungslage fordernd auf den Punkt. "Der DFB soll bloß zusehen, dass diese Truppe zusammenbleibt!"

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