Die Welt staunt über Deutschland

Von Für SPOX in Durban: Stefan Rommel
Thomas Müller erzielte gegen Australien sein erstes Länderspieltor
© Getty

Jung, modern, elegant: Nach dem 4:0-Triumph gegen Australien zum Auftakt in die WM 2010 staunt die Welt über die Neudefinition des deutschen Fußballs. Statistiken untermauern den Vergleich mit Spanien.

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Diese Weltmeisterschaft hatte einen stotternden Start. Wenige Tore, noch kein herausragendes Spiel, noch keine dominante Mannschaft.

Deutschland ist eine Nation der Starter, die letzten Auftaktergebnisse bei den Titelkämpfen wiesen vier Siege und 18:2 Tore aus. Und trotzdem haben sich die Deutschen bisher nicht als diejenigen aufgedrängt, die einem Turnier erst so richtig den Kick geben.

Die ganze Welt staunt

Seit Sonntagabend ist das anders. Wie so vieles anders ist beim Team von Bundestrainer Joachim Löw. Die Welt staunt über einen Wirbelsturm aus Esprit und Eleganz.

"La Mannschaft" nennt sie die "Marca" schon seit einigen Jahren, als Jürgen Klinsmann erste zaghafte Schritte in eine neue Kultur des deutschen Fußballs wagte.

Lob aus Spanien

Am Montag beschreibt die größte Sportzeitschrift des Landes, das momentan den schönsten Verbands- und Vereinsfußball (FC Barcelona) der Welt spielt, die Deutschen mit den Worten: "Deutschland hat sich neu erfunden. Diese deutsche Auswahl ist anders. Sie will den Ball und behandelt ihn mit Zärtlichkeit. Sie spielt Fußball mit Violinen."

Unzählige Male ging ein Raunen durch das Moses Mabhida Stadium in Durban, wenn die deutsche Mannschaft ihre Angriffe vortrug, leicht und unbeschwert und der Altersstruktur der Mannschaft geradezu angemessen.

Totale Dominanz

Deutschland legte einen Stil hin, wie ihn der FC Bayern in der Rückrunde dieser Saison für sich entworfen hatte. Voller Dominanz und erdrückender Wucht. Kontrolliert und erst mit mäßigem Tempo, im geeigneten Moment dann aber explosiv wie selten zuvor.

Dann überrollte die Kombinationsmaschine den Gegner und zerschnitt die australische Abwehrreihe mit einem Trommelfeuer an Läufen und Pässen in die Tiefe. Die erste Welle vorschicken und aus der zweiten mit Zug in den Strafraum sprinten.

Unglaubliche Passquote

Am Ende zählten die fleißigen Helfer der FIFA sagenhafte 616 Pässe der Deutschen, 396 so genannte Pässe mittlerer Länge, von denen über 83 Prozent ankamen. Die 616 Zuspiele sind aus zwei Gründen hochinteressant: Zum einen gibt es derzeit nur eine Mannschaft im Weltfußball, die ähnliche Werte erzielt, und das ist Spanien.

Und zum anderen kamen Südafrika, Uruguay, die USA und Nigeria in ihren Auftaktspielen zusammen nicht an jene fast unheimliche Zahl heran.

Lahm mit nüchterner Analyse

Wie oft schon hat sich eine deutsche Mannschaft im rechten Moment zum Sieg gemogelt? Diese ersten 90 Minuten aber hatten so gar nichts mit Glück oder Zufall zu tun.

Sie waren das Werk eines Bundestrainers, der eine holprige Vorbereitung zu absolvieren hatte mit vielen Verletzten, dem Ausfall seines Kapitäns Michael Ballack und jeder Menge Diskussionen über Spieler, die im Kader waren und solche, die es erst gar nicht bis dorthin schafften.

Löw hat der Mannschaft einen neuen Anstrich verpasst, ohne die alten Elemente vollständig zu verbannen. Friedrich grätschte rustikal, Lahms Flanke aus dem Halbfeld und Kloses Tor zum 2:0 hätten genauso in die 80er und 90er Jahre gepasst. "Wir hatten heute eine gute Mischung", sagte Kapitän Lahm fast schon lapidar.

Gute Vorbereitung Schlüssel zum Erfolg

Und Torschütze Klose, die Reizfigur der letzten Wochen, sah sich bestätigt. "Es war ganz wichtig, dass es im ersten Spiel gleich geklappt hat. Wir haben uns mit diesem Sieg Respekt verschafft."

Dazu hatte der Bundestrainer den Gegner von seinem Helfer Urs Siegenthaler bestens ausspionieren lassen und sich ein Konzept und die richtigen Spieler zurechtgelegt, um den Betonklotz der Aussies weichzuklopfen.

"Wir haben uns gut auf Australien vorbereitet und wussten, wo sie ihre Probleme haben", sagte Löw.

Schweinsteiger wünscht sich bessere Zuordnung

Dabei war selbst an einem großen Abend noch längst nicht alles perfekt. Vor allem an der Defensivarbeit gab es etwas zu mäkeln. Bastian Schweinsteiger vermisste bisweilen die richtige Ordnung, "da müssen wir noch besser werden".

Der Trainer sah das Spielfeld bei Ballbesitz der Australier nicht verknappt genug, er hätte sich die Viererkette hier und da noch weiter aufgerückt gewünscht. Gegen einen biederen Gegner wie die Socceroos fielen diese Kleinigkeiten noch nicht sonderlich ins Gewicht.

Bierhoff: "Es ist die neugierigste Mannschaft"

Löw wird daran arbeiten müssen. Aber er hat dabei das Glück, dass er eine Mannschaft um sich geschart hat, für die Reflexion nicht nur ein Fremdwort ist.

"Es ist die neugierigste Mannschaft. Die Spieler folgen Jogis Anweisungen blind", sagte Teammanager Oliver Bierhoff im Gespräch mit SPOX.

Die kommenden Aufgaben werden sicherlich schwerer werden. Aber diese Mannschaft kann noch mehr Tempo und Fahrt aufnehmen. Im Sinne einer spektakulären WM bleibt dies nur zu hoffen.

Analyse: Deutschland führt Australien vor