Ein Zwitter auf dem Prüfstand

Von Für SPOX bei der Nationalmannschaft: Stefan Rommel
Mesut Özil schoss gegen Südafrika sein erstes Tor für die A-Nationalmannschaft
© Getty

Mesut Özil stößt für die DFB-Elf die Tür zu neuen Spielvariationen auf. Gegen Südafrika konnte Bundestrainer Löw den Defensiv- und den Offensiv-Modus testen.

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Dem Mann des Abends war es sichtlich peinlich, vor die Kameras gezerrt zu werden. Mesut Özil ist keiner, der mit Worten auf sich aufmerksam machen will. Er muss es auch gar nicht. Özil gibt die Antworten viel lieber auf dem Platz, mit seinen Füßen. Und gegen Südafrika hatten die eine ganze Menge zu erzählen.

Bundestrainer Joachim Löw hatte sich schon unter der Woche auf eine taktische Veränderung festgelegt. Eine, die es so unter seiner Führung noch gar nie gab.

Zwei Tests in einem Spiel

In einem Zwitter aus 4-3-3 und 4-5-1, je nachdem, welche Mannschaft gerade im Ballbesitz war, erwartete Löw den WM-Gastgeber. Er testete damit quasi die Interpretation zweier Ausrichtungen in einem einzigen Spiel.

Auf dem Papier bot Löw die ganze Armada seiner Kreativspieler auf. Özil und Dribbler Marko Marin im offensiven Mittelfeld beziehungsweise auf dem Flügel, den technisch starken Simon Rolfes neben Michael Ballack auf der Sechserposition.

Die anstehende Partie gegen Aserbaidschan am Mittwoch rückt jetzt schon in den Hintergrund, der Kracher um den Gruppensieg in Moskau gegen Russland ist allgegenwärtig.

4-3-3 zu offensiv für Russland

Doch gegen die Russen wäre das System viel zu offensiv, Deutschland geht schließlich mit einem Punkt und dem 2:1-Sieg aus dem Hinspiel im Rücken in die Partie. Aber die Anordnung für das Defensivspiel ist eine durchaus realistische Variante.

Die Räume sind durch das Fünfer-Mittelfeld so verknappt, dass spielstarken Teams die Lust am Kombinieren genommen wird. Gegen Südafrika war vom eigentlichen Dogma des sehr frühen Attackierens und des aggressiven Pressings tief in der gegnerischen Hälfte überhaupt nichts zu sehen.

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Dabei wären die harmlosen und spielerisch limitierten Südafrikaner doch ein leichtes Opfer gewesen, um den Zuschauern ein Spektakel zu bieten, ein paar Tore mehr zu erzielen. Aber offenbar zog es Löw vor, ein kurzfristiges Highlight gegen einen soliden Testlauf einzutauschen.

"In die Räume vor der Abwehr kommen"

Insofern sind seine Aussagen nach dem Spiel, das für den Zuschauer bisweilen eher zäh konsumieren war, auch anders zu interpretieren. Wir hatten viele gute Ansätze und einen viel besseren Spielfluss als zuletzt", sagte Löw und wollte ein sehr gutes Spiel gesehen haben. Gemessen an seinen Vorgaben hatte er das in der Tat.

Co-Trainer Hansi Flick erklärte im Gespräch mit SPOX die Zwei-Wege-Strategie: "In der Offensive brauchen wir Lösungsmöglichkeiten gegen Mannschaften, die defensiv kompakt stehen. Deutschland ist Nummer vier der Weltrangliste, da ist es normal, dass man gegen viele Gegner spielt, die eben so aufgestellt sind."

"Wir müssen in die Räume zwischen gegnerischem Mittelfeld und Abwehr kommen, das haben wir heute geschafft. Da ist Mesut eine gute Option, weil er hinter die Mittelfeldlinie kommen kann und sich dort aufhält", zeigte sich Flick durchaus auch zufrieden.

Hinten kompakt, vorne flexibel

"Zuletzt war unsere Raumaufteilung nicht so gut. Es war wichtig, dass durch die beiden Außen die Räume geöffnet wurden, weil das Spiel in seiner Anlage breiter gestaltet wurde. Es ging um das letzte Drittel des Spielfelds. Da wollten wir besser agieren und haben es auch dank Mesut geschafft."

Es war eine verspielte Offensivvariante, sehr flexibel und mit vielen Positionswechseln der Protagonisten interpretiert. Und damit das genaue Gegenteil der Defensivbewegung. Die war kompakt, mit einem starken Zentrum dank der Doppel-Sechs und drei Ketten (Dreier-, Zweier-, und Viererkette) als Wellenbrecher.

"Das war unser vorrangiges Ziel. Das Spiel für den Gegner klein machen, indem wir uns in einem begrenzten Raum gut verteilt haben", so Flick.

Viel Lob für Özil

Sein Kapitän Michael Ballack umschrieb es ähnlich. "Offensiv hatten wir ein 4-3-3, defensiv war es ein 4-5-1. Es war zunächst mal wichtig, dass man wieder kompakt steht." Mit den Eindrücken der Südafrika-Partie im Kopf riecht es förmlich danach, dass Deutschland in gut fünf Wochen den wütenden russischen Attacken genau so zusetzen will.

Dem traditionellen 4-4-2 erwächst eine echte Konkurrenz. Mesut Özil trägt daran eine gewisse Mitschuld.

"Mesut versucht einfach immer, nach vorne zu spielen. Er sucht das Risiko und hat die Kreativität dazu. Er ist ein Spieler, den Deutschland lange nicht hatte. Wir können froh sein, so einen geilen Kicker zu haben", sagte Mario Gomez. "Mesut beschert uns viele Möglichkeiten zur Variation."

Und Bundestrainer Löw sieht in dem 20-Jährigen gar ganz Großes: "Er ist der Mann der Zukunft."

Analyse: Özil der Mann des Spiels