Strebsam in die erste Reihe

Von Für SPOX bei der Nationalmannschaft: Stefan Rommel
Thomas Hitzlsperger wird auch gegen Wales neben Michael Ballack im Mittelfeld spielen
© Getty

Auch beim 2:0-Sieg gegen Wales in der WM-Qualifikation vertraute Bundestrainer Joachim Löw wie zuletzt auf Thomas Hitzlsperger im zentralen Mittelfeld. Nach über vier Jahren Zugehörigkeit scheint der 26-Jährige endlich in der Stammelf angekommen.

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Am Dienstagmorgen sorgte der Entschluss eines 16-Jährigen für einige Aufregung beim VfB Stuttgart. B-Jugend-Torhüter Loris Karius wird im Sommer von Stuttgart zu den Citizens nach Manchester wechseln.

Es ist eine weitere Episode im wirren Transfergerangel um die jüngsten Talente mit den größten Fähigkeiten auf einem Markt, der immer brutaler und aggressiver umkämpft ist.

Parallelen zu Hitzlsperger

Ein bisschen ist der Wechsel des Jungspunds aber auch eine Blaupause von dem, was Thomas Hitzlsperger vor ein paar Jahren selbst erlebte.

Der Sohn eines Bauern aus Forstinning bei München spielte damals in der U 17 des Rekordmeisters, als ihm eines Tages das Angebot für ein Probetraining bei Aston Villa ins Faxgerät schneite.

Hitzlsperger nahm das Angebot trotz aller Warnungen an, wechselte mit 17 Jahren in Villas Farm-Team und kam fünf Jahre später und mit dem wuchtigen Beinamen "The Hammer" ausgestattet wieder zurück nach Deutschland.

Beim VfB Stuttgart legt er seitdem eine Bilderbuchkarriere hin. 2007 wurde er deutscher Meister, vor dieser Saison mit 25 Jahren Kapitän bei den Schwaben.

Als Ergänzungsspieler bei der WM 2006

Im DFB-Dress war er als Ergänzungsspieler beim Sommermärchen 2006 dabei und wurde vor einem Jahr Vize-Europameister.

Zwei Großturniere hat er schon gespielt, 44 Länderspiele auf dem Buckel. Das sind beeindruckende Zahlen, wenn man sich vor Augen führt, dass Hitzlsperger in seinen vier Jahren als Nationalspieler noch nie so richtig als Stammspieler geführt wurde.

Vor dem WM-Qualifikationsspiel in Wales aber ist Hitz so nah dran an seinem Traum wie nie zuvor. Viele seiner Einsätze hatte er bisher dem Umstand zu verdanken, dass ein Konkurrent verletzt oder gesperrt war.

Im letzten Pflichtspiel vor der Sommerpause hat sich Hitzlsperger aber den vakanten Platz im zentralen Mittelfeld neben Michael Ballack beharrlich und zielsicher erarbeitet.

"Wenn der Umbruch kommt, muss ich da sein"

Während der EM, als er in vier von sechs Spielen eingesetzt wurde, war ihm schon bewusst: "Wenn der Umbruch kommt, muss ich da sein."

In den zwei Jahren zuvor hatte er nicht einen Anflug an Forderungen gestellt. Hatte sich den Teamgeist während der WM 2006 zu eigen gemacht, aufgesogen und verinnerlicht.

Erst nach der EM begab sich Hitz aus seiner Festung und wandelt seither auf dem sehr schmalen Grat zwischen demütiger Zurückhaltung und notwendigem Vorpreschen in die Lücke, die sich auf dem Platz neben Ballack aufgetan hat - und außerhalb des Platzes in der sich neu formierenden Hierarchie.

Löw mag wissbegierige Spieler

Hitzlsperger will sich durchsetzen, ohne rücksichtslos zu werden. Genau deshalb hat er in der Mannschaft und vor allem bei Bundestrainer Joachim Löw dieses angesehene Standing.

Löw mag wissbegierige Spieler und im 26-Jährigen hat er ein besonders lernwilliges Exemplar in seinen Reihen.

"Thomas setzt unsere Auffassungen und unsere Philosophie vom Spiel um. Er ist als Spieler und als Person aufnahmefähig, er will immer dazulernen und hinterfragt sich vor allem auch immer wieder. Fußballerisch kann er von der Position im zentralen Mittefeld die Pässe in die Tiefe spielen, die wir sehen wollen", sagte Löw.

Der Konkurrenz mehr als einen Schritt voraus

Hitzlsperger ist seinen Konkurrenten Torsten Frings, Simon Rolfes und Jermaine Jones im Moment mehr als einen Schritt voraus, auch wenn der Stuttgarter das in seiner gewohnt zurückhaltenden Art so nicht bestätigen mochte.

"Ich sehe mich nicht im Vorteil im Vergleich zu den anderen Spielern, die im zentralen Mittelfeld spielen können. Ich war jetzt die letzten Spiele in der Qualifikation zwar immer von Beginn an dabei. Aber wenn ich mich nicht weiter verbessere, sitze ich ganz schnell wieder auf der Bank."

Hitzlsperger sprach in Cardiff viel von "improvement", von Verbesserung. Er meinte damit vorrangig sein eigenes Spiel.

Seit längerem leistet er sich nebenbei einen Athletik- und Sprinttrainier, der ihn geschmeidiger und spritziger machen soll.

Hilfe von Mentalcoaches

Als in Deutschland unter Nationaltrainer Erich Ribbeck mit Lothar Matthäus als echtem Libero gespielt wurde, suchte Hitzlsperger schon in jungen Jahren in Birmingham vereinzelt die Hilfe von Mentalcoaches auf. Bis heute hat sich daran nichts geändert.

"Der psychologische Bereich gehört wie Technik-, Taktik- und Lauftraining zum Können einer Mannschaft. Ich kenne viele Spieler, die das Potenzial besitzen, um im Nationalteam zu spielen. Doch neben dem Talent braucht man die mentale Stärke, seine Fähigkeiten im richtigen Moment und unter Druck abzurufen."

Als ihn Armin Veh im Juli zum VfB-Kapitän bestimmte, verhalf er Hitzlsperger damit unfreiwillig zur nächsten Stufe in dessen Karriereplanung.

"The Hammer" kommt immer mehr weg von seinem Image als bloßer Haudrauf, der die Dinge auf dem Platz mit Gewalt erzwingen wollte. Vielmehr wird er immer mehr zum Anführer.

Hitzlsperger: "Meine Meinung hat Gewicht"

"Die Übernahme der Kapitänsbinde in Stuttgart war ein wichtiger Schritt für mich und meine Entwicklung. Ich werde immer öfter zu bestimmten Themen befragt, meine Meinung hat Gewicht. Anfangs habe ich noch viel beobachtet, jetzt schreite ich immer öfter auch ein. Allerdings immer auch mit Bedacht. Ich bin in der Kapitänsrolle deutlich aktiver als früher."

Auch außerhalb des Platzes will er mehr sein als der Fußballspieler Hitzlsperger.

Im "Zeit"-Blog Störungsmelder greift Hitzlsperger Rechtsradikalismus auf und an, schildert seine Erlebnisse auf und abseits des Platzes in eindringlicher und wohl formulierter Sprache.

Nicht nur Fußball ist ein Thema

Mit den DFB-Kollegen Philipp Lahm und Andreas Beck führt er zudem im selben Blatt eine Kolumne, die Themen außerhalb des Fußballs aufgreift und reflektiert.

"Für mich ist das ein Lernprozess, der mir auch in meiner Persönlichkeitsentwicklung hilft. Ich definiere Fußball nicht nur als Prozess auf dem Platz, sondern als etwas, das darüber hinaus geht."

Gegen Wales konnte er seine Chance erneut nutzen. Mit wenigen Fehlern und voller Konzentration überzeugte er im Mittelfeld. Das nächste Pflichtspiel findet erst Mitte August in Aserbaidschan statt. Der letzte Eindruck wird bis dahin hängen bleiben.

Hitzlsperger weiß das, schließlich macht er sich ständig über sich und seinen Beruf Gedanken. Denn: "Wer nicht denkt, wird vom Zufall regiert und kann sich schwer verbessern. Nichtdenken halte ich für falsch."

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