"Natürlich ist Südafrika ein gefährliches Land"

Von Interview: Andreas Lehner
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© Getty

Seit über zehn Jahren spielt er in Deutschland und war dabei für den VfB Stuttgart, Borussia Mönchengladbach und den Karlsruher SC aktiv. Als aktueller südafrikanischer Nationalspieler kennt Bradley Carnell damit sowohl die Bundesliga, als auch das Gastgeberland der WM 2010 bestens.

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Im SPOX-Interview spricht der 31-Jährige über das bevorstehdende Großereignis in seinem Heimatland. Dabei geht er sowohl auf den Stand der Vorbereitungen, wie auch die sportlichen Chancen des zweimaligen WM-Teilnehmers Südafrika ein.

Wenn über die erste WM auf dem afrikanischen Kontinent gesprochen wird, dann darf natürlich auch das Thema Sicherheit nicht ausgeklammert werden. Hierzu gibt Karlsruhes Nummer sechs überraschendes preis.

SPOX: Herr Carnell, es sind noch rund 2 Jahre bis zur WM in Südafrika. Wie ist die Stimmung im Land?

Bradley Carnell: Ich war vor zwei Monaten mit der Nationalmannschaft da und von großer Vorfreude war noch nichts zu spüren.

SPOX: Woran lag das?

Carnell: Die Leute hatten noch Befürchtungen, ob das mit den Stadien alles klappt und alles rechtzeitig fertig wird. Aber mittlerweile sieht es ganz gut aus und die Stimmung der Leute zeigt nach oben. Ich habe mir auch die Ablaufpläne der Städte und des Stadionbaus angesehen und da ist alles im grünen Bereich. Wir liegen voll im Plan.

SPOX: Was bedeutet diese WM für das Land und den ganzen Kontinent?

Carnell: Für Südafrika ist das eine tolle Chance. Aber natürlich ist nicht nur Südafrika betroffen, sondern der ganze Kontinent. Südafrika ist das am besten entwickelte Land und am nächsten dran an den modernen Industriestaaten der ersten Welt. Wenn die WM nicht in Südafrika stattfinden kann, dann nirgendwo in Afrika. Eine erfolgreiche Ausrichtung ist für ganz Afrika ein Schritt nach vorne.

SPOX: Welche Veränderungen bringt die Weltmeisterschaft konkret in ihr Land?

Carnell: Die WM ist ja nicht nur gut für den Fußball und bringt neue Stadien, sondern für die komplette Infrastruktur. Wir bekommen jetzt öffentliche Verkehrsmittel wie Straßenbahnen, das gab es ja vorher nicht. Alles was in der ersten Welt normal ist, ist für uns neu und eine Annährung an die weiter entwickelten Länder.

SPOX: Was kann die Welt von Südafrika erwarten? Ein ähnliches Fußballfest wie in Deutschland?

Carnell: Ich habe schon immer gesagt, dass man da keine Vergleiche anstellen sollte. Das wird eine ganz neue Erfahrung für uns und alle, die nach Südafrika kommen. Der deutsche Fußballfan kann nicht erwarten, dass es in Südafrika wieder so ablaufen wird wie 2006. Da wird eine ganz andere Atmosphäre herrschen und es spielt sich alles in einem ganz anderen Umfeld ab. Die Mentalität und der Lebensstil sind eher mit Brasilien vergleichbar. Es ist alles etwas spaßiger, etwas lockerer. Vielleicht müssen die Fans da auch das ein oder andere Mal ein Auge zudrücken, falls nicht alles top-organisiert ist. Dafür können wir durch andere Sachen überzeugen.

SPOX: Die da wären?

Carnell: Südafrika besticht vor allem durch seine menschliche Seite, die Gastfreundlichkeit und die Lockerheit. Das wird die Menschen beeindrucken

SPOX: Was kann Südafrika 2010 leisten? In der WM-Quali, die Sie ja als Quali für den Afirka-Cup spielen müssen, läuft es nicht rund. Wo steht der südafrikanische Fußball?

Carnell: Der südafrikanische Fußball befindet sich gerade im Umbau. Wir haben ein paar Jahre gepennt und sind zu spät auf den Zug der Erneuerung aufgesprungen. Ich hoffe, es ist noch nicht zu spät. Denn wir haben einiges vor und wir wollen nicht so viel falsch machen, wie in der Vergangenheit. Ein wichtiger Faktor bei der Umstrukturierung ist der frühere Nationaltrainer Carlos Alberto Perreira. Er arbeitet jetzt als Berater und unterstützt seinen Nachfolger Joel Santana. Die beiden versuchen die schwierige Aufgabe zu lösen und ich hoffe, dass wir ein paar Leute überraschen können.

SPOX: Wie lautet ihre persönliche Zielsetzung für 2010?

Carnell: Momentan gehöre ich wieder zum Kader und spiele auch regelmäßig. Wenn ich körperlich fit bin, dann sollte ich bei der WM dabei sein. Das ist natürlich ein tolles Erlebnis im eigenen Land eine WM zu spielen. Ich erinnere mich noch gern an die WM 2002, das war eine überragende Erfahrung. Das kann man mit nichts vergleichen.

SPOX: In den meisten Fällen war es so, dass der Weltmeister von dem Kontinent kam, auf dem auch die WM stattfand. Gibt es 2010 den ersten afrikanischen Weltmeister?

Carnell: Ich würde es mir wünschen. Denn die afrikanischen Spieler haben schon großen Einfluss auf die europäischen Top-Ligen. Die Afrikaner hatten immer das Problem, dass sie als Mannschaft nicht funktioniert haben.

SPOX: Wem trauen Sie den Titel am ehesten zu?

Carnell: Eineinhalb Jahre vorher ist das natürlich schwer zu sagen. Da möchte ich mich nicht festlegen.

SPOX: Wenn man über Südafrika spricht, muss man auch die negativen Seiten erwähnen. Wie steht es mit der Sicherheit? Wie groß ist die Gefahr für die Fans und Spieler?

Carnell: Natürlich ist Südafrika ein gefährliches Land. Doch wenn alles richtig organisiert ist und die Abläufe gut geplant sind, sehe ich für die Mannschaften eigentlich keine Probleme. Für die Fans ist das natürlich schwieriger, weil sie auf eigene Verantwortung unterwegs sind. Es kann zu Problemen kommen, wenn die Leute sich naiv verhalten und sich abseits der gesicherten Zonen bewegen. Dann kann man sich schnell die Finger verbrennen. Aber wenn die Leute die sicheren Zonen nicht verlassen und nicht versuchen, irgendwelche besondere Sachen zu erleben oder bestimmte Viertel besuchen, dann sollte auch nichts passieren. Ich hoffe, dass wir alle positiv überrascht werden.

SPOX: Ist das alles nur Panikmache von Leuten, die noch nie im Land waren oder ist es im Moment wirklich so schlimm?

Carnell: Viele Leute, die nach Südafrika kommen, sind völlig begeistert von dem Land und haben ihr negatives Bild abgelegt. Aber wie gesagt, Südafrika kann gefährlich sein, wenn man sich abseits der ausgeschriebenen Zonen bewegt.

SPOX: Kann man überhaupt unbeschwert feiern, wenn das Auswärtige Amt so etwas formuliert: "Die Innenstädte von Johannesburg, Pretoria, Durban und Kapstadt sollten nach Geschäftsschluss und an Sonntagen gemieden werden."

Carnell: Auch ich war schon seit zwölf oder 15 Jahren nicht mehr in der Stadtmitte von Johannesburg. Aber es ist auch nicht notwendig, dorthin zu gehen, da auch außerhalb alles vorhanden ist, was man braucht. Das ist auch in den anderen Städten so. Im Vergleich zu Johannesburg sind die diese Städte eher klein und ich sehe Pretoria oder Durban nicht als gefährlich.

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