Der FC Bayern nach dem Sieg bei AEK Athen: Wenn Kovac nicht auf Kovac hört

Der FC Bayern hat bei AEK Athen gewonnen.
© getty

Mit dem 2:0-Sieg bei AEK Athen hat sich der FC Bayern München in der Champions-League-Gruppe E eine hervorragende Ausgangsposition geschaffen. Das Spiel war das vorübergehende Ende der Rotation - und in zwei verschiedenen Versionen zu verfolgen.

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Hans-Jörg Butt stand damals im Herbst 2010 gegen Nürnberg im Tor, Danijel Pranjic verteidigte links, die Doppelsechs bildeten Anatoliy Tymoshchuk und Andreas Ottl. Auf der Bank saß Trainer Louis van Gaal und ein paar Plätze neben ihm Thomas Müller. Tatsächlich! Der Müller, der laut van Gaal eigentlich immer spielt, saß nur auf der Bank. Und weil van Gaal auch am Wochenende zuvor bei Borussia Mönchengladbach nicht auf van Gaal gehört hatte, stand Müller somit beim zweiten Pflichtspiel in Folge nicht in der Startelf.

Ein Umstand, der sich daraufhin fast acht Jahre lang nicht wiederholen sollte. Eingetreten ist er erst, als wie damals van Gaal erneut ein Trainer nicht auf sich selbst hörte. Van Gaals Nach-Jupp-Nach-Nach-Jupp-Nachfolger nämlich, Niko Kovac. Unter ihm war es in der laufenden Saison bekanntlich so, dass es als Bayern-Spieler von gewissem Rang ob seines Rotationstriebs (und der gleichzeitigen Kleinheit des Kaders) praktisch unmöglich war, in zwei Pflichtspielen hintereinander nicht in der Startelf zu stehen.

Erst am Montagabend hatte Kovac seine Vorliebe für die Rotation im Olympiastadion von Athen leidenschaftlich verteidigt - nur um sie am Dienstagabend überraschenderweise zu unterdrücken. Bis auf David Alaba, der wegen muskulärer Probleme passte und durch Rafinha ersetzt wurde, begann gegen AEK Athen dieselbe Startelf wie beim Sieg in Wolfsburg.

Die Perspektiven von Müller und Kovac

Genau wie Jerome Boateng saß also auch Müller zu Beginn erneut nur auf der Bank und durfte das Spiel somit aus der identischen Perspektive wie sein Trainer verfolgen. Ihren Analysen zufolge sahen sie aber zwei verschiedene Begegnungen. "Eine Galavorstellung war es nicht", sagte Müller, wohingegen Kovac das Wort "Galavorstellung" zwar nicht benutzte, dieses seine Ausführungen aber verkürzt hätte. "Wir haben ein sehr, sehr gutes Spiel gemacht", verkündete er. "Viel Gutes", habe er gesehen, "viele gute Situationen" habe sich seine Mannschaft herausgespielt.

Eine Meinung, die Kovac relativ exklusiv hatte. Sportdirektor Hasan Salihamidzic sah beispielsweise eher das Spiel, das auch Müller verfolgt hatte. "Schwergetan" habe sich der FC Bayern laut Salihamidzic, speziell in der ersten Halbzeit. "Wir haben zwar dominiert, waren aber nicht zwingend."

In der Tat: Der FC Bayern hatte zwar knapp 67 Prozent Ballbesitz und insgesamt 19 Torschüsse, den Ballbesitz aber in relativ ungefährlichen Gegenden und die Torschüsse in relativ ungefährlichen Richtungen. Oftmals kam auch der letzte Pass nicht an, wurde die letzte Flanke von einem griechischen Verteidiger abgefangen, oder hatte der passgebende Bayern-Spieler eine andere Idee als der passempfangende.

Der Doppelschlag von Martinez und Lewandowski

Für die bayerische Erlösung sorgte dann ein Doppelschlag Mitte der zweiten Halbzeit. Erst beförderte Javi Martinez den Ball akrobatisch ins Tor (61.), dann schob ihn Robert Lewandowski wenig akrobatisch hinein (63.). Es waren 119 Sekunden Ekstase in einem Spiel, das Ekstase sonst nur im Fanblock von AEK Athen kannte, wo es fast permanent vor sich hin blinkte und leuchtete.

Ohne blinkende und leuchtende Elemente spielte dagegen der FC Bayern seine 2:0-Führung ins Ziel. "So lange wir die Spiele gewinnen, ist es mir völlig egal, ob wir glänzen oder nicht", sagte Kimmich (auch er hatte offenbar das Spiel aus der Müller-Perspektive gesehen). Ab der 75. Minute durfte Müller an diesem Spiel dann auch selbst aktiv mitwirken. Kovac wechselte ihn für den bis dahin auffälligsten Bayern-Spieler Serge Gnabry ein.

Müller grinst seine Reservistenrolle nach außen und innen weg

15 Minuten kickte Müller also noch mit, dann wurde er gefragt, ob ihn das wiederholte Reservistendasein denn ärgern würde. Müller grinste und antwortete: "Uns bringt es nichts, Diskussionsrunden über die Rotation aufzumachen." Es scheint, als würde Müller seine aktuelle Situation tatsächlich grinsend durchleben. "Er ist in so einer Phase immer positiv, hat immer einen Spruch auf Lager und verliert seine Art nicht", sagte Joshua Kimmich. "Das ist echt überragend von ihm."

Wie Kimmich mit so einer Situation umgehen würde, ist dagegen noch ungeklärt. Als einziger Feldspieler des FC Bayern absolvierte er in der laufenden Saison jede Pflichtspielminute. Auch in der Zeit, bevor Kovac die Rotation (zumindest vorläufig) aussetzte, war Kimmich rotationsbefreit - und darüber relativ glücklich. "Von meiner Seite aus ist es nicht notwendig", sagte er.

Kimmichs Rotationsbefreiung lag aber auch an den mangelnden Alternativen. Juan Bernat verließ den Verein im Sommer und die beiden verbliebenen gelernten Außenverteidiger Alaba und Rafinha kämpfen mit kleineren oder größeren Verletzungsproblemen. Gegen AEK war Rafinha fit, was ihn zwangsläufig direkt in die Mannschaft rotierte. Er bereitete das 2:0 vor und machte insgesamt ein gutes Spiel, laut Salihamidzic sogar ein "sensationelles". Kovacs Ein-Mann-Rotation hatte sich also gelohnt.

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