Der FC Bayern München nach dem dritten Spiel ohne Sieg: Bilder, die ein Wort malen

Joshua Kimmich und Thiago rätseln: Was lief gegen Ajax Amsterdam schief?
© getty

Nach Punktverlusten in der Bundesliga gegen den FC Augsburg (1:1) und Hertha BSC (0:2) hat der FC Bayern München auch in der Champions League gegen Ajax Amsterdam (1:1) nicht gewonnen. Trainer Niko Kovac steckt in der ersten Krise seiner Amtszeit.

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Eines muss vorweggesagt werden: kein Protagonist sprach an diesem Abend öffentlich das verbotene K-Wort aus, keiner. Dieses K-Wort, das im Fußball sogar noch unbeliebter als "Kreuzbandriss" ist, nämlich "Krise". Aber die Bilder, die die Protagonisten auf dem Platz, den Tribünen und in den Stadion-Katakomben malten, und die Worte, die sie sagten, könnten als Definition dafür herhalten.

In der 26. Minute etwa, der FC Bayern hatte kurz zuvor den Ausgleich kassiert, warf Jerome Boateng ganz langsam und in einem Akt purer Verzweiflung fragend beide Arme nach oben. Was ist da los? Wird sein FC Bayern hier in seiner Allianz Arena denn gerade wirklich von Ajax Amsterdam dominiert? Ja, wurde er, zumindest phasenweise.

Und weil sich das auch in der zweiten Halbzeit noch nicht geändert hatte, erhob sich irgendwann Sportdirektor Hasan Salihamidzic von der Trainerbank und fuchtelte neben Trainer Niko Kovac wütend in der Coaching Zone herum. Auf der Tribüne saß derweil die Vorstandsriege mit versteinerter Miene und marschierte später mit selbiger durch die Mixed Zone.

Arjen Robben und die "große Frage"

Der erste Spieler, der dort erschien, war James. Bereits um 23.03 Uhr und somit nicht einmal eine Viertelstunde nach Abpfiff kam er (was ihn wahlweise als Blitz- oder Nicht-Duscher enttarnte) - mit Designertasche aber ohne Wortmeldung. Um 23.16 Uhr erschien dann als Zweiter Niklas Süle, er ließ sich immerhin zu einem "ciao" hinreißen. Serge Gnabry imitierte wenig später ganz geschäftig ein Telefonat.

Die erste Wortmeldung erfolgte schließlich um 23.38 Uhr. Arjen Robben stellte sich. Während er sich sammelte und seine Stirn in Falten warf, wie er das immer tut, wenn es etwas Ernstes zu besprechen gibt, nutzten David Alaba, Boateng und noch ein paar andere die Gelegenheit: sie huschten hinter Robben vorbei in Richtung Parkplatz.

"Das ist die große Frage", sagte Robben also. Was denn nach der Führung in der 4. Minute durch Mats Hummels schiefgelaufen sei, war er gefragt worden. Er versuchte es zu erklären, aber konnte es eigentlich nicht. "Wir fangen sehr gut an, haben gute Situationen, gute Chancen, machen das Tor und normalerweise müssen wir weiter Druck machen", erklärte Robben. "Aber dann hat sich das Spiel gedreht."

FC Bayern: defensiv zu wenig aggressiv, offensiv zu ideenlos

Und genau so war es: Spätestens ab der 15. Minute kam Ajax besser ins Spiel. Mutig und früh pressten die Offensivspieler, eroberten zahlreiche Bälle und spielten sie sich dann munter und technisch ansehnlich zu. Die Bayern dagegen schalteten nicht schnell genug um und attackierten ihre Gegenspieler nicht aggressiv genug. Während sich Javi Martinez, Hummels oder Boateng noch drehten, waren Hakim Ziyech und Co. schon längst vorbei und in Abschlusspositionen gehuscht.

Sieben Mal durfte Ajax auf das Tor von Manuel Neuer schießen, so viele Schüsse auf das Tor hatte der FC Bayern in der Champions League zuletzt vor fast einem Jahr gegen Paris Saint-Germain zugelassen. "Wir sind leichtsinnig geworden, wir sind nachlässig geworden, wir haben viele Fehler gemacht", sagte Joshua Kimmich. Eine Fehlerkette mit den Beteiligten Martinez, Boateng und Alaba führte in der 22. Minute schließlich zum 1:1 durch Noussair Mazraoui.

Das eigentlich Gute daran war die Spielminute. Es blieb nämlich Zeit, um die Führung wiederherzustellen. Aber statt besser, wurde das Spiel des FC Bayern in der Folge eher schlechter. "Wir hatten Phasen, in denen wir zu leichtsinnig mit dem Ballbesitz umgegangen sind, und dann Phasen, in denen wir viel Ballbesitz, aber wenige Ideen hatten", sagte Kimmich.

Die Außenstürmer Robben und Franck Ribery verhedderten sich in Einzelaktionen, Robert Lewandowski war kaum ins Spiel eingebunden (wenigste Ballaktionen aller Startelfspieler) und Thomas Müller versuchte sich vergeblich am Raumdeuten. Gegen Augsburg und die Hertha war noch die mangelhafte Chancenverwertung das Problem, gegen Ajax lag es tiefer: es krankte bereits am Herausspielen von ernsthaften Chancen. Abgesehen vom Treffer schoss der FC Bayer nur dreimal auf das Tor. Und so blieb es beim 1:1.

Niko Kovac flüchtet sich in Floskeln

"Natürlich sind wir das nicht gewohnt", sagte Robben, der es nämlich eigentlich gewohnt ist, dass beim Endergebnis vor dem Doppelpunkt eine höhere Zahl steht als dahinter. Bei den ersten sieben Pflichtspielen der Saison war das der Fall gewesen, nun dreimal in Folge nicht. Wirklich glauben wollte er das aber nicht: "Es kann ja auch nicht sein, dass innerhalb von einer Woche auf einmal alles schlecht ist."

Sein Trainer Kovac jedenfalls sah sich trotzdem genötigt, das zu tun, was man tut, wenn man eine sogenannte Krise moderieren muss: floskeln. Er meinte dann etwa mit sorgenvoller Miene, dass es jetzt gelte, "wieder aufzustehen". Auch, dass man unbedingt "die Ärmel hochkrempeln" müsse. Vor allem, dass "die Stunde geschlagen" habe und dass man sich wieder "auf das Wesentliche" konzentrieren sollte.

Vor dem Spiel noch hatte Robben gesagt, er wolle sich "nichts von Krise oder was auch immer" einreden lassen. Nach dem Spiel aber deuteten alle Indizien - von Bildern bis Worten - daraufhin, dass sie jetzt doch angekommen ist in München, die Krise.

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