Der Fluch der Alten Dame

Gianluigi Buffon ging im Champions-League-Finale einmal mehr als Verlierer vom Platz
© getty

Guten Vorzeichen, einer bärenstarken Saison und einer druckvollen Anfangsphase zum Trotz: Juventus Turin hat beim 1:4 gegen Real Madrid in Cardiff sein fünftes Champions-League-Finale in Folge verloren. Statt dem Jubel über das erste Triple der Vereinsgeschichte steht bei Juve die Trauer über den historischen Final-Fluch. Für Kapitän und Symapthieträger Gianluigi Buffon wird die Zeit, seine Weltkarriere mit einem internationalen Titel auf Klubebene zu krönen, langsam knapp.

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Es ist ein Bild, das jedem Fußball-Romantiker das Herz zerreißt. Gianluigi Buffon geht im Millennium Stadium in Cardiff nach dem Champions-League-Finale aufs Podest. Mit gesenktem Kopf steht er vor UEFA-Präsident Aleksander Ceferin, der ihm eine Medaille umhängt. Doch wieder einmal ist es die Medaille, die kein Sportler gerne um den Hals gehängt bekommt: die silberne.

Auch in seinem dritten Champions-League-Finale darf die italienische Torwartikone nicht den wichtigsten Vereinspokal im Weltfußball entgegennehmen. Stattdessen stapft er wieder an der silbernen Trophäe mit den großen Ohren vorbei.

Buffon ist ein fairer Verlierer. Nach dem Abpfiff des Endspiels gegen Real Madrid hat der 39-Jährige seinen Gegnern aufrichtig zu La Duodecima gratuliert. Nun jedoch steht er auf dem Rasen und kann die Enttäuschung in seinem Gesicht nicht verbergen. Er wischt sich mit der Hand durchs Gesicht, ist den Tränen nahe.

Buffon: "Die Enttäuschung ist riesengroß"

Nahezu jeder in der Fußballwelt hatte Buffon den Triumph in Cardiff gegönnt, die Krönung der beispielhaften Karriere eines der größten Torhüters der Geschichte. "Wir haben alles dafür getan, um dieses Finale gewinnen", sagte er im Anschluss an die 1:4-Niederlage, mittlerweile wieder etwas gefasster: "Natürlich ist die Enttäuschung riesengroß."

Der Aufprall auf den Boden der Tatsachen für den Altmeister war hart. Zwar ist Buffon immer noch einer der Besten - wenn nicht sogar der Beste - seiner Zunft, doch mit mittlerweile 39 Jahren und fünf Monaten rückt das Karriereende näher. Die Zeit für den großen Coup auf Vereinsebene rinnt ihm durch Finger.

Vorzeichen für Juventus waren gut wie lange nicht

Dabei hatten die Vorzeichen in diesem Jahr so gut ausgesehen wie lange nicht: Juventus spielte eine bärenstarke Saison, kassierte in den zwölf Königsklassen-Auftritten vor dem Endspiel lediglich drei Treffer, dominierte unter anderem den FC Barcelona, den FC Sevilla und die AS Monaco nach Belieben.

Auch die Mentalität, da waren sich alle vor dem Duell mit Real Madrid einig, war in 2017 eine bessere und reifere als noch vor zwei Jahren, als das Team in Berlin an Barca gescheitert war. Vieles sprach dafür, dass die Signora Vecchia eine realistische Chance auf das erste Triple der Vereinsgeschichte hatte.

Die Anfangsphase schien diese Vorzeichen zu bestätigen: "Wir haben eine überragende erste Halbzeit gespielt und Real in Schwierigkeiten gebracht", analysierte Buffon.

Beeindruckender Juve-Beginn

Juve drückte aufs Tempo und erspielte sich alleine in den ersten sechs Minuten drei gute Gelegenheiten.

Trainer Massimiliano Allegri hatte sein Team optimal auf die Königlichen eingestellt. Im 3-4-2-1, das sich gegen den Ball in ein 5-2-2-1 transformierte, gelang es den Italienern, das Aufbauspiel des Gegners zu unterbinden. Vor allem in der Zentrale der Madrilenen kamen Toni Kroos, Luka Modric und Isco nicht in ihre gewohnte Kombinationssicherheit.

Auch vom unglücklichen 0:1-Rückstand durch Cristiano Ronaldo ließ sich Juventus nicht aus dem Konzept bringen. Das Fallrückzieher-Traumtor von Mario Mandzukic stellte das Remis wieder her und hielt den Traum am Leben.

Nach dem Seitenwechsel drehte sich jedoch das Momentum. Fortan drückte Real die Italiener mit beeindruckendem Powerplay in deren eigene Hälfte und bestrafte jede Nachlässigkeit in der Defensive eiskalt.

"Wir sind in der Vergangenheit zu Recht für unsere starke Defensive gefeiert worden", merkte Dani Alves an, "aber heute war einfach nicht unser Abend." In einem Spiel kassierte Juve mehr Treffer als vorher im gesamten Wettbewerb.

Dani Alves verliert sein erstes internationales Finale

Für den Brasilianer war der Abend in Cardiff eine traurige Premiere. Erstmals überhaupt in seiner Karriere verlor Alves ein internationales Finale. Zuvor hatte er Alles-oder-Nichts-Vergleiche auf internationaler Ebene mit seinen Teams immer für sich entschieden.

Alves war mit dem FC Sevilla zweimal UEFA-Cup- (2006, 2007), mit dem FC Barcelona drei Champions-League-Sieger (2009, 2011, 2015) und mit der brasilianischen Nationalmannschaft unter anderem Junioren-Weltmeister (2003), Copa-America- (2007) und zweimal Confed-Cup-Sieger (2009, 2013) geworden.

Entsprechend wusste der Rechtsverteidiger, wovon er sprach, als er sagte: "Auf diesem Level kann dich ein Gegner für die kleinsten Fehler bestrafen. Das ist heute passiert."

Für Buffon war das Ergebnis fraglos berechtigt: "Real hat sich den Sieg in der zweiten Halbzeit verdient. Ihre Qualität, Klasse und Siegermentalität kamen durch. Wir haben in den Details Fehler gemacht und sind sehr enttäuscht."

Für den letzten Schritt über die Schwelle habe die Leistung einfach nicht gereicht: "Du musst alle Widrigkeiten beiseite schieben und stark sein, wenn du diese Trophäe gewinnen willst." Das gelang nicht. Wieder einmal.

Medien beschwören den Final-Fluch

Und so kam es, dass die Gazzetta dello Sport auf der Titelseite ihrer Sonntagsausgabe in fetten Lettern das Wort "Maledizione!" abdruckte. Zu Deutsch: "Fluch!"

Der Final-Fluch der Alten Dame hält an. Nach 1997 (gegen Borussia Dortmund), 1998 (gegen Real Madrid), 2003 (gegen den AC Milan) und 2015 (gegen den FC Barcelona) verlor Juventus das fünfte Königsklassen-Endspiel hintereinander - ein trauriger Negativ-Rekord.

Doch Präsident Andrea Agnelli wollte die Enttäuschung nicht in den Vordergrund des Resümees stellen: "Wir haben uns über die letzten sieben Jahre stetig weiterentwickelt und gehören mittlerweile zu den besten Mannschaften Europas. Darauf können wir stolz sein. Nächste Saison muss es für uns darum gehen, als Favoriten noch fokussierter aufzutreten."

Allegri bestätigt Verbleib

Trainer Allegri schlug in die gleiche Kerbe: "Es bringt nichts, jetzt zu klagen oder zu hadern, was gewesen wäre. Wir müssen das nun verarbeiten. Es war eine harte Saison mit einem unglücklichen Ende, aber du bekommst im Leben immer eine zweite Chance. Wir werden nicht aufhören, es zu versuchen. Wir müssen unbedingt wieder in dieses Finale."

Daran, dass er dann auch noch die Verantwortung über die Mannschaft haben wird, ließ Allegri indes keinen Zweifel: "Ja, ich werde auch nächste Saison wieder auf der Bank sitzen. Ich will wieder angreifen und das Ding beim nächsten Mal gewinnen."

In der Tat spricht wenig dagegen, dass Juventus auch in der kommenden Saison zu den großen Favoriten auf den Henkelpott gehören wird. Die Mannschaft wird im Kern zusammenbleiben, bei keinem der zentralen Leistungsträger gilt ein Abgang als wahrscheinlich.

Auch Leitwolf Buffon bleibt (mindestens) noch ein Jahr an Bord, um seinem Traum, doch noch einen europäischen Vereinstitel zu gewinnen, hinterherzujagen.

Und womöglich beim nächsten Mal nicht mit gesenktem Kopf am Henkelpott vorbeigehen zu müssen.

Juventus - Real Madrid: Die Daten zum Spiel

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