Fußball ist kein Spiel der Konjunktive

Der BVB vergab in Lissabon eine Vielzahl von Chancen
© getty

Borussia Dortmund vergibt die große Chance auf eine gute Ausgangslage im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League durch die bittere 0:1-Pleite bei SL Benfica. Die Partie bedient die simpelsten Fußball-Floskeln. Das Ergebnis reiht sich nahtlos ein in die jüngsten BVB-Resultate, die Spielweise nicht. Darin liegt die Schwierigkeit der Situation.

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"Das geht nur im Fußball", fing Thomas Tuchel wenige Momente nach dem Abpfiff bei Sky an und er wusste wirklich nicht so recht, ob er lachen oder weinen sollte.

Dass er für seinen Einstieg in die Spielanalyse ausgerechnet die Floskel schlechthin verwendete, passte am Dienstagabend so gut wie lange nicht. Das Spiel bediente nämlich so viele derer.

Die Zutreffendste: Wenn du vorne deine Chancen nicht nutzt, wirst du hinten bestraft.

Aubameyang neben der Spur

69,3 Prozent Ballbesitz und extrem aussagekräftige 14 zu fünf Torschüsse für den BVB besagte die Statistik. Während Dortmund Benfica-Keeper Ederson aus allen Lagen prüfte, brachten die Portugiesen nur einen ihrer harmlosen Abschlüsse aufs Tor. Ins Tor.

Der BVB dagegen verballerte seine Hochkaräter reihenweise - vor allem ein desaströser Pierre-Emerick Aubameyang.

Zweimal tauchte der alleine vor Ederson auf, beide Versuche setzte er unbedrängt weit über die Latte. Sein Elfmeter aber war der beste Ausdruck seiner Körpersprache an diesem Abend: "Ich hatte nicht das Gefühl, dass er heute in der Lage ist zu treffen", erklärte Tuchel später, warum er seinen ansonsten torgefährlichsten Spieler direkt nach dem Strafstoß auswechselte.

Champions League: Alle Noten des Achtelfinals in der Übersicht

Tuchels Matchplan greift - Ergebnis bleibt aus

Letztlich blieb das 0:1 bis zur 95. Minute bestehen. Dann befreite Nicola Rizzoli, der auch schon bessere Tage erlebt hat, die Borussia aus der verkehrten Welt im Estadio da Luz. Das Ergebnis reihte sich unauffällig ein in die jüngsten BVB-Resultate in Darmstadt oder in Mainz. Die Spielweise nicht. Schwierig.

Das, was der Zuschauer auf dem Platz sah, war alles, nur keine Krise. Vielmehr zeigte Tuchels Team eine der besten Saisonleistungen: Der BVB-Coach hatte kurz vor Anpfiff noch erzählt, worauf es ankommen würde: Mut, weit nach vorne zu schieben, um in der gegnerischen Hälfte den Ball zu erlangen. Ballbesitz, auch in Benficas Hälfte. Und ein gutes Umschaltverhalten.

All das demonstrierten die Gäste "überragend gut", wie Tuchel befand, um dann wieder zu seiner anfänglichen Phrase zu kommen: "Das geht nur im Fußball: So gut zu spielen und dem Gegner überhaupt nichts zuzugestehen und doch als Verlierer vom Platz zu gehen."

Stärke liegt im Vorbereiten, nicht im Vollstrecken

"Wir hätten viel mehr mitnehmen müssen, es lagen so viele Chancen herum. Wir hatten sie komplett im Griff. 2:0, 3:0, 3:1, das wären die richtigen Ergebnisse gewesen", befand auch Julian Weigl.

Die Chancenverwertung "war und ist eines unserer Themen", gab Tuchel zu und schloss explizit auch Aubameyang mit ein: "Das gilt auch für ihn. Er hat den Anspruch, diese Chancen zu machen. So aber verunsichert das den Spieler und auch das Team. Dann schleicht sich immer ein Gefühl ein, dass du ständig auf der Hut sein musst. Wir brauchen Effektivität, um weiterzukommen."

Die Partie zeigte, dass den Dortmundern eine richtige Alternative zu Aubameyang fehlt. Ein Knipser, der die Bälle einfach über die Linie drückt, wenn sie so frei herumliegen. So einer ist auch Andre Schürrle nicht und der Rest der Offensive ebenso wenig.

Deren Stärke, das zeigte auch das Benfica-Spiel, ist der vorbereitende Weg dahin. Alles, was bis in den Strafraum passierte, hatte Hand und Fuß. Tuchel hatte seine Mannschaft perfekt auf den Gegner eingestellt und sein dynamisches Team lieferte die passende Reaktion zur Pleite in Darmstadt.

"Ich bin sehr stolz, wie wir gespielt haben. Wir waren im Gegenpressing so gut, wir haben überhaupt gar nichts zugelassen", war der Coach deshalb zufrieden: "Darum habe ich nicht so große Lust, an diesem Sandkorn rumzudoktern."

Irreführung der Floskeln

Tuchel sah wie jeder Zuschauer der Partie, dass sich der BVB spielerisch in die richtige Richtung bewegte. Entsprechend "sind wir überzeugt, das Rückspiel zu gewinnen", gab Schürrle nüchtern zu Protokoll: "Wir waren klar besser."

Ganz so einfach ist die Rechnung aber nicht: "Es ist ein superkompliziertes Ergebnis", ordnete Tuchel ein und meinte dabei nicht nur die Gefahr, in drei Wochen ein Heim-Gegentor zu kassieren.

Denn die eigentliche Schwäche des BVB ist nach wie vor die Unbeständigkeit. Mal fehlt es an der Körperspannung, mal an der Einstellung, mal am Spielwitz. Diesmal scheiterte die Borussia an der Chancenverwertung. Es ist einfach, nach dem Spiel dazustehen und diesen einen mangelhaften Aspekt anzukreiden. Wäre der doch nicht gewesen ...

Natürlich hätte Dortmund schon mit einem Bein im Viertelfinale stehen können. Das gab der Spielverlauf in jedem Fall her. "Shit happens", mag Tuchel deshalb meinen, doch er muss seiner Mannschaft noch einmal klar machen: Fußball ist kein Spiel der Konjunktive. So sehr die zahlreichen Floskeln das auch vermuten lassen.

Benfica Lissabon - Borussia Dortmund: Die Statistik zum Spiel