Der nächste große Kopf muss weg

Im letzten CL-Finale der Held, nach dem Juve-Spiel niedergeschlagen: Sergio Ramos
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Real Madrid beendet die Saison nach dem Champions-League-Aus gegen Juventus Turin aller Voraussicht nach ohne Titel. Die Zeit von Trainer Carlo Ancelotti läuft endgültig ab - trotz großem Zuspruch aus Teilen der Mannschaft.

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Es lief alles in die richtige Richtung für Real Madrid. Iker Casillas wurde nach den Schmähungen aus dem letzten Liga-Heimspiel gegen Valencia vor dem Anpfiff mit lautstarken "Iker, Iker"-Sprechchören gefeiert.

Die Mannschaft lieferte eine starke erste Halbzeit ab und führte durch den 77. Champions-League-Treffer von Cristiano Ronaldo mit 1:0. Das Finale in Berlin so nah, der Clasico gegen den FC Barcelona auf der ganz großen Bühne.

Und obendrein war Klub-Legende Alfredo di Stefano allgegenwärtig. Die 307 Pflichtspieltore des im Juli 2014 verstorbenen Ehrenpräsidenten für die Königlichen hatte Ronaldo mit seinem Elfmetertor egalisiert.

Ramos: 15 klare Torchancen

Doch auf dem Weg nach Berlin ist Real Madrid irgendwo falsch abgebogen. Dass es auch dem zehnmaligen Sieger des wichtigsten Wettbewerbs des europäischen Fußballs nicht gelungen ist, den Champions-League-Titel erfolgreich zu verteidigen, haben sich die Königlichen selbst zuzuschreiben.

Im Hinspiel in Turin blieb Real deutlich unter seinen Möglichkeiten und im Rückspiel verpasste es die Mannschaft, das Spiel vor der Pause zu entscheiden.

"Wir hätten die vielen Chancen in der ersten Halbzeit nutzen müssen. Wir sind ausgeschieden, obwohl wir 15 klare Torchancen hatten", bilanzierte Sergio Ramos. Toni Kroos trauerte dem verpassten Finaleinzug nach, "weil es nach der guten ersten Halbzeit absolut möglich gewesen wäre".

Ob Ronaldo, Benzema, Bale oder James - elf Mal kam Real in den ersten 45 Minuten gefährlich vor das Juve-Tor, doch es fehlte die Genauigkeit im Abschluss. "Wenn man die Tore nicht macht, darf man sich hinterher nicht beschweren, wenn man ausscheidet. Juventus steht verdient im Finale", sagte Ramos.

Saison ohne Titel

Letztlich genügte Juve ein Tor von Alvaro Morata, um zum ersten Mal seit 2003 wieder um die europäische Krone zu spielen. Real gelang es in der Schlussphase nicht, den Druck so zu erhöhen und die alte Dame so zu bedrängen, dass die weiche Knie bekommt.

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Carlo Ancelotti hatte trotzdem nur Lob übrig für seine Spieler. "Ich bin sehr stolz, die Mannschaft hat ihr wahres Gesicht gezeigt. Wir haben alles versucht und hatten viele Torchancen. Wenn wir im Hinspiel mit der gleichen Intensität gespielt hätten wie heute, wären wir jetzt im Finale", sagte der Trainer.

So bleibt am Ende aller Voraussicht nach eine Saison ohne Titel. Im spanischen Pokal war Atletico Madrid Endstation, in der Primera Division hat Real zwei Spieltage vor Schluss vier Punkte Rückstand auf Tabellenführer Barca.

Eine Saison, in der Madrid zwischenzeitlich 22 Spiele am Stück gewann. In der Ronaldo trifft wie eh und je und die Neubesetzung des Mittelfelds mit Kroos, Isco und James oft zu überzeugen wusste. Doch eine Saison ohne Titel wirft vor allem bei Real Madrid Fragen auf.

Butragueno weicht Fragen nach Ancelotti aus

Die entscheidende ist die nach der Zukunft von Carlo Ancelotti. Und sie scheint bereits beantwortet: Der Trainer muss gehen. Spanische Medien hatten zuletzt gemeldet, dass Ancelotti selbst im Fall des erneuten Champions-League-Titels nicht zu halten sei.

Nach dem Juve-Spiel verweigerte Klubdirektor Emilio Butragueno ein Bekenntnis zu Ancelotti und wich der Frage nach dessen Zukunft mehrfach aus. "Wir gewinnen und verlieren zusammen. Gerade in der Niederlage müssen wir zusammenstehen. Es geht für uns jetzt nicht darum, Personalentscheidungen zu treffen. Es geht darum, das Bestmögliche aus den letzten beiden Ligaspielen herauszuholen", sagte el Butre.

Zwischen Präsident Florentino Perez und Ancelotti herrscht seit geraumer Zeit ein deutlich abgekühltes Verhältnis. Ancelotti hatte den Verkäufen von Xabi Alonso und Angel di Maria nicht zugestimmt, Perez die Transfers aber über dem Kopf des Trainers eigenmächtig vorangetrieben.

Kroos' Plädoyer für Ancelotti

Trotz allem würde Ancelotti gerne Real-Trainer bleiben. Das hat er in den letzten Wochen immer wieder betont und auch am späten Mittwochabend im Estadio Santiago Bernabeu noch einmal wiederholt.

"Es macht nach so einem Spiel keinen Sinn, über die Zukunft zu sprechen. Wir haben noch zwei Ligaspiele und die wollen wir gewinnen. Danach können wir uns mit der Zukunft beschäftigen. Ich würde hier gerne weiterarbeiten. Aber das habe nicht ich zu entscheiden, sondern die Klubführung", so der Italiener.

Ginge es nach der Mannschaft, hätte Ancelotti gute Chancen auf ein drittes Jahr als Trainer von Real. Marcelo hält ihn nach wie vor für einen "Gewinner und großartigen Trainer". "Geht es nach mir, sollte er bleiben", so der Brasilianer.

Kroos hielt bei Sky ein Pladoyer für den Coach: "Ich kann nur sagen, dass er ein absoluter Top-Trainer ist. So, wie wir heute gespielt haben, kann kein schlechter Trainer an der Seitenlinie gestanden haben. Das wissen hoffentlich alle."

Klopp, Lopetegui, Zidane?

Eine klare Botschaft an Perez und Butragueno, sich von Niederlagen nicht allzu sehr beeinflussen zu lassen. Doch Ancelotti wird wohl sein letztes Spiel auf der Trainerbank von Real Madrid erlebt haben. Für die letzten beiden Ligaspiele ist er vom spanischen Verband wegen einer "obszönen Geste" (Ancelotti hatte dem Schiedsrichter während des Spiels gegen Valencia applaudiert) gesperrt worden.

Mögliche Nachfolgekandidaten werden in den Medien ohnehin schon seit Wochen diskutiert. Jürgen Klopp, Julen Lopetegui, Rafa Benitez und allen voran Zinedine Zidane, der Coach der zweiten Mannschaft.

Ramos hofft, "dass wir aus der Saison die richtigen Schlüsse ziehen. Denn aus Niederlagen und Fehlern lernt man mehr als aus Siegen." Für die Klubspitze ist die Gleichung klar: Bei Misserfolg muss ein großer Kopf weg. Und das ist auch bei Real Madrid in aller Regel der des Trainers.

Real Madrid - Juventus Turin: Die Statistik zum Spiel

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