Den wichtigsten Kredit verspielt

Ralf Fährmann kassierte gegen Chelsea fünf Gegentreffer
© getty

Der FC Schalke hat gegen Chelsea ein wahres Debakel erlebt und Schwächen in allen Mannschaftsteilen offenbart. Trainer Di Matteo sollten aber vor allem die Einstellung und Moral seines Teams Sorgen machen.

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Das Schalker Publikum ist nicht anspruchslos, aber immer fair. Solange die Mannschaft kämpft, beißt und nicht aufgibt, hört man auch bei aussichtslosen Spielständen höchstens vereinzelt Pfiffe von den Rängen. Gegen Chelsea war dies anders. Höhnisch feierten die Fans in der Schlussphase jedes gelungene Zuspiel ihrer Mannschaft. Fehlpässe und dilettantisch verlorene Zweikämpfe wurden mit einem gellenden Pfeifkonzert quittiert. Der lauteste Applaus nach dem Anpfiff galt der Einwechselung eines Spielers der gegnerischen Mannschaft, Andre Schürrle.

"Die Fans hatten jeden Grund, uns auszupfeifen. Wir haben es nach dieser Leistung nicht anders verdient", erklärte Horst Heldt nach dem Spiel gegenüber "Sky". Auch Heldt standen die Enttäuschung und die Wut nach dem Debakel ins Gesicht geschrieben. "Man kann gegen Chelsea verlieren, aber die Art und Weise war inakzeptabel", nahm der Manager die Mannschaft ungewöhnlich hart in die öffentliche Kritik.

Der Auftritt Schalkes war in der Tat erschreckend, eine wirkliche Spielidee zu keinem Zeitpunkt erkennbar. Natürlich ist der Matchplan eines defensiv ausgerichteten Teams über den Haufen geworfen, wenn man schon nach wenigen Minuten in Rückstand gerät - einen Plan B schien Schalke aber nicht zu haben.

Fehlende Durchschlagskraft

Ein verunglückter Schuss von Eric-Maxim Choupo-Moting war in 90 Minuten die einzige ernstzunehmende Torchance der Königsblauen. Kevin-Prince Boateng tauchte unter, Klaas-Jan Huntelaar hing im Sturm in der Luft und ließ sich immer wieder fallen, um überhaupt mal einen Ball am Fuß zu haben.

Marco Höger war auf der Doppelsechs ebenso ein Totalausfall wie Unglücksrabe Jan Kirchhoff. Dennis Aogo, der den Vorzug vor Christian Fuchs erhielt, blieb wie Choupo-Moting auf der anderen Seite komplett blass.

Schon beim Sieg am Wochenende gegen Wolfsburg zeigte sich der Schalker Angriff in der zweiten Hälfte erschreckend harmlos. Selbst gute Kontergelegenheiten wurden mit schrecklichen Zuspielen und leichtfertigen Fehlern verschenkt, Überraschungsmomente blieben gänzlich aus.

Chelsea hatte auf der anderen Seite locker Gelegenheiten für zehn Treffer und machte Schalke vor, wie schnell man das Mittelfeld mit gezielten Bällen zwischen die Reihen des Gegners überbrückt. Dass die höchste Heimniederlage der Vereinsgeschichte am Ende "nur" eingestellt wurde, war allein Ralf Fährmann zu verdanken, der trotz seines Patzers beim 0:2 bester Schalker auf dem Platz war.

Pressen, aber wann?

Schwerer wiegt, wie sich die Mannschaft in der Defensive präsentierte. Die Idee, Chelsea seines schnellen Vertikal-Spiels zu berauben, indem man tief steht und den Spielaufbau erst ab der Mittellinie attackiert, ergibt nur Sinn, wenn man den Kreativen dann im Zentrum auf den Füßen steht. Das Gegenteil war der Fall.

Ob Eden Hazard, Cesc Fabregas oder Nemanja Matic, die Blues konnten sich die Bälle in Ruhe zuspielen, diese verarbeiten und den Steilpass auf die Außen oder den Lob über die Viererkette hinweg forcieren. "Wir haben alles falsch gemacht, was man falsch machen kann", sah auch Heldt, der sich sogar dazu hinreißen ließ, seine Wut auf die Mannschaft öffentlich auszusprechen: "Natürlich bin ich sauer auf das Team. Das war eine blamable Leistung, wir haben auch in der Höhe verdient verloren."

Gegen den Tabellenführer der Premier League zu verlieren, ist keine Schande, auch ein früher Rückstand und ein 0:3 zur Halbzeit nicht. Die Einstellung der Mannschaft in der zweiten Hälfte hingegen schon. Kein Aufbäumen, kein Kampf, keine Moral. Die Königsblauen eskortierten ihre Gegenspieler durch das Mittelfeld bis vor das eigene Tor.

Keiner geht voran

Dass sich ein Höwedes, Kapitän, Weltmeister und absolute Führungsfigur, mal einen seiner Vorderleute zur Brust nahm und wachrüttelte... Fehlanzeige.

Auch von einem Huntelaar oder einem Boateng, den vermeintlichen Säulen dieses Teams, kam nichts. Die Zeiten, in denen Leader durch ein hartes Foul ein Zeichen an die Mannschaft senden, sind vorbei. Aber dass Höger am Ende des Spiels der einzige Schalker mit einer Gelben Karte war - und das für ein taktisches Foul - spiegelt den nicht vorhandenen Kampfgeist deutlich wider. Dazu kommen neun Fouls und eine Zweikampfquote von rund 42 Prozent.

Schalke ergab sich seinem Schicksal ohne jegliche Gegenwehr. "Der Auftritt der Mannschaft ist unerklärlich. Man muss sich wehren und in die Zweikämpfe gehen. Wir haben dagegen einen Sicherheitsabstand eingehalten", monierte Heldt.

Es droht das komplette Aus

Weil Lissabon Maribor im zweiten Spiel der Gruppe G besiegte, steht Schalke nun sogar vor dem kompletten Aus im Europa-Pokal. Verlieren die Knappen am kommenden Spieltag beim vermeintlichen Underdog, stürzt man auf den vierten Platz ab und wäre nicht mal in der Europa League.

"So wie wir heute gespielt haben, brauchen wir uns in Maribor überhaupt nichts ausrechnen", mahnte Heldt, der sich gleichzeitig bei den Fans entschuldigte. "Der Support unserer Fans in den vergangenen Monaten war einmalig, sie haben einen solchen Auftritt nicht verdient".

Schalke hat in der Tat viel Kredit bei seinen Anhängern verspielt, die keinesfalls einen Sieg gegen Chelsea forderten, nur eine Mannschaft, die sich für sie und den Verein aufopfert und nicht tatenlos abschlachten lässt.

Di Matteo und seine Spieler müssen eine deutlich gesteigerte Leistung und eine andere Einsatzbereitschaft an den Tag legen, um die Eindrücke dieses Abends vergessen zu machen.

FC Schalke 04 - FC Chelsea: Die Statistik zum Spiel

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