"Es war total schizophren"

Oliver Kirch (r.) durfte im Rückspiel gegen Real Madrid überraschend von Beginn an ran
© getty

Oliver Kirch durfte beim Champions-League-Rückspiel gegen Real Madrid überraschend von Beginn an für Borussia Dortmund auflaufen und zeigte dabei eine starke Leistung. Kirch spricht im Interview über die Reaktion der Dortmunder Fans nach Spielschluss, seinen am Saisonende auslaufenden Vertrag und zieht ein Fazit seiner zwei Jahre beim BVB.

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Frage: Herr Kirch, als die Aufstellung des BVB bekannt wurde, waren viele überrascht, dass Sie auflaufen durften. Wie erging es Ihnen?

Oliver Kirch: Sebastian Kehl fiel aus, Nuri Sahin hatte Probleme mit seinem Rücken - daher war ich jetzt nicht total überrascht. Ich habe mich schon ein wenig darauf eingestellt. Dass es die Position alleine auf der Sechs wurde, konnte ich natürlich nicht erahnen. Ich denke aber, dass es ganz gut funktioniert hat.

Frage: Wieso eigentlich die Marschroute mit nur einem Sechser, wie hat das Trainer Jürgen Klopp begründet?

Kirch: Das war letztlich ein Fazit des Hinspiels. Madrid hatte sich letzte Woche die Bälle hinten zugeschoben, wir bekamen keinen Zugriff und im richtigen Moment haben sie dann durch die Schnittstellen nach vorne zu ihrer offensiven Dreierreihe gepasst. Die waren dann in der Lage, sich bei der Ballannahme zu drehen. Mit vier Spielern vor der Sechs konnten wir deshalb einen höheren Druck auf die Passgeber ausüben. Meine Aufgabe war zu beobachten, wer sich fallen lässt oder angespielt werden könnte und dann zuzupacken.

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Frage: Was hat Klopp speziell Ihnen vor einem solch wichtigen Spiel mit auf den Weg gegeben?

Kirch: Der Trainer hat am Morgen des Spiels die Aufstellung bekannt gegeben. Er sagte mir, dass ich einfach so weitermachen soll wie in den letzten Wochen. Ich bin gut drauf, auch im Training. Bei den Einsätzen, die ich in der Liga hatte, war bis auf den einen Pass in Stuttgart vor dem 0:1 eigentlich alles in Ordnung.

Die Opta-Statistiken von Oliver Kirch gegen Real Madrid

Frage: Waren Sie dennoch nervös? So oft haben Sie in der Champions League ja nicht gespielt.

Kirch: Ich habe mich nach Bekanntgabe der Formation schon gefragt, wie das den Tag über sein wird. In dem Moment, als ich von meinem Einsatz erfahren habe, war ich überhaupt nicht nervös. Zwischendurch kam dann schon ein bisschen das Kribbeln in mir hoch. Auf dem Platz ist es wiederum eine andere Geschichte. Da denkt man nicht darüber nach, gegen wen man nun auf einmal spielen darf. Ich hatte eine Aufgabe und die habe ich versucht, so gut es geht umzusetzen.

Frage: Die haben Sie mit Bravour gemeistert. War dies das beste Spiel Ihrer Karriere?

Kirch: Da tue ich mich schwer. Es war in jedem Fall ein absolutes Highlight für mich, so viel ist sicher. Ein Champions-League-Viertelfinale gegen Real Madrid - das hätte ich mir vor drei Jahren nicht träumen lassen und darauf kann ich auch ein bisschen stolz sein. Ich bin jetzt seit zwei Jahren hier und habe nicht wirklich viele Spiele gemacht. Das eine oder andere Highlight war dabei, aber das jetzt war schon die Krönung für mich - obwohl wir nicht weitergekommen sind. Das hätte das Ganze noch perfekt gemacht.

Frage: Mit welchem Gefühl gehen Sie jetzt nach Hause?

Kirch: Die Enttäuschung überwiegt derzeit. Ich glaube aber, dass uns allen in den nächsten Tagen noch viel mehr bewusst wird, welch großartige Leistung wir abgeliefert haben.

Frage: Wie sehr hadert man mit den vergebenen Möglichkeiten, gerade der von Henrikh Mkhitaryan, der das leere Tor nicht traf?

Kirch: Es gehen einem natürlich unmittelbar nach Spielende ein paar Szenen durch den Kopf, aber letztlich ist es jetzt vorbei. Wir dürfen und können uns keinen Vorwurf machen, ganz egal wie die abschließende Analyse des Spiels ausfallen wird. Micki schon gar nicht. Er hat mit dazu beigetragen, dass es ein Riesenabend wurde.

Frage: Vor dem Spiel äußerte man wenig Hoffnung, das 0:3 noch umbiegen zu können. Wie sah es innerlich aus?

Kirch: Wir konnten ja nach dieser Ausgangslage nicht hinausposaunen, dass wir Real in unserem Stadion weghauen. Wir wussten aber, dass es möglich ist, diesen Rückstand noch aufzuholen. Das hat die zweite Halbzeit in Madrid gezeigt. Genauso haben wir das Rückspiel begonnen. Es waren durchaus mehr als zwei Tore drin.

Frage: Die Fans haben die Leistung trotz des Ausscheidens gefeiert. Wie fühlt sich diese Bestätigung seitens der Anhänger an?

Kirch: Es war total schizophren, weil wir total am Boden zerstört waren, es nicht geschafft zu haben, trotz des Ausscheidens aber dennoch so gefeiert wurden. Dass die Leistung so honoriert wurde, war eine Wahnsinnsaktion der Fans. Das ging gut runter.

Frage: Ihr Vertrag läuft am Saisonende aus. Man weiß gar nicht, wie es mit Ihnen weitergeht.

Kirch: Das geht mir ähnlich (lacht). Wir haben uns aber darauf verständigt, bald die Gespräche aufzunehmen. Dann schauen wir mal, was dabei herauskommt.

Frage: Bislang wurde also noch nicht gesprochen?

Kirch: Nein. Es gab aber Signale.

Frage: Was können Sie sich vorstellen?

Kirch: Ich habe nicht oft gespielt, bin aber bei einem super Verein. Ich werde mir Gedanken darüber machen, was ich wirklich möchte. Ich bin nicht mehr der Jüngste. Zumindest auf dem Papier, ich fühle mich sonst eigentlich noch ganz gut. Ich weiß, was ich an diesem Verein habe.

Frage: Wie fällt denn Ihre Bilanz der zwei Jahre beim BVB aus?

Kirch: Das erste Jahr war für mich sicherlich schwer. Ich kam hier her, die Mannschaft war eingespielt und wuchs über die Jahre. Als Neuzugang hat man dann nicht allzu lange Zeit, sich zu akklimatisieren. Es hat bei mir einfach gedauert, das muss ich ehrlich zugeben. Ich wurde als Außenverteidiger verpflichtet, das ist sozusagen meine 1b-Position. Für diese Saison haben wir uns nun darauf verständigt, dass ich ausschließlich im Mittelfeld eingesetzt werde. Der Trainer hat mir übrigens gerade nach dem Spiel bescheinigt, dort einen riesigen Sprung gemacht zu haben.

Frage: Was heißt es genau, dass man sich darauf verständigt hat, Sie im Mittelfeld einzusetzen?

Kirch: Ich habe als Außenverteidiger ein paar ordentliche Einsätze gehabt, aber die Entwicklung war nicht so, wie sich es beide Seiten vorgestellt haben. Deshalb haben wir vereinbart, mich künftig im Mittelfeld einzusetzen. Dort bin ich einfach besser aufgehoben.

Borussia Dortmund - Real Madrid: Daten zum Spiel