Spaßfußball für Fortgeschrittene

Von Daniel Reimann
Philipp Lahm und Thomas Müller hatten beim Sieg in Manchester jede Menge Spaß
© getty

Was gegen Moskau gut funktionierte, erfuhr beim 3:1-Sieg in Manchester nochmal ein Upgrade: Pep Guardiolas weiterentwickeltes System löst bei allen Beteiligten Begeisterung aus. Dabei war längt nicht alles perfekt.

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Manche Zuschauer waren in ihrer Euphorie nach dem Spiel noch ein klein wenig irritiert. Das 1:3 von Alvaro Negredo, die Rote Karte für Jerome Boateng und der plötzliche Konzentrationsverlust der Bayern in der Schlussphase wollten nicht so recht ins perfekt erscheinende Gesamtbild passen.

Die Spieler hingegen schien der kleine Einbruch zum Ende des Spiels nicht zu beschäftigen. Zu begeistert waren sie von dem zuvor Geleisteten. Besonders ein Schlagwort war in den Interviews nach der Partie nicht zu überhören.

"Es war super. Das macht natürlich Spaß, vor allem gegen so einen Gegner", sagte Arjen Robben. "Es macht Spaß, wir hätten es uns hier nicht besser vorstellen können", freute sich Philipp Lahm. Und Thomas Müller analysierte begeistert: "Wenn du bei ManCity 3:0 führst und dann zwischen der 65. und 75. Minute derartige Ballpassagen drin hast, dass City gar keine Chance hat, an den Ball zu kommen, dann macht uns das Spaß und möglicherweise auch dem Zuschauer zuhause."

Spaß war das Lieblingsstichwort. Spaß an den Folgen der eigenen Dominanz und Variabilität. Zwei Elemente, die im weiterentwickelten System von Trainer Pep Guardiola nochmals stärker in den Vordergrund gerückt sind.

Rotation im Dreieck

Zwar hat Guardiola weder sich noch den FC Bayern neu erfunden. Doch er hat seine Spielidee und das bisherige Spiel der Bayern zusammengeführt und die Symbiose daraus weiterentwickelt. Besonders bei den überlegenen Siegen in Moskau (3:0) und auf Schalke (4:0) waren die zentralen Merkmale zu erkennen. In Manchester erfuhr das bayrische Auftreten nochmal ein Upgrade.

Die Dominanz der Münchner war besonders in Durchgang eins erdrückend. Bayern hatte 75 Prozent Ballbesitz gegen ein Team, das mit als Topfavorit auf die englische Meisterschaft gilt. Bayern spielte fast viermal so viele erfolgreiche Pässe. Und von Yaya Toure, Citys wichtigstem Antreiber, war mit Ausnahme von Ballverlusten in den ersten 45 Minuten nichts zu sehen.

Der Ivorer war mit Bayerns Gegenpressing heillos überfordert. Das Trio Schweinsteiger/Kroos/Lahm trieb im Zentrum die Balljagd an, die dank deren hervorragend abgestimmten Stellungsspiels meist schnell zum Ballgewinn führte.

Im eigenen Spielaufbau wurde die absolute Kontrolle des FCB noch deutlicher. Dass diese auch gegen ein taktisch gut geschultes Topteam wie ManCity derart ausgeprägt war, ist auch einer fortgeschrittenen Variabilität zu verdanken. Das Mittelfeld-Dreieck rotierte, wechselte die Rollen auf dem Platz und war so kaum greifbar für die City-Zentrale.

Dominanz durch Variabilität

In der Offensive wurde die Umsetzung von Guardiolas modifizierter Spielidee noch deutlicher. Der Bayern-Coach forcierte zuletzt das Spiel durchs Zentrum. Hinterlaufende Außenverteidiger oder auf die Flügel ausweichende Stürmer sollen dabei in erster Linie als Manöver dienen, nicht zwingend als Anspielstation. Dafür soll das Mittelfeld inklusive der Flügelzange Ribery/Robben öfter auch ohne Ball ins Zentrum vorstoßen, um die gegnerische Verteidigung auseinander zu reißen.

Beispielhaft war dafür die Szene, die zum 1:0 führte. Mandzukic-Ersatz Müller bot sich Rafinha auf rechts als Anspielstation und lenkte die Aufmerksamkeit von City-Linksverteidiger Gael Clichy auf sich. Damit bescherte er Rafinha Zeit und Raum für einen schnellen Diagonalball auf Ribery. Der wurde von David Alaba hinterlaufen, wodurch Rechtsverteidiger Micah Richards gebunden war.

In der Mitte zog Robben mit einem Sprint ins Sturmzentrum Fernandinho hinter sich her. Damit blieb für Ribery nur noch der zurückgeeilte Rechtsaußen Jesus Navas als Gegenspieler, dessen Zweikampfverhalten keine weitere Erwähnung verdient - ebenso wie der Abwehrversuch von Joe Hart.

Nichtsdestotrotz ist die Szene exemplarisch für das Erfolgsrezept gegen Manchester: Dominanz und Variabilität. Oder präziser: Dominanz durch Variabilität.

Hoeneß wird euphorisch

Selbst Präsident Uli Hoeneß wurde angesichts des Auftritts seiner Bayern geradezu euphorisch: "Das war summa cum laude. Wir haben heute 80 Minuten lang einen Fußball gesehen, wie ich ihn fast noch nie im Leben gesehen habe", schwärmte Hoeneß, der ManCity als "absolute Spitzenmannschaft" charakterisierte.

Doch trotz aller Begeisterung bleiben mit Blick auf die jüngsten Auftritte auch kleinere Bedenken. In den Partien in der Bundesliga gegen Wolfsburg (1:0) und im Pokal gegen Hannover (4:1) war die bayrische Dominanz keineswegs so stark ausgeprägt. Besonders gegen die Wölfe tat sich der FCB schwer, das entscheidende 1:0 fiel erst nach über einer Stunde.

Auch in Manchester erarbeiteten sich die Bayern trotz außerordentlicher Spielkontrolle in Halbzeit eins keine hundertprozentige Torchance. Und der plötzliche Konzentrationsverlust in der Schlussphase hatte nicht nur zahlreiche Chancen für City zufolge, sondern wurde obendrein auch mit einem Platzverweis für Boateng bezahlt.

Doch von alledem wollten sie nach dem Spiel beim FC Bayern nichts wissen. Es stand allein eins im Vordergrund: Der Spaß am weiterentwickelten Guardiola-Bayern-Fußball. Oder, wie Uli Hoeneß es formulierte: "Wir hatten vorher ein Super-Team und jetzt haben wir ein Super-Super-Team."

Manchester City - FC Bayern: Daten zum Spiel