Die Mutter aller Stimmungskiller

Von Florian Bogner
Die Verletzung von Bastian Schweinsteiger trifft die Bayern hart
© Getty

Bayern München steht nach dem 3:2 über den SSC Neapel mit anderthalb Beinen im Champions-League-Achtelfinale. Die Verletzung von Bastian Schweinsteiger sorgte dabei allerdings für einen Druckabfall, den die Bayern beinahe teuer bezahlt hätten. Was für die zweite Halbzeit als Erklärung herhielt, darf in Zukunft aber nicht mehr als Ausrede gelten. Der Tenor nach der Partie war klar: Nun müssen sich eben andere Spieler beweisen.

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Bastian Schweinsteiger zögerte einen Moment, bevor er sich der Kerze im Bayern-Strafraum annahm, und das war wahrscheinlich der Fehler. Gökhan Inler kam mit Anlauf angerauscht und sprang mit Schmackes gegen Ball und Gegenspieler - zu viel für Schweinsteigers Schlüsselbein, das nachgab.

Glatter Bruch in der Nähe des Schultergelenks lautete die erste Diagnose, die Bayern-Doc Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt noch vor Ort ertastet hatte. Operation unumgänglich, sechs Wochen Pause, hieß es noch am Abend. Schweinsteigers Abend endete im Krankenhaus.

Lahm spricht von Schockzustand

Von Art und Grad der Verletzung wussten Spieler und Fans freilich noch nichts, als Schweinsteiger in der 53. Minute seitlings auf einer Trage liegend mit verkniffenem Gesicht in die Katakomben gebracht wurde.

Doch während Trainer Jupp Heynckes väterlich Schweinsteigers Kopf beim Abtransport tätschelte und Sportdirektor Christian Nerlinger ein paar aufmunternde Worte sprach, wirkte es beinahe so, als hätte jemand den Stöpsel aus der Allianz Arena gezogen.

Die Verletzung habe alle "schon ein bisschen geschockt", meinte Philipp Lahm nach der Partie und versuchte damit zu erklären, was mit dem FCB und seinen Fans in der Folge passiert war. Bräuchte jemand eine genaue Definition für das Wort "Stimmungskiller" - Schweinsteigers Verletzung war genau das.

Gomez lässt Rekorde purzeln

In der ersten Halbzeit hatten die Münchner nämlich noch wie aus einem Guss gespielt. "Es war eine der besten Halbzeiten, die ich je beim FC Bayern miterlebt habe - bis auf das Gegentor kurz vor der Pause", sagte Lahm.

Schweinsteiger, Toni Kroos und Franck Ribery leiteten das Spiel umsichtig und stachen nach Belieben in von Mario Gomez gerissene Räume. Der emsige Stürmer dankte es ihnen mit drei blitzsauberen Toren, dass die Rekorde nur so purzelten.

Bayern ohne Schweini - wie würdest Du aufstellen?

Ein Hattrick hatte noch kein Deutscher in der Königsklasse erzielt; mit 17 Toren ist Gomez nun auch erfolgreichster deutscher Torschütze in der Champions League vor Michael Ballack. Sein erster Treffer stellte zudem Bayerns 250. Tor in Europas Meisterklasse dar. Am Ende stand zudem der 200. Sieg in der Münchner Europacup-Geschichte.

"Ein Hattrick in der Champions League passiert nicht oft, nicht mal beim FC Barcelona", frohlockte Boss Karl-Heinz Rummenigge und erfreute sich an einem "Riesenschritt in Richtung Achtelfinale". Der beinahe zu kurz ausgefallen wäre, hätte das Spiel noch zehn Minuten länger gedauert.

Hektik, Platzverweise, fehlende Ordnung

Durch das vermeidbare 1:3 kurz vor der Pause (Gomez: "saublöd") war Napoli bereits angespitzt. Als mit Schweinsteiger dann auch noch Bayerns Steuermann von Bord ging, setzten sich beim SSC noch mal Kräfte frei. Von Minute zu Minute schwand die Münchner Zuversicht, Napoli witterte Morgenluft.

"Eine clevere Mannschaft spielt das trotzdem locker runter", meinte Lahm selbstkritisch, sagte damit aber gleichermaßen aus: Der FC Bayern verhielt sich anschließend nicht besonders clever.

Den Bayern fehlte fortan ein Bindungsglied zwischen Defensive und Offensive, Bälle gingen viel zu schnell verloren, Hektik kam ins Spiel. Zwei Platzverweise waren die Folge, einer hüben (Juan Zuniga) einer drüben (Holger Badstuber). Als Luiz Gustavo in den letzten Minuten Badstubers Rolle in der Innenverteidigung übernehmen musste, glich Bayerns Schaltzentrale vollends einem Torso.

"Halt gesucht und nicht gefunden"

"Über die zweite Halbzeit müssen wir noch mal reden", sagte Thomas Müller hinterher uns sah nicht wie jemand aus, der gerade 3:2 gewonnen hatte. Mario Gomez drückte es so aus: "Wir haben Halt gesucht und ihn nicht gefunden." Mit Schweinsteiger sei schließlich der Mittelfeldmotor aus dem Spiel genommen worden: "Er bestimmt das Tempo."

In der Tat hatte Schweinsteigers Aus einen Druckabfall im Bayern-Spiel zur Folge, den die Italiener am Ende beinahe noch mit dem Ausgleich bestraft hätten.

"Wir haben uns zu wenig bewegt, waren uns vielleicht einen Tick zu sicher. Dennoch war es wichtig, dass wir aus dem Spiel heraus nichts zugelassen haben, auch nicht in der kritischen Phase", resümierte Lahm, merkte aber gleichwohl an, dass Napoli dafür eben zweimal nach Standardsituationen traf, was einer Spitzenmannschaft wie dem FC Bayern nicht passieren darf.

Weil die Gäste nach dem zweiten Kopfballtreffer von Federico Fernandez (79.) aber nicht noch mal aufs Tor von Manuel Neuer schossen, stand am Ende ein knapper Erfolg und die Erkenntnis, dass Schweinsteigers Verletzung in den nächsten Spielen nicht mehr als Ausrede herhalten darf.

Wer schließt die Lücke?

"Wir sind ein Spitzenteam und müssen ihn ersetzen, auch wenn das unglaublich schwer wird", sagte Gomez. "Wir haben es bislang immer geschafft, den Ausfall verletzter Spieler zu kompensieren. Ich hoffe, dass uns das wieder gelingt", meinte Heynckes.

Man dürfe nicht groß lamentieren, sondern müsse Alternativen finden, fügte Rummenigge an. "Natürlich tut uns die Verletzung von Bastian weh, aber dann müssen eben andere Spieler ran. Das macht auch die Qualität einer Mannschaft aus", sagte der Vorstandsvorsitzende.

Spieler hat der FC Bayern schließlich genug, so sein Ansatz. Neben Anatolij Tymoschtschuk und Luiz Gustavo bieten sich auch Danijel Pranjic, David Alaba oder Toni Kroos als Sechser an. Selbst Philipp Lahm hat schon mal in der Schaltzentrale gespielt.

"Tut mir leid, dass ich mir so kurz nach dem Spiel noch keine Gedanken darüber gemacht habe. Hängt natürlich davon ab, welche Ideen der Trainer hat", meinte Kroos vor Verlassen der Allianz Arena mit einem Achselzucken. "Wir haben mehrere Möglichkeiten."

Bayern München - SSC Neapel: Daten zum Spiel

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