Barcelona führt die Bayern vor

Von Für SPOX in Barcelona: Thomas Gaber
Samuel Eto'o erzielte das 2:0 für den FC Barcelona und ließ Hans-Jörg Butt keine Chance
© Getty

Der FC Bayern München kann seine Hoffnungen auf den Einzug ins Halbfinale der Champions League wohl schon nach dem Hinspiel beim FC Barcelona begraben.

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Nur vier Tage nach dem 1:5-Debakel von Wolfsburg überrollte Barca den deutschen Rekordmeister im Estadi Camp Nou förmlich und schoss sich nach einer famosen Leistung ein sagenhaftes 4:0 (4:0) heraus.

Gegen eine völlig indisponierte Bayern-Mannschaft, in der kein einziger Spieler auch nur annähernd Normalform erreichte, waren Leo Messi (9., 38.), Samuel Eto'o (12.) und Thierry Henry (43.) erfolgreich.

Die Gäste aus München - vor der Partie noch das statistisch beste Team des Wettbewerbs - hatten in 90 Minuten nur eine einzige Torchance und zeigten in der ersten Halbzeit die mit Abstand schwächste Vorstellung unter Trainer Jürgen Klinsmann.

So setzte es für den deutschen Rekordmeister die höchste Niederlage aller Zeiten in der Champions League.

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Anpfiff: Mit Lucio, Daniel van Buyten und Philipp Lahm, der wegen einer verhärteten Wade kurzfristig passen musste, fällt fast die gesamte etatmäßige Viererkette der Bayern aus.

Den Paukenschlag aber lieferte Klinsmann selbst: Statt Michael Rensing steht Hans-Jörg Butt im Tor. Anstelle des zweiten Stürmers Lukas Podolski spielt Hamit Altintop. Die Bayern starten im 4-3-2-1 mit Altintop und Ribery auf den Halbpositionen.

Barca tritt dagegen in Bestbesetzung an. Den einzigen umkämpften Platz im defensiven Mittelfeld gewinnt Yaya Toure gegen Sergio Busquets.

6.: Der muss drin sein. Erste gute Aktion, Henry ist durch! Von außen spielt Alves auf Xavi. Der steckt genial auf Henry durch. Der Franzose tanzt Butt aus und schießt aus drei Metern. Aber am kurzen Pfosten klärt Demichelis auf der Linie!

9., 1:0, Messi: Nächste Traumkombination von links nach rechts. Iniesta auf Eto'o im Zentrum auf Sechzehnerhöhe. Der spielt auf Messi weiter. Der Argentinier steht dann am Elferpunkt und schiebt sicher ins linke Eck ein. Lell hat hier unnötig Eto'o gedoppelt, so steht Messi ganz frei.

12., 2:0, Eto'o: Selbes Muster, anderer Schütze. Messi zieht von links auf 16er Höhe in die Mitte. Im Rücken der 4er-Kette löst sich Eto'o und wird genau im richtigen Moment angespielt. Angenommen, flach ins lange, linke Eck geschoben. Das ist zu einfach!

17.: Den gibt er nicht! Gelb für Messi! Der dribbelt Lell im Strafraum klar aus und bleibt dann an ihm hängen. Eigentlich muss es einen Elfer geben. Gelb für die "Schwalbe" ist absolut überflüssig!

38., 3:0, Messi: Henry zieht aus dem Stand an Oddo vorbei und flankt fast von der Grundlinie flach in die Mitte. Lell und Messi starten in den Ball. Messi spitzelt ihn aus kurzer Distanz dann rein. Er führt jetzt die CL-Torschützenliste an.

43., 4:0, Henry: Messi zieht in die Mitte. Eto'o zentral am 16er. Der spitzelt auf links zu Henry. Der Franzose zieht in die Mitte und schiebt den Ball flach ins lange Eck.

45.: Die E-Jugend des FC Bayern stellt sich wohl besser an. Messi vernascht Lell, Alves Breno, Henry Oddo und dann steht Iniesta frei und haut drauf. Glück für Bayern, der kann ja nur Pässe spielen und trifft selten ins Tor. Der Ball aus zwölf Metern geht drüber.

59.: Glanzparade von Butt! Piqué wechselt die Seite. Messi zieht an ein paar Bayern-Spieler vorbei von rechts in die Mitte und schießt aus 17 Metern aufs lange Eck ab. Butt fliegt und lenkt den flachen Ball an die Latte.

71.: Wieder Ze Roberto! Ribery steckt auf Toni durch. Der touchiert den Ball nur leicht und lässt auf Ze Roberto durch. Der kleine Brasilianer schießt, aber Puyol grätscht den Ball sechs Meter vor dem Tor ins Aus.

78.: Iniesta im Solo gegen Schweinsteiger, Oddo und dann noch van Bommel. Sein Schuß aus spitzem Winkel von links streicht aber knapp am langen Kreuzeck vorbei.

88.: Butt verhindert Schlimmeres! Messi zieht in die Mitte und spielt dann auf links Außen zu Iniesta. Der zieht wieder an Oddo vorbei und haut aus ganz spitzem Winkel, fünf Meter vor dem Tor drauf. Butt steht direkt am Pfosten und blockt zur Ecke.

90.: Iniesta im Doppelpass mit Krkic. Von der Grundlinie flankt Iniesta auf den zweiten Pfosten. Dort nimmt Messi den Ball runter und zieht Volley ab. Aber Keita steht im Weg und klärt einen Meter vor dem Tor für die Bayern unabsichtlich.

So lief das Spiel: Barca wartete zwei, drei Minuten ab und schaute sich an, wie sich die Bayern in ihrer ungewohnten Formation so zurechtgefunden, um dann urplötzlich den Turbo zu zünden. Die Folge: Erste Chance nach fünf Minuten, erstes Tor nach neun Minuten. Die Bayern kamen nicht mehr hinten raus und wurden von Barcas Power förmlich erdrückt. Der nächste tödliche Pass, das nächste Tor nach zwölf Minuten - bitte, danke! In der Folge war praktisch jeder Barca-Angriff gefährlich, die Bayern-Defensive war komplett überfordert. Nur Ribery sorgte mit einem feinen Sprint auf seiner linken Seite für einen Hauch von Gefahr für Barca-Keeper Victor Valdes.

Erst nach 25 Minuten beruhigte sich die Partie. Barca nahm etwas Tempo raus und die Bayern waren endlich näher am Mann. Dumm nur, dass Barca kurz vor der Pause wieder Lust aufs Fußballspielen bekam und den Bayern mal eben noch zwei einschenkte.

Nach dem Wechsel standen die Bayern kompakter und ließen nicht mehr so viele Torchancen zu. Das Spiel nach vorne blieb extrem überschaubar, es blieb bis zum Ende bei einer echten Chance durch  Ze Roberto. Barcelona ließ insgesamt in  der zweiten Halbzeit Milde walten und verzichtete darauf, die Bayern abzuschlachten.

Der Spieler des Spiels: Aus Barcas Traumelf einen Spieler herauszuheben, ist eigentlich ein Affront gegenüber allen anderen. Aber an Lionel Messi führt bei der Wahl zum Spieler des Spiels kein Weg vorbei. Der Argentinier setzt mit seinen Tempodribblings physische Gesetzmäßigkeiten außer Kraft. Gegenspieler Lell wusste insbesondere in der ersten Halbzeit nicht, wo oben, unten, rechts und links ist. Eiskalt legte Messi den Ball zum 1:0 ins lange Eck, um vier Minuten später Eto'o mit einem Zuckerpässchen zu bedienen. Alles, was dieser Mann mit und ohne Ball anstellt, ist atemberaubend, fantastisch und schlichtweg einzigartig.

Die Gurke des Spiels: Massimo Oddo. Langsam, naiv im Zweikampfverhalten, plump und überhastet im Aufbauspiel mit extrem hoher Fehlpassquote. In den Laufduellen mit Thierry Henry war der Italiener so beweglich wie eine Parkuhr. Oddo erlebte sein ganz persönliches Waterloo.  

Die Lehren des Spiels: Wenn kurzfristig elementare Teile in der Abwehr wegbrechen, Spieler auf ungewohnten Positionen aushelfen müssen und der Gegner dann auch noch FC Barcelona heißt, kann so ein Champions-League-Viertelfinalspiel in einem fiesen Albtraum enden.

Genau das ist dem FC Bayern München am Mittwochabend im Camp Nou widerfahren. Die Ausfälle waren nicht zu kompensieren. Die Defensive war bis auf wenige Ausnahmen komplett überfordert, von der Mittelfeldreihe um Kapitän Mark van Bommel bis in jedes Glied der Viererkette.

Fußballerisch lagen zwischen beiden Mannschaften Welten. Während jeder Barca-Spieler auch in Bedrängnis immer eine Lösung parat hatte, verloren die Münchner viel zu schnell die Bälle und brachten sich mit ungenauen Pässen selbst in Bedrängnis.

Aber nicht nur fußballerisch war ein deutlicher Klassenunterschied auszumachen. Auch läuferisch und in der Intensität der Zweikampfführung gab es gravierende Unterschiede. Man kann durch Einsatz und Willen spielerische Defizite ausgleichen. Dafür benötigt man aber ein gewisses Maß an geistiger Frische. Das war bei den Bayern nicht vorhanden. Erst in der zweiten Halbzeit zeigten die Bayern den nötigen Biss und holten sich verlorene gegangene Bälle wieder. 

Doch Barcas unerschöpflicher Reichtum an Optionen im Offensivspiel war für die Bayern zu viel. Es ging schlichtweg alles zu schnell.

Zudem vergriff sich Jürgen Klinsmann bei der Wahl des Personals. Hamit Altintop nach vierwöchiger Verletzungspause ausgerechnet in Barcelona ein Comeback zu vermitteln, ist ein unkalkulierbares Risiko. Dass der Türke nicht die körperlichen Voraussetzungen mitbringt, war nach wenigen Minuten erkennbar. Entkräftet blieb Altintop zur Pause in der Kabine.

Und noch was geht in so einem Spiel bei diesem Verlauf gar nicht: Dass Franck Ribery in der Pause das Trikot mit Thierry Henry tauscht und seinen französischen Landsmann Arm-in-Arm in die Kabine begleitet.

Für die Bayern bleibt nur die Hoffnung, schnell aus dem Albtraum von Camp Nou aufzuwachen, um sich im Rückspiel vernünftig aus der diesjährigen Champions-League-Saison zu verabschieden.         

FC Barcelona - FC Bayern München: Daten und Fakten