BVB-Auftritt bei Manchester City im Oktober 2012: Als sich Europa in den Klopp-Fußball verliebte

Der BVB musste sich im Oktober 2012 mit einem 1:1 bei Manchester City begnügen.
© IMAGO / DeFodi

Am Dienstagabend kommt es im Champions-League-Viertelfinale zum Duell zwischen Manchester City und Borussia Dortmund (21 Uhr im LIVETICKER und LIVE auf DAZN). Als der BVB 2012 das erste und einzige Mal bei den Citizens zu Gast war, kam es zu einem der besten Spiele in der Amtszeit von Jürgen Klopp. Ein Rückblick.

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Begegnen wir der Geschichte doch einmal antizyklisch und reißen mit einem Zitat vermeintlich alles ein, was anschließend noch folgen wird. "Manchester City war in diesem einen Jahr aber ehrlich gesagt nicht sonderlich stark. Die Mannschaft war langsam, übergewichtig und was weiß ich alles", sagte Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke im 2017 veröffentlichen Buch "Ich mag, wenn's kracht.": Jürgen Klopp. Die Biographie" des Journalisten Raphael Honigstein.

Unwahr ist Watzkes Einschätzung nicht. Der zweite Platz in der Premier League hinter Manchester United täuschte ein wenig über andere Ernüchterungen hinweg, die es für die Citizens in der Saison 2012/13 gegeben hatte. Vor allem der verpasste Titel im FA Cup ist da zu nennen, gegen Underdog Wigan Athletic ging das Finale mit 0:1 verloren.

Der wichtigere Baustein dafür, dass Trainer Roberto Mancini nach der Spielzeit entlassen wurde, waren aber die miesen Vorstellungen in der Champions League. ManCity schied ohne Sieg mit nur drei Punkten nach sechs Partien aus. Unbesiegter Gewinner der damaligen Gruppe D, der auch Real Madrid und Ajax Amsterdam angehörten: der BVB.

Am Dienstag kommt es im CL-Viertelfinale achteinhalb Jahre später unter gänzlich anderen Vorzeichen zur Neuauflage eines Spiels vom 3. Oktober 2012: Dortmund ist wieder bei City zu Gast, damals endete die Partie 1:1.

Etwas mehr als 2000 BVB-Fans gaben im Etihad Stadium den Ton an.
© getty
Etwas mehr als 2000 BVB-Fans gaben im Etihad Stadium den Ton an.

BVB in Manchester 2012: "Eines der besten Spiele" unter Klopp

Es war ein 1:1 der besseren Sorte, um es vorsichtig auszudrücken. Rückblickend betrachtet war es eines der besten Spiele in der siebenjährigen Dortmunder Amtszeit von Trainer Jürgen Klopp - und es war die Partie, die den BVB mit seinem intensiven Tempo-Fußball zurück auf die europäische Landkarte brachte.

Klopp hat dies bereits bei mehreren Gelegenheiten betont. "Das war eines der besten Spiele, die ich je gesehen habe, und ich habe eine ganze Menge gesehen. Wir sind fast selbst erschrocken, wie perfekt unser Plan aufging", sagte er einmal dem Magazin FourFourTwo.

Davon war nicht unbedingt auszugehen, denn trotz der beiden Meisterschaften in den Vorjahren, 2012 garniert mit dem Doublesieg, brachte der BVB in seiner ersten Champions-League-Saison unter Klopp wenig Erbauliches zustande: Mit nur vier Punkten schied man als Letzter in der Gruppenphase aus.

Englische Presse überschlug sich nach Dortmunds Leistung

Gerade auswärts zahlte Klopps junge und auf diesem Terrain unerfahrene Mannschaft ordentlich Lehrgeld. In Marseille, Piräus und bei Arsenal war nichts zu holen, Dortmund wurde abgekocht. Der Zähler in Manchester war somit der erste CL-Auswärtspunkt, den Klopp bei der Borussia einfuhr.

Schon im Vorfeld dieser Partie betonte der Coach, seine Spieler würden nun nicht mehr "mit leuchtenden Alice-im-Wunderland-Augen" durch die Königsklasse gehen. Er sollte mehr als Recht behalten, denn Dortmund brachte im Etihad Stadium all das auf den Rasen, weshalb der Verein in Deutschland zwei Jahre lang kaum zu besiegen war: Leidenschaft, Gier, Aggressivität, Geschwindigkeit, ein präzises Umschaltspiel.

Die englische Presse überschlug sich anschließend und schrieb von "nahezu perfektem Fußball", der - unvermeidlich - von einem "deutschen Bulldozer" in einem "irrem Tempo" vorgetragen wurde. Das Mitte der ersten Halbzeit von den Kameras eingefangene Gähnen von United-Coach Sir Alex Ferguson auf der Tribüne war wohl einer schwierigen vorherigen Nacht geschuldet.

Sensationelle Paraden von Joe Hart und Roman Weidenfeller

Unweit entfernt saß der Ex-Dortmunder Shinji Kagawa, Fergusons neuer Spieler. Watzke dagegen hatte Andreas Möller als "Glücksbringer" mitgebracht, der 1997 mit dem BVB die Champions League gewann.

Sie sahen ein Spiel, das zur Pause gut und gerne 4:4 hätte stehen können. Besonders City-Keeper Joe Hart wuchs über sich hinaus und zeigte sensationelle Paraden, am Ende wehrte er zwölf Dortmunder Chancen ab. Auch sein Gegenüber Roman Weidenfeller erwischte einen Sahnetag. Es glich einem Wunder, dass die Partie mit 0:0 in die Pause ging.

Mario Götze hatte bis dato schon Pfosten und Latte getroffen. Die Borussia, bei der Sven Bender nach Verletzung ein starkes Startelf-Comeback feierte, verteidigte im gewohnten 4-2-3-1 zunächst tiefer als gewohnt und griff erst ab der Mittellinie an. Klopps Umstellung in der Halbzeit auf ein 4-3-3 mit Marco Reus als Links- und Götze als Rechtsaußen sollte schließlich dazu beitragen, dass die Begegnung immer mehr Richtung Dortmund kippte.

BVB-Coach Klopp: "Sehr zufrieden, tendenziell sogar stolz"

Der eher unauffällige Reus war es dann, der nach dickem Bock von Rodwell in der 61. Minute die hoch verdiente Führung und sein erstes CL-Tor überhaupt erzielte. Eine Viertelstunde später hatte sich der BVB drei weitere Großchancen erspielt, um den Deckel auf die Partie zu machen, doch Hart war zur Stelle. "Einige City-Spieler sagten mir, dass sie hier noch nie so an die Wand gespielt wurden. Ein 8:6 für uns wäre gerecht gewesen", sagte Neven Subotic.

Bitter und höchst umstritten dann das Ende. "Ich hätte zunächst einmal Foul an Weidenfeller gegeben, dann Foul an Schmelzer, danach springt der Ball aus ganz kurzer Entfernung an die Hand von Neven - wenn man ihn pfeifen will, pfeift man ihn", sagte Klopp anschließend zur Entstehung des Ausgleichstors durch Mario Balotelli per Strafstoß in der 90. Minute.

Subotics Handspiel ging tatsächlich keine unnatürliche Handbewegung voraus, der Innenverteidiger wurde vielmehr angeschossen. "Das war ein Albtraum. Ich kann mir ja nicht die Hand abschneiden", sagte er.

Entsprechend angefressen reagierte Klopp unmittelbar nach dem Spiel. Einem Journalisten entgegnete er: "Es stört mich, dass hier so ein fantastisches Fußballspiel stattgefunden hat und Ihre erste und wahrscheinlich letzte Frage ist dann die nach einem Elfmeter. Meine Meinung zum Spiel ist - vielleicht interessiert es ja jemanden und wenn nicht, ist es mir auch scheißegal - dass meine Mannschaft sehr, sehr gut aufgetreten ist und ich sehr zufrieden mit ihr, tendenziell sogar stolz auf sie bin."

Als sich Fußball-Europa in die BVB-Symbiose verliebte

Das konnte er auch sein, denn für Klopp war es sicherlich Erleichterung wie Bestätigung zugleich, dass "seine" Art und Weise von Fußball auf diesem Niveau bestehen kann. Er nannte es einen wichtigen Schritt, "um Borussia Dortmund in der Champions League anders darzustellen" als noch im tristen Vorjahr.

Das Presse-Echo sorgte für die entsprechende Verbreitung der Botschaft. Ähnliche Schlagzeilen produzierten Dortmunds weitere CL-Spiele, denn am Ende der Saison erreichte man völlig überraschend das Finale. Außerhalb Deutschlands sorgten die leidenschaftlichen internationalen Auftritte des BVB vor seinen euphorisierten Fans dafür, dass man sich in diese Symbiose regelrecht verliebte und sie als stilbildend empfand.

Die Ausführungen des englischen Independent am Tag nach dem Spiel in Manchester sind zu deutlich, um sie hier in verkürzter Fassung darzustellen. Daher: "Das deutsche Modell ist das, was die Fans in diesem Land wollen. Nachhaltigen Fußball, der die Fans ins Zentrum des Spiels stellt, wo sie sein sollten", schrieb die Zeitung. "Gestern Abend sahen wir zwei völlig unterschiedliche Kulturen in Bezug auf den Fußball und die Fans. Wir sahen die 'Macht' eines Ölbarons gegen die Nachhaltigkeit und Einbeziehung eines richtig geführten Klubs. Wir sahen 'hinsetzen, die Klappe halten, Geld hergeben' gegen 'aufstehen, Lärm machen, Spaß haben und eine geringe Gebühr zahlen'. Einige Fans in Deutschland zahlen nur 93 Pfund für ihre Dauerkarte. In der englischen Liga werden die Fans als Cash-Cow-Kunden behandelt, die bis aufs Blut kontrolliert werden müssen, während die Fans in der Bundesliga das Lebenselixier des Spiels sind, die etwas trinken und sich amüsieren können, während sie die Mannschaft sehen, die sie lieben."

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