Experten-Panel zum Champions-League-Halbfinale: "Das Turnier ist Frankreichs Rache"

Von SPOX
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© imago images / Sven Simon
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Welcher Trainer und Spieler war im Turnier bisher am besten?

Daniel Herzog: "Leipzig hat das Spiel perfekt verstanden", hat Diego Simeone am Donnerstag nach der 1:2-Niederlage gegen RB gesagt. Das ist ein großes Lob und geht vor allem aufs Konto von Julian Nagelsmann. In der ersten Halbzeit hat Leipzig bis aufs offensive Drittel nahezu ein perfektes Spiel abgeliefert und Nagelsmann hat sein Team perfekt auf Atletico eingestellt.

Beim Siegtreffer von Tyler Adams ist dann auch genau das eingetroffen, was er vorher als Matchplan ausgegeben hat: hinter die Außenverteidiger kommen. Genau das hat mit Pass Sabitzer auf Angelino ideal funktioniert und letztlich dann auch zum Sieg geführt. Dieser Halbfinaleinzug wurde von Julian Nagelsmann penibel vorbereitet und war definitiv kein Zufall. Deshalb würde ich hier den Coach der Leipziger nennen, der übrigens auch absolut tiefenentspannt wirkt - mit 33 Jahren bei seinem ersten Champions-League-Halbfinale.

Bei den Spielern haben sich natürlich einige hervorgetan, gerade wenn man an das historische Spiel der Bayern gegen Barcelona denkt. Da bei den Münchnern aber das gesamte Team unglaublich gut war und es hier um einen einzelnen Spieler geht, fällt meine Wahl auf Neymar. Ohne den Brasilianer hieße der Halbfinalgegner von RB Leipzig am Dienstag nicht PSG, sondern Atalanta.

Auch wenn Neymar (trotz großer Chancen) kein Tor gelungen ist, war er der absolute Fixpunkt im Spiel von Paris. 15 erfolgreiche Dribblings sprechen eine ziemlich eindeutige Sprache. Er selbst sieht sich ja schon länger auf einer Ebene mit Messi und Ronaldo, jetzt hat er in deren Abwesenheit endlich die Möglichkeit, das auch zu beweisen.

Und dass er dieses Jahr auch im Kopf bereit dafür ist, zeigt auch die Tatsache, dass er während der Corona-Pause in seiner Heimat Brasilien nicht wie sonst üblich vor allem Urlaub gemacht, sondern extrem hart trainiert hat. Neymar möchte der Welt und wahrscheinlich auch sich selbst etwas beweisen. Und die Leistung, die er gegen Atalanta gezeigt hat, war ein erstes Ausrufezeichen.

Dennis Melzer: Hansi Flick würde nach dem historischen 8:2 wahrscheinlich als Antwort naheliegen. Hut ab vor dieser Leistung! Ich würde aber tatsächlich Rudi Garcia nennen. Er hat es geschafft, seiner Mannschaft den perfekten Matchplan mit an die Hand zu geben - und letztlich den großen Pep Guardiola ausgecoacht. Das ist aller Ehren wert.

Garcia hat die perfekte Balance zwischen aggressivem, diszipliniertem Verteidigen und schnellem, effektivem Konterspiel gefunden und erneut den Beleg geliefert, dass ein hoher Ballbesitzanteil nicht unbedingt gewinnbringend ist.

Welcher Spieler für mich in Lissabon bislang der Beste war? Die Auswahl ist natürlich groß, ich lege mich aber auf Leon Goretzka fest. Er hat gegen Barcelona ein überragendes Spiel abgeliefert, ist gerannt, hat Löcher gestopft, Zweikämpfe gewonnen - kurz gesagt: unglaubliche Präsenz gezeigt. Darüber hinaus noch diese herrliche Vorlage auf Serge Gnabry zum 3:1.

Es ist wirklich beeindruckend, welche Entwicklung er vor allem nach der Corona-Zwangspause genommen hat. Von vielen Experten und Fans lange als Mitläufer bezeichnet, ist Goretzka mittlerweile ein echter Anführer. Auf und neben dem Platz.

Benjamin Quarez: Die große Überraschung ist Lyon. In Frankreich hätte niemand damit gerechnet, dass sie Manchester City schlagen würden. Aber sie haben es tatsächlich geschafft! Das ist das Resultat der sehr guten Arbeit, die Rudi Garcia nach dem Re-Start in der Champions League macht. Das war so nicht abzusehen, die Fans mögen ihn nicht besonders, sie haben ihn ständig kritisiert.

Aber es ist ihm gelungen, seine Spieler zu motivieren, er hat die perfekte Taktik für das Duell mit den Skyblues erarbeitet. Dafür gebührt ihm Respekt. Jetzt werden wir sehen, ob er auch gegen den FC Bayern die richtigen Kniffe parat hat. Ich glaube, die Münchner sind ein noch härterer Brocken als Juventus und City.

Als Spieler würde ich Thomas Müller herausheben. Es war beeindruckend, was er gegen Barcelona gespielt hat. Er ist bei diesen wichtigen Turnieren, wenn es darauf ankommt, immer da. Er spielt nicht spektakulär, aber extrem effektiv. Bayern kann glücklich sein, ihn zu haben.