Beginn einer goldenen Ära? Warum Liverpool jetzt noch gefährlicher für Europa wird

Jürgen Klopp und Pep Guardiola: Wer tritt nächstes Jahr wem in den Hintern?
© getty

Mit dem Gewinn der Champions League katapultiert sich der FC Liverpool endgültig an die Spitze des europäischen Fußballs. Jürgen Klopp und sein junges, hungriges Team bringen alle Voraussetzungen mit, um in den kommenden Jahren auch dort zu bleiben - und noch stärker zu werden.

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Jürgen Klopp saß lausbübisch am Rande des freudetrunkenen Liverpooler Siegerbusses, der Anführer der "Kings of Europe" ließ ein Bein herabbaumeln und entleerte zwischendurch eines seiner unzähligen Biere feixend über dem Kopf von Jugendspieler Rhian Brewster.

Nur für Schabernack war der 51-Jährige an diesem denkwürdigen Sonntag aber nicht zu haben. Ihm stiegen auch Tränen in die Augen, was nicht etwa mit den roten Rauchschwaden zu tun hatte, die ihn stundenlang umgaben. Klopp war schlichtweg überwältigt von dem emotionalen Empfang, den die Menschen in Liverpool ihm und seiner Mannschaft bereiteten.

"Es ist ein unglaubliches Gefühl, es ist groß, man kann es nicht wirklich beschreiben", sagte er dem vereinseigenen LFC TV während der Siegerparade. Knapp 750.000 Schaulustige aus ganz Großbritannien waren nach Angaben der lokalen Behörden auf die Straßen Liverpools gepilgert, um den sechsten Europapokal-Triumph der Vereinsgeschichte zu feiern. "Das Traumland ist erwacht", schrieb der Liverpool Echo über die große Party. Mannschaftskapitän Jordan Henderson meinte: "Viel besser geht es nicht."

Klopp über sein Liverpool-Team: "Erst am Anfang"

Womöglich hatte er Recht. So ausgelassen jubelt man nämlich nur, wenn man lange auf einen solchen Erfolg wartet. In Liverpool mussten sie sage und schreibe 14 Jahre warten, eine halbe Ewigkeit für den vor Tradition nur so strotzenden Klub, der in den Siebzigern und Achtzigern von Erfolg zu Erfolg marschierte und so zur Elite des europäischen Fußballs aufstieg.

Es müsste schon irgendwie mit dem Teufel zugehen, wenn Henderson und seine Kollegen in den nächsten Jahren nicht noch das eine oder andere weitere Mal dort feiern würden - auf Liverpools Straßen, auf einem schönen Bus und mit einem schönen Pokal im Gepäck.

Der Altersdurchschnitt der Mannschaft beträgt 27 Jahre, Henderson zählt mit 28 schon zu den Ältesten, die regelmäßig in der Startelf stehen. Stars wie Mohamed Salah (26), Alisson Becker (26), Virgil van Dijk (27), Roberto Firmino (27) oder Sadio Mane (27) kommen gerade erst ins beste Fußballer-Alter, während junge Leisungsträger wie Trent-Alexander Arnold (20) oder Andy Robertson (25) fast noch in die Kategorie "Rohdiamanten" fallen.

Nicht grundlos gab Klopp kurz nach dem 2:0-Finalsieg über Tottenham Hotspur in Madrid zu verstehen, dass sich sein Team "erst am Anfang" befinde. "Die Jungs sind in einem wundervollen Alter, die haben die beste Zeit ihrer Karriere immer noch vor sich", sagte er grinsend.

Liverpool-Boss verspricht weitere Investitionen im Sommer

Es war eine indirekte Drohung an die europäische Konkurrenz. Während sich Großmächte wie Real Madrid, der FC Barcelona oder der FC Bayern in einer Phase des Umbruchs befinden und von enormen Investitionen profitierende Klubs wie Manchester City oder Paris Saint-Germain offensichtlich noch keine Siegermentalität auf der großen internationalen Bühne entwickelt haben, ist Klopps Mannschaft noch längst nicht auf dem Höhepunkt ihres Schaffens.

Und: Sie wird im Sommer qualitativ noch einmal einen Schritt nach vorne, wie der Haupteigentümer des Klubs, John William Henry, bereits vor dem Champions-League-Finale großspurig verkündete. Man werde Klopp und dessen Kaderplaner Michael Edwards "die nötigen finanziellen Mittel" für Transfers zur Verfügung stellen, sagte Henry bei Sky Sports, "um die Mannschaft zu verbessern".

Bisher hielt sich Liverpool in Sachen Zugänge zurück. Lediglich drei Leih-Spieler kehren zum Verein zurück, unter anderem auch der an die Hertha ausgeliehene Mittelfeldspieler Marko Grujic, für den aber wohl (vorerst) kein Platz ist. Es kursieren Gerüchte, der Klub könnte noch einmal in der Innenverteidigung und auf den Offensivpositionen nachlegen. Der in ganz Europa begehrte Matthijs de Ligt (Ajax Amsterdam), der schon im vergangenen Jahr von Liverpool umgarnte Nabil Fekir (Olympique Lyon) und der deutsche Nationalspieler Timo Werner (RB Leipzig) werden unter anderen gehandelt. Henry: "Wir wollen weiter erfolgreich sein."

Klopp bleibt - und will Guardiola in den Hintern treten

Spätestens nach dem Gewinn der Königsklasse hat die nationale Meisterschaft für Liverpool oberste Priorität. 29 Jahre wartet der Verein mittlerweile auf die Premier-League-Trophäe, in diesem reichte es trotz der aberwitzigen Anzahl von 97 Punkten nicht. Ex-Bayern-Trainer Pep Guardiola, der mit City knapp die Oberhand behielt, darf sich nach Angaben von Klopp warm anziehen. "Pep und ich haben uns versprochen, uns auch nächste Saison wieder gegenseitig in den Hintern zu treten", sagte der frühere BVB-Coach am Rande der Champions-League-Feier.

Damit garantierte er, der Vater des Erfolges, auch seinen Verbleib. Zuletzt hatte es immer wieder Gerüchte um Klopps Zukunft gegeben. Der italienische Serienmeister Juventus Turin soll nach der Entlassung von Massimiliano Allegri bei ihm vorstellig geworden sein. Der gebürtige Stuttgarter ist aber kein Typ, der eine neue Herausforderung braucht, wenn es gerade am schönsten ist.

Er fühlt sich mit seiner Familie wohl auf der Insel, außerdem läuft sein Vertrag noch bis 2022, dem Vernehmen nach vielleicht sogar bald länger. Und Klopp gehört zu den Trainern, die sich im Normalfall an Verträge halten. "Ich könnte mir vorstellen, dass irgendwo im Hinterkopf der Gedanke da ist: Sieben Jahre Mainz, sieben Jahre Dortmund, sieben Jahre Liverpool - das wäre eigentlich ganz cool", sagte England-Experte und Klopp-Biograf Raphael Honigstein bereits Ende 2017 im Interview mit SPOX und Goal.

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