Emre Can im Interview: "Auf der Straße war ich Zidane"

Emre Can spielt aktuell bei Juventus Turin.
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In Leverkusen haben Sie auch nur eine Saison gespielt, anschließend sind Sie zum FC Liverpool gewechselt. Ein mutiger Schritt.

Can: Viele in Deutschland haben gesagt: "Was macht der? " Ich war mir aber sicher, dass ich es dort schaffe - und das habe ich am Ende auch. Ich habe mich, egal wo ich war, immer durchgesetzt. Das ist nun auch eines meiner Ziele in Turin - und in der Nationalmannschaft.

Sie sind sehr selbstbewusst. Verspüren Sie als Profi trotzdem Druck?

Can: Selbstverständlich. Der Druck in diesem Geschäft ist extrem. Du musst in jedem Training, in jedem Spiel auf Knopfdruck funktionieren und dich aufs Neue beweisen. Es ist nicht einfach, abzuschalten. Aber du spielst etwa 15 bis 20 Jahre professionell. In diesem Zeitraum musst du versuchen, alles rauszuholen.

Auch finanziell?

Can: Ich wollte nie wegen des Geldes Fußballer werden. Als Kind denkst du doch nicht über das Geld nach. Du denkst nur daran, in vollen Stadien Fußball zu spielen.

DAZN und SPOX trafen Emre Can zum Interview im Juventus-Stadion.
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DAZN und SPOX trafen Emre Can zum Interview im Juventus-Stadion.

Emre Can: "Fußballer verdienen zu viel Geld"

Verdienen Fußballer zu viel Geld?

Can: Verglichen mit anderen Jobs schon. Andere Menschen gehen zwölf Stunden am Tag arbeiten und verdienen vielleicht nicht einmal ein Prozent von unserem Gehalt. Auf dem Bau zu arbeiten, bei Minusgraden draußen zu stehen, wie früher mein Vater, das ist für mich richtige Arbeit. Andererseits fließen enorme TV- und Sponsorengelder und das Geld wird letztlich auf die Spieler verteilt. Es ist wichtig, dass man mit Geld verantwortungsbewusst umgeht. Geld heißt ja auch Verantwortung und man sollte es entsprechend nutzen. So landet es dann wieder in der Gesellschaft. Viel Geld zu verdienen, hat den riesigen Vorteil, dass man wichtige Projekte unterstützen kann. Ich glaube, dass wir uns da alle eine Scheibe von Menschen wie Bill Gates abschneiden können. Ich finde, durch seinen Umgang mit Geld und seine Spenden wird er zu einer Legende.

Wie engagieren Sie sich in der Gesellschaft?

Can: Ich plane aktuell den Aufbau einer eigenen Stiftung. Mein Ziel ist es, dass ich nah an den Projekten dran bin. Die Menschen müssen merken, dass man sich für sie interessiert und engagiert.

Sie klingen sehr bescheiden.

Can: Ich versuche, jeden Mensch gleich zu behandeln - ob Putzkraft oder Präsident. Das ist mein Lebensmotto und daran wird sich nichts ändern. Das haben mir meine Eltern so vorgegeben.

Als Spieler mit so vielen Fans und Followern in den Sozialen Medien fällt es Ihnen bestimmt nicht leicht, jeden Menschen gleich zu behandeln, oder?

Can: Soziale Medien werden zu ernst genommen. Für mich ist das eine Fake-Welt, in der sich jeder so gut wie möglich darstellen möchte. Wir werden diese Entwicklung zwar nicht aufhalten können, aber ich würde mir wünschen, dass die Menschen wieder mehr miteinander reden. Wenn ich in einem Restaurant sitze und die Menschen beobachte, sitzt fast jeder nur an seinem Handy. Es kommen fast keine normalen Unterhaltungen mehr zustande.

Emre Can: "Mode ist für mich ein Hobby"

Wie gestalten Sie Ihre Freizeit?

Can: Ich bin ein einfacher Mensch, der gerne durch die Stadt schlendert, mit Freunden Essen geht oder gemütlich zu Hause eine Serie schaut. Die Ruhe hilft mir, mich bestmöglich auf meine Spiele vorzubereiten.

Wie man in dem einen oder anderen H&M-Schaufenster sieht, machen Sie nebenbei aber auch noch andere Dinge. Sie sind der erste Fußballer seit David Beckham, der eine Kooperation mit dem schwedischen Modekonzern eingegangen ist.

Can: Es ist eine Ehre für mich, nach David Beckham für H&M zu arbeiten. Ich bin mit dieser Marke aufwachsen, habe in Frankfurter früher zwei Minuten von einem Geschäft entfernt gelebt und mir dort immer Kleidung gekauft. Heute laufen meine Eltern an dem Geschäft vorbei und schicken mir ein Bild von mir im Schaufenster. Das macht mich unheimlich stolz.

Warum spielt Mode eine so große Rolle in Ihrem Leben?

Can: Mode ist für mich ein Hobby. Wenn ich mich gut anziehe, fühle ich mich automatisch gut. Als ich damals mit 15 nach München gegangen bin, habe ich dort viele Freunde gefunden, die sich sehr dafür interessiert haben. Auch hier in Italien ziehen sich die Leute sehr gut an. Das gefällt mir.

Was ist Ihr Lieblingslook?

Can: Das kommt immer auf den Anlass an. Zu einer Hochzeit ziehe ich ein Smoking an, auf der Straße eher etwas Lockeres. Ich kann mich gut anpassen, habe keinen speziellen Look. Ich mag es aber eher schlicht. Mit Glitzer kann ich zum Beispiel nicht viel anfangen.

Haben Sie noch weitere Modeprojekte geplant?

Can: Ich würde irgendwann gerne eine eigene Pullover-Kollektion auf den Markt bringen. Mein Fokus liegt aber mehr auf meinem Beruf, dem Fußball. Nach meiner Karriere kann ich mich intensiver mit Mode auseinandersetzen.

Emre Can: Rückkehr zu Eintracht Frankfurt möglich

Ihr Vertrag bei Juventus läuft noch bis 2022, Sie fühlen sich in Italien wohl. Können Sie sich als Türke dennoch vorstellen, eines Tages in der Süper Lig zu spielen?

Can: Warum nicht? Eines Tages, wenn ich ein bisschen älter bin, ist die Türkei mit Sicherheit auch eine Möglichkeit. Ich kann mir sehr gut vorstellen, eines Tages in Istanbul zu leben und zu spielen. Istanbul ist eine wunderbare Stadt.

Oder Sie kehren dorthin zurück, wo alles begonnen hat: zur Eintracht nach Frankfurt.

Can: Man sollte niemals nie sagen. Frankfurt ist und bleibt meine Stadt. Meine Eltern und meine Freunde leben in Frankfurt und ich bin oft dort zu Besuch, wenn ich mal ein paar Tage frei habe. Ich verfolge die Eintracht natürlich auch noch. Respekt, was die in dieser Saison leisten.