Wie Barca einst Ronaldos Verlängerung feierte - und ihn dann doch an Inter Mailand verlor

Von Ignasi Oliva Gispert
Ronaldo wechselte vom FC Barcelona zu Inter Mailand.
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Ronaldo verzückte in der Saison 1996/97 ganz Barcelona. Der neue Vertrag war schon ausgehandelt - doch Inter Mailand grätschte dazwischen. Ein Rückblick vor dem Champions-League-Duell zwischen beiden Vereinen (Di., 20.45 Uhr live auf DAZN).

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Ronaldo war seiner Zeit voraus. Er machte Dinge auf dem Platz, die auch heute, gut 20 Jahre nach seiner ersten Blütezeit problemlos als Inbegriff modernen Fußballs durchgehen würden. Dynamik, Technik, Ballkontrolle, Kreativität, eiskalter Abschluss - der Brasilianer war gewissermaßen der fußballerische Zwillingsbruder von Kylian Mbappe, als der heutige PSG-Star noch nicht einmal geboren war.

Der FC Barcelona war einst, im Sommer 1996, der erste absolute Top-Klub, der das damalige Ausnahmetalent sein Eigen nennen durfte. Die Katalanen holten den Stürmer aus Eindhoven, Ronaldos erster Station in Europa. Und gleich in seiner Premierensaison für Barca erzielte der seinerzeit 20-Jährige satte 47 Tore in 49 Pflichtspielen. Was viele heute verwundert: Ronaldo blieb nur dieses eine Jahr, zog 1997 weiter zu Inter Mailand. Warum eigentlich?

"Ronaldo wollte in Barcelona bleiben, er war glücklich und es war sein Wunsch, einen neuen Vertrag zu unterschreiben", sagt Joan Gaspart, damals Vizepräsident von Barca und zwischen Juli 2000 und Februar 2003 dann sogar Präsident der Katalanen, exklusiv zu Goal. "Wir hatten den Vertrag sogar schon fertig, ihn Ronaldo selbst und seinen beiden Beratern vorgelegt."

Ronaldo kurz vor Verlängerung bei Barca - doch Inter grätscht dazwischen

Eine Einigung war getroffen worden, unterschrieben allerdings noch nichts. Dennoch entschieden sich Gaspart und seine Kollegen dazu, den vermeintlichen Coup erst einmal standesgemäß zu zelebrieren. "Es war drei Uhr nachmittags, wir gingen aus und wollten Ronaldos Verlängerung feiern. Wir stießen sogar noch mit Sekt darauf an. Erst abends wollten wir ins Büro zurückkehren und dann alles unterschreiben", verrät Gaspart.

Was Barca nicht wusste: Hinter den Kulissen strickten Ronaldos Berater daran, dessen Abschied aus dem Camp Nou vorzubereiten und ihren Klienten zu Inter Mailand zu bringen. "Es war ein Fehler, auszugehen", gesteht Gaspart heute. "Hätten wir direkt alles unterschrieben, wäre Ronaldo in Barcelona geblieben."

Als sie sich am Abend wieder trafen, verschwand einer der beiden Ronaldo-Berater plötzlich für eine halbe Stunde. Was Gaspart und Co. erst später klar wurde: Er telefonierte mit Massimo Moratti, dem damaligen Inter-Präsidenten. "Wir kümmerten uns nicht groß um seine Abwesenheit. Als er zurückkam, entschuldigte er sich, trank noch einen Schluck Kaffee und wir gingen ins Büro des Präsidenten (damals Josep Nunez, d. Red.)."

Dort begann es, merkwürdig zu werden, Gaspart und den anderen Verantwortlichen der Blaugrana wurde allmählich klar, dass etwas nicht stimmte. Ronaldos Berater streuten neue Forderungen ein, wiesen den brasilianischen Stürmerstar an, doch schon einmal nach Hause zu gehen. "Sie sagten, sie würden ihn anrufen, sobald er unterschreiben könne", erinnert sich Gaspart. "Und ich fragte sie daraufhin, ob sie doch nicht unterschreiben wollen. Sie beteuerten, dass das weiterhin ihre Absicht sei, aber sie wollten fast den kompletten Vertrag neu aushandeln, vor allem die finanziellen Rahmenbedingungen. Sie zerstörten die Gespräche."

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Ronaldo wird zum Teuersten der Welt: Für 28 Millionen Euro zu Inter

Barca ließ sich zunächst auf die Änderungswünsche ein, doch die Einwände der Berater hörten nicht auf. Wenn der fünfte Punkt angepasst war, kamen sie mit einem sechsten, dann noch mit einem siebten. Die Verhandlungen scheiterten. "Unter Tränen erklärte mir Ronaldo dann, dass es ihm leid tut, aber seine Berater hätten ein deutlich besseres Angebot als unseres erhalten. Er meinte, es wäre besser für alle Parteien, wenn er zu einem anderen Klub wechseln und deutlich mehr Geld machen würde."

Schon tags darauf hinterlegte Inter umgerechnet 21 Millionen Euro bei LaLiga, um die Ausstiegsklausel für Ronaldo zu ziehen und den Brasilianer zum damals teuersten Spieler der Welt zu machen. "Ich flog zur FIFA nach Zürich und reichte eine Beschwerde gegen Inter ein", blickt Gaspart zurück. Doch es ging gar nicht mehr darum, Ronaldo vielleicht doch noch zu halten. Eigentlich ging es nur noch um den Preis. "Die FIFA gab Barca Recht und Inter musste noch sieben Millionen Euro mehr zahlen", erzählt Gaspart.

28 Millionen Euro also. Heute kostet ein normal guter Spieler so viel, damals war es der Preis für den Besten der Welt. Und natürlich der höchste Preis, der bis dato gezahlt wurde.

Wie Inter den Deal einfädelte, hatte jedoch nicht nur für Barca einen faden Beigeschmack. "Ich habe Moratti danach persönlich gesagt, dass es nicht richtig war, was er getan hatte. Er wusste, dass wir verhandelten und eigentlich schon einig waren. Das hat er zwar immer bestritten, aber das ist eine Lüge", beklagt Gaspart. "Und immer, wenn ich Moratti sehe, erinnere ich ihn daran, dass Ronaldo gar nicht zu Inter wollte. Es waren nur seine Berater und das Geld, die ihn dazu verleitet haben."

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"Ronaldos Herz ist mehr Barca als Madrid"

Fünf Jahre lang sollte Ronaldo Inters Trikot tragen. Nach 1996 wurde er 1997 ein zweites Mal Weltfußballer. 2002, mittlerweile bei Real Madrid, noch ein drittes Mal. In seiner ersten Saison bei Inter wurde er zum Spieler des Jahres in der Serie A gewählt, gewann den UEFA-Cup. Und hätte er nicht so häufig Pech mit schweren Verletzungen gehabt, wäre Ronaldos Karriere heute wohl noch glanzvoller, als sie es ohnehin schon ist.

Gaspart ist indes überzeugt, dass Ronaldo, der später auch noch viereinhalb Jahre für Real und anderthalb Jahre für Milan spielte, nirgendwo glücklicher war als in Barcelona. "Ronaldo hat mir mal gesagt, dass er 2002 zurückgekehrt wäre, wenn wir das Gleiche geboten hätten wie Real Madrid. Aber es war ein extrem hohes Angebot und wir hätten ein solches Investment für einen Spieler, der uns auf diese Art und Weise verlassen hatte, nicht verkaufen können." Dann hält er kurz inne, denkt noch einmal über jenes merkwürdige Meeting mit Ronaldos Beratern nach, vergisst es schnell wieder und schließt: "Ronaldos Herz ist mehr Barca als Madrid. Denn an seine Zeit hier hat er schönere Erinnerungen."

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