DAZN-Experte Jonas Hummels: "Ich bin jetzt eifersüchtig auf die anderen Kicker"

Jonas Hummels gehört seit dem Start von DAZN zu den Experten des Streamingdienstes.
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Jonas Hummels musste mit nur 26 Jahren seine Karriere als Fußballprofi beenden. Seit der Gründung des Streamingportals DAZN 2016 gehört er zur Riege der Experten, die die Kommentatoren unter anderem in der Champions League unterstützen.

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Im Interview spricht Hummels über seinen Start beim Fernsehen, Kritik an seiner Meinung, die Kunst des Kommentierens und blickt auf sein Karriereende zurück.

SPOX: Herr Hummels, Sie haben 2016 Ihre Profikarriere nach anhaltenden Verletzungsproblemen beenden müssen. Zu dieser Zeit waren Sie bereits Psychologie-Student und sind während der EM auch mal als Talkgast bei Sat.1 aufgetaucht. Welchen konkreten Plan für die Zukunft hatten Sie damals?

Jonas Hummels: Gar keinen. Nach meinem Karriereende überlegte ich mir, noch einen Master in Psychologie zu machen und weiter zu studieren. Einen konkreten Berufswunsch hatte ich nicht, mich hat zunächst nur das Thema an sich interessiert. Rund um meine Bachelorarbeit hatte ich die Idee, eventuell als Sportpsychologe zu arbeiten, doch das ist in Vollzeit in Deutschland derzeit noch schwierig.

SPOX: Aber in Teilzeit.

Hummels: Genau. Seit ein paar Monaten bin ich im Nachwuchsleistungszentrum meines Ex-Klubs SpVgg Unterhaching als sportpsychologischer Mitarbeiter auf Teilzeit angestellt. Kürzlich habe ich zudem einen Master of Business Administration Wirtschaft begonnen, weil ich in München für Psychologie keinen Platz bekommen habe.

Jonas Hummels gehört seit dem Start von DAZN zu den Experten des Streamingdienstes.
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Jonas Hummels gehört seit dem Start von DAZN zu den Experten des Streamingdienstes.

SPOX: Sportpsychologe, MBA-Studium, DAZN - war's das oder ist noch was?

Hummels: Eins noch: Ich habe letztes Jahr zusammen mit ein paar Amerikanern eine Firma gegründet. Ich bin dort Partner, mittlerweile sind wir zu neunt. Wir wollen Software für professionelle Sportmannschaften entwickeln. Es geht darum, deren Prozesse zu digitalisieren, so dass man eine gemeinsame Plattform hat, auf die alle zugreifen und über die alle kommunizieren sowie sich informieren können. Da stehen wir aber ganz am Anfang und befinden uns noch in der Beta-Phase, das Produkt steht noch nicht.

Hummels über den Start bei DAZN und seine Entwicklung im Live-Betrieb

SPOX: 2016 ist DAZN auf Sie aufmerksam geworden und hat einfach mal angefragt, ob Sie nicht Lust hätten, ein Spiel zu kommentieren. Sie sind seitdem dabei, quasi ein Gründungsmitglied. Hätten Sie gedacht, dass Ihnen das langfristig Spaß machen würde?

Hummels: Nein, überhaupt nicht. Auch meine Mutter, die ja fürs Fernsehen arbeitet, wäre nie darauf gekommen, dass ich einmal etwas in dieser Hinsicht machen würde. Ich habe nach der Anfrage von DAZN einfach ins Blaue hinein zugesagt. Mittlerweile muss ich sagen, dass ich das Kommentieren richtig cool finde. Während das Spiel läuft etwas zu sehen, zu analysieren und direkt darüber zu sprechen, gefällt mir sehr gut.

SPOX: Wie sehr haben Sie sich denn als Experte im Live-Betrieb weiterentwickelt in diesen zwei Jahren?

Hummels: Enorm. Anfangs habe ich permanent den Kommentator bestätigt und ihn immer mit "ja", "genau", "klar" sozusagen unterbrochen. Das war nicht fernsehgerecht, lief bei mir aber völlig automatisch ab. Man lernt mit der Zeit, sich mehr in den Zuschauer hinein zu fühlen. Ich bilde ja häufig mit Jan Platte ein Tandem. Wir haben dann zum Beispiel eine Abmachung getroffen, dass ich als Experte ruhig bin, wenn eine gefährliche Situation entsteht und erst danach meine Einschätzung abgebe, meistens im Laufe der Zeitlupe. All dies war am Anfang nicht vorhanden.

SPOX: Sie ernten viel Lob für Ihre Einschätzungen und taktischen Beobachtungen. Kritiker wiederum werfen Ihnen vor, Sie seien nur wegen Ihres prominenten Bruders Experte. Wie gehen Sie damit um?

Hummels: Ich habe keine Social-Media-Accounts. Daher kriege ich nur dann etwas mit, wenn es sich ballt. Das hielt sich bislang aber in Grenzen. Ich war natürlich auch kein großer Fußballer, von daher kann ich es halbwegs verstehen, wenn sich jemand fragt, wer ich denn überhaupt bin. Im Endeffekt äußere ich nur meine Meinung. Wem die nicht passt, der darf gerne seine Sicht der Dinge äußern. Das ist ja das Schöne am Fußball: Es gibt kein Regelbuch für Einschätzungen und niemand weiß, ob er am Ende auch Recht behält.

Hummels über Kritik an seiner Meinung und seinen Social-Media-Verzicht

SPOX: Doch gerade bei persönlichen Wertungen zu prominenten Spielern neigen vor allem die Fans dazu, sich schnell zu echauffieren, weil damit womöglich auch "ihr" Verein angegriffen wird.

Hummels: Ich habe wie gesagt absolut kein Problem mit anderen Meinungen. Wenn jemand vom Gegenteil meiner Sichtweise überzeugt ist, höre ich mir das gerne an und akzeptiere dies sowieso. Die Vereine betreiben ja auch regelmäßiges Scouting und werden sich schon etwas dabei überlegt haben, bevor Spieler verpflichtet werden. Aufgrund meines Nachnamens geht es bei mir eben auch in die Richtung, dass mich zum Beispiel alle Dortmunder und Schalker hassen. (lacht) Dasselbe passiert bei DAZN, wenn ich über Real Madrid oder Barcelona spreche, da fühlen sich die Fanlager auch immer mal wieder auf die Füße getreten. Ich kann mit all dem leben, solange es nicht ausufernd beleidigend wird.

SPOX: Ralph Gunesch, einer Ihrer Kommentatoren-Kollegen bei DAZN, ist dagegen gerade bei Twitter sehr aktiv. Ihr Bruder ist dort natürlich auch unterwegs. Weshalb verzichten Sie darauf?

Hummels: Ich sehe irgendwie keinen Grund, mich dort regelmäßig zu äußern. Das entspricht einfach nicht meinem Naturell. Mir reicht es, wenn ich mich auf DAZN und unregelmäßig bei ein paar anderen Mediengeschichten äußere. Was Felgenralle auf Twitter macht und wie sehr er das lebt, gefällt mir richtig gut. Mein Bruder wiederum gehört zu den besten Fußballern der Welt, der hat eben sehr viele Fans - und ich nicht. Solange ich von niemandem gezwungen werde, bleibe ich wohl bei meiner Haltung. (lacht)

SPOX: Wie blicken Sie denn mittlerweile auf andere Kommentatoren?

Hummels: Ich achte jetzt ganz anders darauf. Ich weiß nun, wie krass und unendlich schwierig dieser Beruf wirklich ist. Das ist live, man muss sofort Dinge erkennen und währenddessen darüber reden. Das ist ein hoch anspruchsvoller Job und ich finde, dass auch viele der Kommentatoren fachlich richtig Ahnung vom Fußball haben. Daher ziehe ich vor diesem Gesamtpaket echt meinen Hut.

SPOX: Wie haben Sie früher darüber gedacht?

Hummels: Dass natürlich alle keinen Plan haben und nur Quatsch labern. Das muss ich komplett revidieren. Man macht den Job ja auch für eine breite Masse und es ist enorm kompliziert, allen gerecht zu werden. Ich schaue grundsätzlich vielleicht auch anders Fußball als die Mehrheit, was neben meiner persönlichen Vita auch an meiner sportverrückten Familie liegt. Wir kommen ja alle aus dem Fußball und daher schaue ich anders auf dieses Spiel als jemand, der nicht im Fußball groß geworden ist und weniger Input hat. Doch diese Leute muss man als Kommentator bedienen. Ich muss jetzt mainstreamiger darauf schauen und darf die Zielgruppe nicht aus den Augen lassen.

Hummels über die Kunst des Kommentierens und sein Karriereende

SPOX: Das ist die Frage: Muss man wirklich mainstreamiger darauf schauen und kommentieren, obwohl man als Ex-Profi mit einem anderen Blick als der Ottonormalzuschauer gesegnet ist und dadurch einen Mehrwert generieren könnte?

Hummels: Es ist die große Schwierigkeit, das richtige Maß zu erwischen: Es darf nicht zu detailliert und nicht zu mainstreamig sein. Wenn Deutschland gegen San Marino spielt, brauche ich nicht die gegnerische Viererkette zu analysieren - weil es nicht relevant ist. Wenn es zwischen Atletico und Real aber um taktische Feinheiten und fundamentale Unterschiede in der Herangehensweise geht, sollte man das erklären. Zumal diese Spiele auch eher von Leuten geschaut werden, die im Thema drin sind und denen man nicht damit kommen muss, dass Cristiano Ronaldo kopfballstark ist. Die Frage ist immer, an welcher Stelle man den Mehrwert anbringen kann oder muss. Dieses Gespür sollte man mitbringen, aber es bleibt ein schmaler Grat.

SPOX: Gehen die 90 Spielminuten für Sie nun schneller vorüber, wenn Sie kommentieren?

Hummels: Das kommt darauf an. Bei einem Spiel wie kürzlich, als Belgrad gegen Salzburg vor leerer Kulisse spielte, war es schon zäh, da die Spieler diese Nicht-Atmosphäre auch irgendwo annehmen. In der Regel aber, wenn es ein gutes Spiel ist und ich sozusagen ordentlich im Flow bin, dann geht es ruckzuck vorbei.

SPOX: Was Ihnen vor allem die Fortsetzung Ihrer Karriere gekostet hat, waren zwei Kreuzbandrisse und zwei Knorpelschäden im Knie. Welche Beeinträchtigungen haben Sie aktuell im Alltag?

Hummels: Ich kann nicht viel machen, selbst joggen fühlt sich nicht gut an. Ich bin letztes Jahr noch zwei Mal operiert worden, da wurde eine aufwändige Knorpeltransplantation gemacht. Mir bleiben vor allem Yoga, Schwimmen, Rehatraining und Fahrradfahren. Meine Verletzungen waren leider ziemlich komplex. Der letzte Operateur sagte, mein Ziel solle sein, vor 50 keine künstlichen Kniegelenke zu haben. Der Alltag macht mir insgesamt gesehen eher weniger Probleme. Dass ich aber die Sportarten nicht mehr betreiben kann, die ich sehr mochte, ist schon ziemlich blöd.

SPOX: Das Karriereende liegt nun zweieinhalb Jahre zurück, der Fußball ist aber weiterhin fester Bestandteil Ihres Lebens. Wie sehr fehlt es Ihnen, selbst gegen den Ball zu treten?

Hummels: Sehr. Anfangs war es eine Erleichterung. Es hat einfach keinen Spaß mehr gemacht, ich hatte permanent Schmerzen und in einer Saison nur läppische 210 Minuten auf dem Feld gestanden. Die ersten Monate nach dem endgültigen Aus waren daher sehr angenehm: Ich war frei im Alltag und plötzlich auch viel besser im Studium. (lacht) Ab und an werde ich aber schon noch emotional und nostalgisch. Es gibt einen Film von unserer B-Jugend-Meisterschaft 2007 mit dem FC Bayern, den ich mir dann zum Beispiel gerne anschaue. Ich hätte natürlich auch weiterhin total Lust, wieder zu kicken, aber kann es eben nicht mehr. Ich vermisse es, Teil einer Mannschaft zu sein und bin jetzt eifersüchtig auf die anderen Kicker.

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