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Von Andreas Inama
Gianluigi Buffon bestreitet am Samstag sein zweites Champions-League-Finale
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Das Elfmeter-Paradoxon

Als einziges Manko wird dem Kapitän der italienischen Nationalmannschaft seine niedrige Quote bei Elfmetern angekreidet. Interessanterweise wird dabei nicht auf die Zahl der gehaltenen Elfmeter geachtet, sondern auf die Spiele, die trotz Elfer-Paraden von Buffon nicht gewonnen wurden.

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2002 schied Italien im Achtelfinale der Weltmeisterschaft gegen Südkorea aus, obwohl Gigi Nazionale einen wichtigen Elfmeter hielt, aber dann durch ein Golden Goal von Jung-hwan Ahn die Heimreise antreten musste. 2003 parierte er im Champions-League-Finale gegen Milan zwei Mal im Elfmeterschießen; Milan gewann dennoch die Trophäe. 2008 hielt er auch einen Elfmeter im Viertelfinale gegen Spanien, die Iberer wurden ein paar Tage später Europameister.

Das einzige wichtige Spiel in seiner Karriere, das er im Elfmeterschießen für sich entscheiden konnte, war das WM-Finale gegen Frankreich: Buffon hielt nicht einen der Schüsse vom Punkt, David Trezeguet hämmerte seinen Versuch an die Querlatte.

Der Retter in der Not

Aber Buffon gilt nicht nur auf dem Platz als der Fels in der Brandung, wenn die berühmte italienische Abwehrmaschinerie ins Stocken gerät. Seine Kabinen-Ansprachen sind legendär. Er weiß seine Mannschaftskameraden am Stolz zu packen, sie dazu zu bringen, mehr aus sich rauszuholen. Die Reden haben philosophischen Charakter, sind lange, tiefgründige Monologe, die nach Aussagen einiger seiner Mitspieler ob ihrer Intensität Gänsehaut verursachen.

Dies trug wohl auch dazu bei, dass Buffon 2006 mit Italien bis zuletzt durchhielt und sich den Weltmeister-Pokal sichern konnte. Es war eine wichtige Trophäe, nicht nur für ihn, sondern auch für ein ganzes Land, das nur wenige Monate zuvor einen Manipulationsskandal durchleben musste, der Fußball-Italien bis auf seine Grundfeste erschütterte.

Italien verlor den Glauben an ein nationales Heiligtum, den Sport, der das Leben so vieler Menschen entscheidend beeinflusste und vielen jungen Menschen ohne Perspektive Hoffnung auf eine bessere Zukunft bot. Gigi spielte auch dieses Mal eine Rolle, jedoch nicht durch die Beteiligung der Machenschaften seines Vereins.

Weltmeisterlicher Gang in die Zweitklassigkeit

Seine darauffolgenden Handlungen zeugten von Solidarität und Loyalität. Eigenschaften, die der Weltfußball heutzutage größtenteils vermissen lässt und die viele Fans - auch von konkurrierenden Lagern - nachhaltig beeindruckte. Als Weltmeister trat er zusammen mit Alessandro Del Piero den zwangsläufigen Gang in die Serie B mit der Alten Dame an und half dem Traditionsverein durch dessen größte Krise.

"Ich schuldete es den Juventini. Es wäre zu einfach gewesen, zu gehen und die Mannschaft im Stich zu lassen", begründete er seinen Verbleib.

Und wie so oft nahm er auch diesen steinigen Weg mit seiner positiven und erfrischenden Art auf sich: "Ich bin auch froh, wenn ich in der Serie B spielen kann. Ich nahm diese Herausforderung an. Mir ging es darum, Spaß zu haben, das ist das Wichtigste, auch wenn viele Leute alles dafür tun, diesen essenziellen Bestandteil des Fußballs in die Vergessenheit zu verbannen."

Als den schwierigsten Abschnitt seiner Karriere bezeichnet er die Zeit nach der Serie B, als Juventus jahrelang nicht mehr an die alten Erfolge anknüpfen konnte und erst die Ankunft Antonio Contes wieder Titel nach Turin brachte: "Als wir den Scudetto geholt haben, die Emotionen, die dann hochgekocht sind, die hätte ich bei keiner anderen Mannschaft mit dieser Intensität gespürt."

Träumen, um zu leben

Mit 37 Jahren steht Buffon nun vor der Krönung seiner langen, erfolgreichen, aber auch polarisierenden Karriere. Es wird wohl das letzte große Endspiel seiner Laufbahn sein - und die letzte Möglichkeit, seine Trophäensammlung zu erweitern.

Es ist sein großer Traum, in seinem "Wikipedia-Eintrag Champions-League-Sieger lesen zu können". An diesem Ziel hat er trotz seines fortgeschrittenen Fußballer-Alters immer festgehalten.

"Allzu oft lassen wir uns von der Negativität um uns herum bremsen, viel zu oft fügen wir uns einem Schicksal, dass andere uns zuteilen. Man hört auf zu träumen, wenn man ein gewisses Alter erreicht hat oder eine gewisse Position bei der Arbeit einnimmt, die uns zwar Unabhängigkeit verspricht, aber unsere Wahrnehmung und Kreativität beeinträchtigt. Ohne Träume beschränkt sich alles auf das Überleben; man ist nicht mehr der Hauptdarsteller seines eigenen Lebens, sondern nur eine farblose Figur, die vergessen hat, wie man lebt."

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Seite 2: Loyalität, Träume und das Elfer-Paradoxon

Gianluigi Buffon im Steckbrief