"Alle Voraussetzungen für La Decima"

Von Daniel Reimann
Luis Figo (l.) gewann 2002 mit Real Madrid die Champions League
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SPOX: Was ist mit Atletico Madrid? Sind Sie überrascht von deren Auftreten?

Figo: Atletico erfüllt die Außenseiterrolle bestmöglich. Die Manschaft hat ein brutal effektives Spiel verinnerlicht und einen kampfeslustigen Trainer. In der Champions League machen sie gerade außergewöhnliche Fortschritte.

SPOX: Die italienischen Teams hingegen können seit Inters Titel 2010 kaum noch mithalten. Weshalb?

Figo: Die Serie A ist immer schwer zu gewinnen. In den letzten Jahren hat die Liga an Wettbewerbsfähigkeit verloren, teilweise auch aus wirtschaftlichen Gründen. Nichtsdestotrotz beherbergt sie immer noch tolle Teams und fantastische Spieler.

SPOX: Die besten Spieler werden jährlich mit dem Ballon d'Or ausgezeichnet. Bastian Schweinsteiger bemängelte, dass Defensivspieler dabei zu wenig Beachtung erhielten. Geben Sie ihm Recht?

Figo: Die Offensivspieler sind nun einmal die, die am meisten Aufmerksamkeit von Fans und Medien produzieren. Auch deshalb ging der Ballon d'Or nur selten an einen Verteidiger oder Mittelfeldspieler.

SPOX: Aber sind Spieler wie Schweinsteiger, Lahm, Busquets oder Xabi Alonso nicht genauso wichtig für ihr Team wie ein Ronaldo für Real oder ein Messi für Barca?

Figo: Ja, auf jeden Fall. Sie sind alle hochveranlagt und besonders wichtige Spieler für die Balance in der Mannschaft.

SPOX: Bei Madrid ist Ronaldo ein Star unter vielen, die Nationalmannschaft Portugals wird hingegen oft auf ihn reduziert. Wie viel wäre Portugal noch ohne ihn wert?

Figo: Ronaldo ist zweifellos sehr wichtig für Portugal. Aber wir haben auch so ein gutes Team mit vielen anderen exzellenten Spielern neben Ronaldo. Aber Portugal ist definitiv abhängiger von Ronaldo als Real Madrid.

SPOX: Bei der WM in Brasilien trifft Portugal in der Gruppenphase auf Ghana, die USA und Deutschland. Hat die Auslosung die Erwartungen in Ihrem Heimatland ein wenig gedämpft?

Figo: Bei einer WM gibt es keine einfachen Gruppen oder offensichtliche Prognosen. Portugal muss seine Rolle unabhängig davon so gut spielen, wie es nur geht und ohne Rechnerei versuchen so weit wie möglich zu kommen.

SPOX: Die "goldene Generation" um Sie, Deco, Rui Costa und Co. holte nie einen Titel. Wie stehen die Chancen für die aktuelle Generation? Hat Sie das Zeug zum Titelkandidaten?

Figo: Unsere Generation hat damals extrem vom Jugendfußball profitiert. Wir haben überragende Spiele gezeigt. Bei der EM 2004 im eigenen Land haben wir die Hoffnungen von elf Millionen Portugiesen beflügelt, genauso wie bei der Weltmeisterschaft in Deutschland 2006. Für das Wohl meines Landes hoffe ich, dass es die aktuelle Generation noch besser macht. Wir haben derzeit ein tolles Team. Natürlich sind wir kein Titelfavorit, aber wir haben Außenseiterchancen.

SPOX: Wer ist dann Ihr Titelfavorit Nummer 1?

Figo: Brasilien ist der absolute Favorit, danach kommen Argentinien und Deutschland. Spanien ist ebenfalls sehr stark, aber die Geschichte des Fußballs hat uns gelehrt, dass es statistisch unwahrscheinlich ist, dass eine Mannschaft zwei Weltmeisterschaften in Folge gewinnt. Dazu gibt es eine Gruppe von Außenseitern, zu der Italien, die Niederlande, England und Portugal gehören. Und Belgien hat das Potenzial zur großen Überraschung.

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