"Neapel liebt Fußball heiß und innig"

Von Interview: Michael Stricz
Gökhan Inler kam 2011 von Udinese Calcio zum SSC Neapel
© getty
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SPOX: Neapel hat ähnlich wie Dortmund eine sehr rasante Entwicklung genommen. Müssen Sie die Euphorie im Umfeld manchmal bremsen? Die Fans sprechen jetzt schon vom Scudetto.

Inler: Wir müssen mit beiden Füßen auf dem Boden bleiben und von Spiel zu Spiel schauen. Im Fußball können sich die Dinge schnell ändern und die Saison läuft ja erst einen Monat. Es geht nur mit harter Arbeit.

SPOX: Sie sind bereits seit 2007 in Italien. Was macht den Reiz der italienischen Liga aus?

Inler: Die Liga ist sehr ausgeglichen, das macht es so spannend. Mir gefällt es sehr gut in Italien.

SPOX: Die italienische Liga ist nicht mehr so stark wie früher. Kommt jetzt mit Stars wie Gomez oder Higuain der Aufschwung?

Inler: Ich bin da anderer Meinung. Jede europäische Mannschaft weiß, dass es gegen italienische Gegner schwierig ist. Dass sich so hervorragende Spieler wie Gomez und Higuain für Italien entschieden haben, erhöht natürlich die Attraktivität des italienischen Fussballs.

SPOX: Sie waren vor der Saison 2012 auch beim FC Bayern im Gespräch. Sie scheinen in den Champions-League-Spielen Eindruck hinterlassen zu haben. Ehrt Sie das Interesse?

Inler: Natürlich. Bayern ist ein sehr großer Verein und eine super Adresse. Aber das ist Vergangenheit und ich konzentriere mich zu 100 Prozent auf Napoli, ich will hier Großes erreichen.

SPOX: Mit Xherdan Shaqiri spielt ein Nati-Kollege von Ihnen in München. Gefällt es ihm in München? Was hat er Ihnen verraten?

Inler: Ja, es gefällt ihm sehr gut.

SPOX: Sollte er mehr spielen?

Inler: Das tut er ja im Moment. Er ist ein sehr wichtiger Spieler, der auch wenn er eingewechselt wird, immer etwas bewegen kann. Er ist aber noch sehr jung und braucht Geduld. Der Wechsel zum FC Bayern war ein sehr großer Schritt. Aber er ist ein sehr selbstbewusster, talentierter Spieler und er wird das schaffen. Ich traue ihm das zu.

SPOX: Apropos Nationalmannschaft, Sie haben sich in den letzten zwei Jahren unheimlich stabilisiert. Was hat sich verändert?

Inler: Nach der WM 2010 in Südafrika hat unter Trainer Ottmar Hitzfeld eine neue Ära begonnen. Verdienstvolle Spieler wie Streller, Frei, Huggel und Yakin sind zurückgetreten. Viele junge Spieler schafften den Sprung ins A-Team.

SPOX: Hitzfeld hat sie auch zum Kapitän gemacht.

Inler: Das war etwas, das mich sehr stolz gemacht hat. Die Zeit unter Hitzfeld ist sehr positiv, wir haben ein gutes Verhältnis und sprechen sehr viel. Und bei den Nationalmannschaftsterminen versuche ich auch, den Teamgeist zu fördern.

SPOX: Geben Sie uns ein Beispiel?

Inler: Zusammen essen oder Kegeln. Einfach etwas zusammen unternehmen, sodass wir als Team zusammenwachsen. Es ist wichtig, dass wir gemeinsam auch einmal Spaß haben, ohne dass der Fußball im Vordergrund steht. Wie ich das Team führe, wird auch von Hitzfeld geschätzt.

SPOX: In der WM-Qualifikation gab es aber einen kleinen Schandfleck. Gegen Island haben sie 4:1 geführt und gingen am Ende mit 4:4 vom Platz. Sie selbst waren gelbgesperrt. Was ging Ihnen da durch den Kopf?

Inler: Es war natürlich sehr schwierig für mich, der Mannschaft nicht helfen zu können. Als es 4:1 stand, habe ich mir gedacht, wir haben das Ding im Sack. Wir haben dann völlig die Stabilität verloren. Für mich war es ein Schock, wie für für meine Teamkollegen auch. Das passiert ja nicht oft. Übrigens: Deutschland ist dies gegen Schweden auch passiert, nach einer 4:0-Führung. So ist Fußball.

SPOX: Sie und Diego Benaglio haben nach dem Spiel eine Spielersitzung einberufen und dort auch das Wort ergriffen. Wie haben Sie die Mannschaft angepackt?

Inler: Wir haben über positive Dinge gesprochen, nichts Negatives. Jeder konnte sich äußern. Wir haben eine junge Mannschaft, die in den letzten Jahren sehr viel geleistet hat, das darf man nicht vergessen. Das Gespräch war sehr wichtig, um uns klarzumachen, dass es noch drei sehr wichtige Spiele gibt. Der 2:0-Sieg in Norwegen zeigte, dass es gewirkt hat.

SPOX: Ihnen wird von Journalisten und Kollegen eine hohe Sozialkompetenz bescheinigt. Liegt darin für Sie das Geheimnis, eine Mannschaft als Kapitän zu führen?

Inler: Das denke ich schon. Es ist sehr wichtig, den richtigen Ton zu finden. Ich bin kein Lautsprecher. Es gilt, die positiven Dinge im Dialog hervorzuheben, die Stärken zu stärken, verstehen Sie? Das ist meine Philosophie. Jeder Spieler weiß selbst, wenn er etwas schlecht gemacht hat. Ich muss Ihn wieder stark machen. Die Mannschaft muss "gesund" sein, das erreicht man durch positives Denken. Nur so kann man gemeinsam erfolgreich sein.

Seite 1: Inler über die Besonderheit Neapels, den BVB und Rafael Benitez