Mats Hummels: "Es ist einfach nur krank"

Von Für SPOX im Santiago Bernabeu: Jochen Tittmar
Mats Hummels war der Fels in der Brandung für den BVB im Bernabeu
© imago

Borussia Dortmund steht im Champions-League-Finale 2013! Bester Mann im Rückspiel bei Real Madrid war Mats Hummels. Der BVB-Innenverteidiger spricht im Interview über die dramatische Schlussphase bei der 0:2-Niederlage, die Dimension des Erfolgs und das Gipfeltreffen mit dem FC Bayern am Samstag.

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Frage: Herr Hummels, 0:2 verloren und dennoch im Finale. Haben Sie das überhaupt schon verarbeitet?

Mats Hummels: Nein, noch nicht so ganz. Das ist dann doch etwas zu groß, um es direkt nach dem Spiel sofort begriffen zu haben.

Frage: Sie haben nach dem Schlusspfiff mit der Faust auf den Boden gehauen.

Hummels: Ja, das war in dem Moment einfach die pure Erleichterung. Wir hatten das Spiel von der 15. bis zur 80. Minute eigentlich komplett unter Kontrolle. Das dann bei den vielen und großen Chancen, die wir hatten, noch abzugeben, wäre eine Sache gewesen, die uns bestimmt noch sehr, sehr lange beschäftigt hätte.

Frage: Dortmund ist schwer ins Spiel gekommen. Lag das auch an der Atmosphäre, die gerade zu Beginn unglaublich intensiv war?

Hummels: Das kennen wir ja von uns. Wenn wir in Dortmund voll nach vorne spielen und die Massen hinter uns stehen, ist es für einen Gegner immer schwer, richtig dagegen zu halten. So erging es uns in Madrid nun auch. Ich behaupte aber einmal als Nicht-Stammgast, dass man das Bernabeu so laut wohl selten erlebt hat. Die Atmosphäre in den ersten 15 Minuten war schon wirklich extrem.

Frage: Nach einer Viertelstunde kam der BVB besser ins Spiel. Bis zur 80. Minute lief die Partie dann eigentlich nach Plan...

Hummels: Ja, sie haben ja auch nicht mehr dran geglaubt. Wohl niemand im Stadion hat noch gedacht, dass Real das Ding noch irgendwie drehen kann. Das 1:0 fiel dann komischerweise aber zu einfach: Ein langer Ball, der verlängert wurde und auf einmal laufen sie relativ unbedrängt auf unsere Viererkette zu. Ich weiß nicht, ob man da jemandem einen Vorwurf machen soll. Im Gegenteil: Jeder, der auf dem Platz stand, hat sich wirklich den Arsch aufgerissen. Das Tor hat aber natürlich dafür gesorgt, dass bei 75.000 Zuschauern der Glaube wieder gekommen ist, das tatsächlich noch zu schaffen.

Frage: Daraufhin ist die Mannschaft doch noch etwas ins Schwimmen geraten.

Hummels: Das war ähnlich wie unser Heimspiel gegen Malaga. Da hatten wir in der zweiten Halbzeit auch nicht die Torchancen im Zwei-Minuten-Takt. Manchmal reicht eben ein Treffer, damit der Glaube wieder befeuert wird - bei Mannschaft und Fans. Dazu kommt, dass den Gegner auf einmal Zweifel befallen. Ich glaube, das 1:0 hat genau das ausgelöst, weil wir davor einfach das Gefühl hatten, durch zu sein. Wir hatten es einfach verpasst, ein oder sogar zwei Tore zu schießen.

Frage: Und dann wurden auch noch fünf Minuten Nachspielzeit angezeigt.

Hummels: Wir haben es in diesen letzten Minuten aber für meine Begriffe richtig gut gemacht: Wir haben die Bälle gehalten oder sie zum Teamkollegen geklärt. Klar, Reals Mittelfeld war da natürlich komplett verwaist, sie standen ja mit sieben Mann vorne drin. Aber ich finde, wir sind in der Nachspielzeit an sich gar nicht mehr so großartig unter Druck geraten.

Frage: Dennoch: Wie lange haben sich diese fünf Minuten angefühlt?

Hummels: Kürzer als ich dachte, muss ich ehrlich sagen. Als die fünf Minuten angezeigt wurden, dachte ich noch: Das muss jetzt aber nicht sein. Als abgepfiffen wurde, war ich aber wirklich der Meinung, dass noch ein oder zwei Minuten zu spielen sind.

Frage: Letztlich ist all das Makulatur: Der BVB steht im Finale. Wie war die Stimmung in der Kabine kurz nach Abpfiff?

Hummels: Sehr gelöst. Jeder war glücklich, jeder war mit sich im Reinen. Wir sind jetzt aber nicht komplett ausgetickt. Es war eine Mischung aus Erleichterung und Freude.

Frage: Wie groß ist der Erfolg im Vergleich zu den Titelgewinnen der letzten beiden Jahre?

Hummels: Das Finale an sich ist natürlich schon einmal ein riesengroßer Erfolg. Wenn ich aber an die emotionalen Momente der ersten Meisterschaft denke, dann müsste jetzt schon der Titel her, damit das mithalten kann.

Frage: Dann ordnen Sie doch bitte einmal den Finaleinzug in die Entwicklung des Vereins der letzten Spielzeiten ein.

Hummels: Es ist einfach nur krank, was in den fünfeinhalb Jahren, die ich jetzt in Dortmund spiele, beim BVB passiert ist. Das hätte mir mal einer erzählen sollen, als ich hier hergekommen bin und wir auf Platz 13 standen...Ich kann es im Moment aber einfach nicht einordnen. Fragen Sie mich noch einmal, wenn wir den Pott gewinnen sollten.

Frage: Barcelona oder Bayern - mit welchen Gefühlen werden Sie sich das zweite Rückspiel am Mittwoch ansehen?

Hummels: Ich werde wohl noch nie so entspannt ein Fußballspiel verfolgt haben wie dieses. Es ist für uns ziemlich egal, welche der beiden Weltklassemannschaften weiterkommen wird. Man kann doch aber sehr sicher davon ausgehen, dass das die Bayern in der aktuellen Verfassung nach Hause bringen werden.

Frage: Gegen den Rekordmeister geht es auch am Samstag in der Liga. Welche Bedeutung wird dieses Spiel haben?

Hummels: Für das Champions-League-Finale keine (lacht). Da wir zu Hause spielen und die Bayern 14 von 14 Rückrundenspielen gewonnen haben, geht es für uns darum, dass sie zumindest unser Stadion nicht als Sieger verlassen.

Mats Hummels im Steckbrief