Mission Ritterschlag

Von Fatih Demireli
Franck Ribery war in dieser Saison an 33 Toren beteiligt
© getty

Bayern Münchens Franck Ribery spielt die beste Saison seiner Karriere, die er einer enormen Entwicklung zu verdanken hat. Mitspieler und Trainer adeln ihn, doch der große Wurf steht noch aus: Der Champions-League-Titel. Ein Sieg gegen Borussia Dortmund könnte einen wichtigen Nebeneffekt auslösen.

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Bastian Schweinsteiger wollte nicht verraten, wann und wo dieses Gespräch stattfand. Klar ist nur, dass es fruchtete, was der Vizekapitän des FC Bayern im Einzelgespräch mit Franck Ribery zu sagen hatte. "Franck", sprach Schweinsteiger, "wenn du hinten einen Ball abgrätschst, applaudieren die Zuschauer. Wenn Philipp das macht, klatscht keiner. Das wird von ihm erwartet."

Nun, Franck Ribery ist sicherlich kein ausgeprägter Profilneurotiker, dass er nach fortwährendem Applaus lechzt. Aber so oft, wie der Franzose in dieser Saison Defensivzweikämpfe führte und diese in den meisten Fällen gewann, muss man eine Zuneigung zum kollektiven Geklatsche fast vermuten.

Ribery und der Catenaccio

Symbolcharakter hatten beide Duelle gegen den FC Barcelona im Champions-League-Halbfinale. Ribery bildete auf der linken Seite mit David Alaba so einen starken Defensivverbund, dass jedem Catenaccio-Fanatiker die Tränen ins Auge geschossen sein mussten.

Der Franzose übertrieb es mitunter sogar mit seinen Defensivläufen. War vor den Spielen die Frage, wie sich Ribery gegen Barcelonas Rechtsverteidiger Dani Alves durchsetzen könnte, änderten sich die Rollen während der Begegnungen. Nach dem Hinspiel, das 4:0 endete, setzte Ribery wieder mal sein berühmt-berüchtigtes Grinsen auf: "Ich war heute wie ein Linksverteidiger."

Riberys Art und Weise gefällt beim FC Bayern. Schweinsteiger sieht eine fundamentale Fortentwicklung beim Franzosen, die wohl auch er mit dem einschneidenden Gespräch - mutmaßlich zu Saisonbeginn - mitverantwortet: "Franck hat einen Schritt nach vorne gemacht. Er wird immer daran gemessen, was er in der Offensive macht. Für mich ist er am wertvollsten, wenn er auch nach hinten arbeitet. Und das macht er sehr gut."

Sammer: "Anerkennung in der Mannschaft"

Sportvorstand Matthias Sammer sieht es ähnlich. "Die größte Anerkennung von ihren Mitspielern in dieser Saison bekommt er wie auch Arjen Robben nicht, weil sie spektakulär nach vorne spielen, sondern weil sie sehr diszipliniert gegen den Ball arbeiten. Franck und Arjen haben unglaublich an Ansehen gewonnen in dieser Mannschaft."

Ribery ist derzeit nicht nur in seiner besten Verfassung, seit er beim FC Bayern ist, sondern auch in seiner komplettesten. Ein überragender Techniker war er immer; schon in der vergangenen Saison kam die Defensivarbeit, der er jetzt noch nachhaltiger als je zuvor nachgeht, dazu. Das Ganze gepaart mit einer Effektivität, die auch nicht immer dieses extravagante Niveau hatte.

Große Effektivität

In 41 Pflichtspielen, die Ribery in dieser Spielzeit für den FC Bayern absolvierte, war er an unfassbaren 33 Toren beteiligt. Eine Statistik besagt, dass der FC Bayern in der Bundesliga noch kein Spiel verlor, wenn Ribery traf. Wie am vergangenen Wochenende in Mönchengladbach, als er Hauptverantwortlicher der Aufholjagd des 1:3 war. Das Tor zum 3:3 war purer Wahnsinn.

Dass er nach dem Spiel Philipp Lahm für die Flanke dankte, anstatt sich selbst zu feiern, ist auch eine Facette des neuen Ribery. Er ist gereift, ohne seine Unbeschwertheit zu verlieren und längst Führungsspieler. Nach sechs Jahren FC Bayern war er zuletzt erstmals Kapitän: "Das zeigt, dass der Trainer mir vertraut, aber auch wie gut unser Verhältnis zueinander ist. Ich fühle mich wie Zuhause."

Karriereende in München

Deswegen will Ribery auch beim FC Bayern verlängern - am liebsten bis 2018 oder 2019, um die Karriere in München ausklingen zu lassen - und nicht wie einst geplant in Frankreich.

Jupp Heynckes, der früh wusste, wie er den sensiblen Ribery anzupacken hatte, würde den Schritt, den auch die Bayern-Verantwortlichen in Erwägung ziehen, verstehen: "Franck hat eine super Saison gespielt - wahrscheinlich die beste seiner Karriere." Ribery pflichtet ihm dabei, spricht auch von seiner "besten" Spielzeit.

Diese gilt es jetzt im wichtigsten Spiel des Jahres nochmals zu vergolden - und einen der wenigen Makel in der Karriere der Nummer 7 des FC Bayern auszumerzen.

Schlechte Erinnerungen

Das Champions-League-Finale gegen Borussia Dortmund könnte für Ribery der Ritterschlag werden, der ihm bisher in der Königsklasse verwehrt blieb. Franck Ribery in der Champions League - das war bis vor dieser Saison noch ein Kapitel mit Schattenseiten.

2010 verpasste er das Endspiel in Madrid gegen Inter Mailand, weil er im Halbfinal-Hinspiel Olympique Lyons Lisandro Lopez überhart und unnötig foulte und trotz aller juristischen Anstrengungen bis zum Finale gesperrt blieb. Bayern verlor 0:2 und vermisste Ribery schmerzlich.

Es war damals der Gipfel einer schwierigen Saison mit zwischenmenschlichen Problemen mit Trainer Louis van Gaal, aber auch mit zahlreichen Wechselgerüchten und Schlagzeilen außerhalb des Platzes. Wäre der Niederländer noch länger blieben, wäre Ribery möglichweise heute nicht mehr beim FC Bayern. "Das war eine schwierige Zeit, in der ich den Spaß verlor", sagt er immer wieder.

2012 bekam Ribery mit dem FC Bayern eine neue Chance - aber der Filigrantechniker blieb gegen den FC Chelsea blass, weil er mit der konstruktiven Spielweise der Engländer nichts anfangen konnte. Als er in der Verlängerung elfmeterreif gefoult wurde, war für den verletzten Ribery frühzeitig Schluss, sodass er auch als sicherer Schütze für das Elfmeterschießen ausfiel.

Ribery: Weltfußballer des Jahres?

Jetzt bekommt er in London den dritten Matchball - und diesmal soll der Versuch sitzen. "Das bedeutet mir sehr, sehr viel", sagt Ribery. "Es war schon immer mein Traum, die Champions League zu gewinnen. Ich will das unbedingt. Dafür tue ich einfach alles."

Der Champions-League-Titel könnte für Ribery für ein weiteres Ziel eine bedeutsame Wirkung haben: Die Wahl zum Weltfußballer. "Das hat keine Priorität", sagt Ribery. "Aber es ist ein Traum, an dem ich immer gearbeitet habe. Wenn wir die Champions League und den Pokal gewinnen, dann wird man sehen."

Sein Ex-Trainer Ottmar Hitzfeld räumt ihm "gute Chancen" für den Ballon D'or ein. Schweinsteiger ist sicher gleicher Meinung, aber das wird ihm der Vizekapitän schon persönlich sagen.

Franck Ribery im Steckbrief