Die Lehren des Gegenangriffs

Von Jochen Tittmar
Überraschung verpasst: Der BVB verliert das Finale in Wembley gegen die Bayern mit 1:2
© imago

Nach zwei Jahren der nationalen Dominanz hat der FC Bayern München Borussia Dortmund in dieser Saison deutlich in die Schranken gewiesen. Der BVB hat seinen Anspruch, der zweite Leuchtturm des deutschen Fußballs zu sein, jedoch weiter zementiert - auch international. Das bedingt für die Borussia nun einen Wandel.

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"Dieses Ergebnis fühlt sich ein bisschen scheiße an", sagte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke am frühen Sonntagmorgen auf der After-Match-Party im Londoner National History Museum ungeschönt. Sein Klub hatte wenige Stunden zuvor die Gelegenheit verpasst, Endspielgegner Bayern München durch den Gewinn der Champions League einen gehörigen Stich ins Herz zu versetzen.

Es kam in Wembley anders und damit trat das Gegenteil ein: Der nationale Rivale hat die Borussia nach zwei Jahren der Dominanz im direkten Duell wieder deutlich in die Schranken verwiesen.

Nach der für Dortmund nun beendeten Spielzeit 2012/2013 geht der Vergleich uneingeschränkt an die Münchner. Lediglich in London kam der BVB in die Nähe, Bayerns scheinbaren Nimbus der Unbesiegbarkeit zu durchbrechen.

Die Roten sind den Schwarzgelben in sportlicher Hinsicht innerhalb von zehn Monaten somit gehörig übers Maul gefahren. Inklusive Wembley schaffte es Dortmund in fünf Pflichtspielen dieser Saison nicht, eines der in den beiden Vorjahren fünf Mal in Serie erfolgreich bestrittenen Duelle für sich zu entscheiden.

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So entgingen dem BVB drei mögliche Titel (Supercup, DFB-Pokal, Champions League), die erneute Titelverteidigung in der Liga war nach einer Mischung aus Münchner Konstanz und Dortmunder Fahrlässigkeit bereits frühzeitig unerreichbar.

Erhebliche Irritationen

Auch wenn sich die Borussia gerne als Underdog im Vergleich mit dem FC Bayern illustriert und damit auch nicht vollkommen verkehrt liegt: Das Zeugnis dieser Runde wird beim BVB einen gewissen Nachhall auslösen. Mehr noch: Das Verhältnis zwischen beiden Klubs hat sich verschlechtert, die sportliche Entwicklung des letzten Jahres hat daran jedoch nur geringen Anteil.

Die Posse um den Wechsel von Mario Götze, dazu das andauernde Theater um Robert Lewandowski, der aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls gen Süden abwandert, haben in Dortmund für erhebliche Irritationen gesorgt. Eine Beruhigung der angespannten Situation ist nicht in Sicht.

Dabei zeigt dieses Aufleben der Rivalität aus den 1990er Jahren andererseits, dass Borussia Dortmund durch die letzten drei Spielzeiten seinen Anspruch, der zweite Leuchtturm im deutschen Fußball zu werden, fest zementiert hat. Die Bayern wollen Dortmunds Spieler, weil sie derart gut sind und für München eine eindeutige Verstärkung darstellen. Das ist für Dortmund ärgerlich und Anerkennung zugleich.

Konsolidierung ist gefragt

Dass am vergangenen Samstag sogar beide Vereine um die Krone im europäischen Klubfußball kämpften, verdeutlicht nicht nur die neue Intensität dieses Zweikampfs, sondern hat die Borussia nach dem blamablen Vorjahr auch international wieder auf die Landkarte gehievt.

Zur neuen Saison bedingt die seit 2010 anhaltende Glanzzeit mit dem Höhepunkt CL-Finale nun jedoch auch einen Wandel für den Verein.

Dortmund will und muss vielmehr nun den Eindruck der vergangenen drei Jahre bestätigen. Die neuen finanziellen Dimensionen sind so zu handhaben, dass auch in Zukunft eine Verstetigung der sportlichen Erfolge garantiert ist.

Dortmund am Tag nach dem Finale

"Am Ende haben wirklich ein paar Körner gefehlt", gestand Kapitän Sebastian Kehl nach der späten Pleite in England. Trainer Jürgen Klopp kündigte an, dass sich durch einige Neuzugänge das Gesicht des Teams verändern wird - um sicher zu stellen, zukünftig mit einer gestärkten Kaderbreite und dem damit ermöglichten Rotationsspielraum die benötigten Körner nicht auf der Reise zu verlieren. In dieser Beziehung darf der FC Bayern ruhig als geeignetes Vorbild herhalten.

"Wir werden massiv angreifen!"

Dazu wird der BVB wie auch nach den Abgängen von Nuri Sahin und Shinji Kagawa sein Spiel anpassen müssen, wenn neben Götze auch Lewandowski abspringen sollte.

Die erfolgreiche Umsetzung dieser Maßnahmen sind dem BVB zuzutrauen, das Ausmaß der Aktivitäten wird aber neu sein und Zeit benötigen. Nicht umsonst fasste Klopp am Samstag im Bauch des Wembley-Stadions eher Berlin als Lissabon ins Auge, um noch einmal in ein internationales Endspiel einzuziehen.

"Wir werden eine Mannschaft präsentieren, die nächste Saison wieder alles raushaut. Die wieder ambitioniert ist. Und die ebenso gut sein wird. Wir werden massiv angreifen, da können alle ganz sicher sein!", richtete Watzke in der englischen Kapitale aus. Das klang zumindest nicht so bescheiden wie das Ergebnis.