Aus zwei mach drei

Von Jochen Tittmar
Nach dem Ausfall von Mario Götze (l.) hat Kevin Großkreutz (r.) guten Einsatz-Chancen
© getty

Borussia Dortmund muss im Champions-League-Finale am Samstag gegen Bayern München (20.30 Uhr im LIVE-TICKER) den Beweis antreten, den Ausfall des verletzten Mario Götze auffangen zu können. Es riecht nach einer Systemumstellung. Die Vor- und Nachteile des 4-5-1.

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Der Flughafen London-Stansted ist dafür bekannt, Billigfluglinien abzufertigen. Er liegt vom Stadtzentrum gute 45 Minuten mit dem Expresszug entfernt. Borussia Dortmund ist am Freitag dort gelandet, kam aber keinesfalls mit einem Billigbomber in der Finalstadt an.

Im Gegenteil: Neu-Sponsor "Turkish Airlines" übernahm erstmalig den Transfer des Klubs und wartete mit einem Flieger auf, der zum Teil in schwarzgelb gehalten war. Die Dortmunder mussten nach der Landung auch nicht auf Schienen Richtung Teamhotel aufbrechen. Der Mannschaftsbus wartete in Stansted bereits auf die Truppe und brachte sie nach einiger Zeit auf den vollgestopften Straßen Londons sicher in die Unterkunft nahe Watford.

Nicht mit im Gepäck hatte der BVB-Tross den verletzten Mario Götze, der aufgrund einer Zahnoperation erst am Samstag nachreist und zur moralischen Unterstützung das letzte Pflichtspiel seines baldigen Ex-Klubs begleiten wird.

Durch Götzes Ausfall muss Dortmund das Endspiel nun mit Plan B bestreiten. Es bleibt ungewiss, wie dieser genau aussieht.

Systemänderung wahrscheinlich

Trainer Jürgen Klopp war auf der abschließenden Pressekonferenz in Wembley nicht bereit, sich in die Karten schauen zu lassen. Er ließ aber wissen, dass Götzes Fehlen für ihn ohnehin nicht überraschend kam.

"Das dachte ich mir schon nach dem Madrid-Spiel. Zwischendurch hatte ich mal Hoffnung, aber es hat nicht gereicht. Es schwächt uns nicht, weil wir nicht damit gerechnet haben. Seit drei Wochen planen wir, ohne Mario in dieses Spiel zu gehen."

Es ist äußerst wahrscheinlich, dass der Plan der Borussia vorsieht, mit einer Systemumstellung auf den Verlust zu reagieren.

Das geläufige 4-2-3-1 beizubehalten würde nämlich bedeuten, dass das Mittelfeld nicht ganz austariert daherkommt. In dieser Anordnung vertraten Marco Reus und Ilkay Gündogan den verletzten Götze zuletzt in der Liga auf der Zehnerposition.

Gündogan ist aber für das Gleichgewicht im BVB-(Aufbau-)Spiel viel zu wichtig, um ihn in dieser Partie aus der defensiveren Position zu ziehen. Reus blieb im zentral offensiven Mittelfeld relativ blass und passt mit seiner Schnelligkeit zumindest von der Grundordnung aus gesehen besser auf die Außenposition.

Großkreutz ein heißer Tipp

So erscheint es am sinnvollsten, dass der BVB wie schon bei den letzten beiden Begegnungen in München (Bundesliga und DFB-Pokal-Viertelfinale) auf ein 4-5-1 zurückgreift. Dies funktionierte gegen spielstarke Gegner bislang häufig. In der Champions League kam es erstmals beim 1:1 in der Gruppenphase gegen Manchester City zum Einsatz, Jürgen Klopp sprach danach vom besten Spiel, das seine Mannschaft unter seiner Leitung zustande brachte.

Mit einem zusätzlichen Sechser vor der eigenen Viererkette dürfte es Dortmund am ehesten gelingen, Kurzschlüsse im Münchner Maschinenraum um Bastian Schweinsteiger und Javi Martinez zu provozieren. Nur mit einem extrem verdichteten Zentrum besteht eine Chance, die Dominanz der Bayern bei Ballbesitz zu stören.

Bleibt die spannende Frage, wer neben Gündogan und Sven Bender das linke Glied der Kette geben könnte. Nuri Sahin und Kevin Großkreutz heißen die Kandidaten, wobei Sahin innerhalb dieser Systematik seit seiner Rückkehr noch nie eine Rolle spielte. Eine linke Flanke mit Marcel Schmelzer, Großkreutz und Reus - wie bei der Niederlage im Pokal - gilt als heißester Tipp.

Pässe auf die Außen verhindern

Selbst wenn die finale Besetzung am Ende anders aussehen könnte, das grundlegende Prinzip des 4-5-1 ist gegen Bayerns Ballbesitzspiel ein probates Mittel. Zwei sich aus der defensiven Dreierkette lösende Sechser pressen Schweinsteiger und Martinez, der nicht attackierende Spieler sichert den Rückraum.

Es gilt jedoch nicht nur, die beiden Münchner Sechser zu bearbeiten, sondern deren Zuspiele auf die offensiven Außen Franck Ribery und Arjen Robben zu kappen. Darin zeigt sich der defensive Ansatz des 4-5-1, da Dortmunds offensive Außen Kuba (rechts) und Reus (links) weit mit nach hinten rücken müssen, wenn sich Bayerns Außenverteidiger wie gewohnt hoch stehend in Angriffe miteinschalten und aus der Zentrale heraus mit diagonalen Zuspielen versorgt werden.

Die Aufgabe von Kuba und Reus wird zusammen mit den BVB-Außenverteidigern und im Idealfall einem aus der Dreierkette herausrückenden Sechser sein, Ribery und Robben im Spiel gegen den Ball zu doppeln sowie den Offensivdrang von Philipp Lahm und David Alaba einzudämmen.

Vorteil und zugleich Problem des 4-5-1 bleibt die defensive Ausgangslage. Beim Ligaspiel in München geriet bei Dortmunder Ballgewinnen die Distanz zwischen Mittelfeld und der einzigen Spitze Robert Lewandowski zu groß, um eine reibungslose Überbrückung der Abstände zu garantieren.

Klopp: "Kleinigkeiten entscheiden"

Der Angreifer musste Anspiele häufig in Unterzahl verarbeiten, da die Kollegen im ersten Moment des Umkehrspiels zu tief positioniert waren, um schnell nachrücken zu können. Hier ist teilweise der Mut zum Risikopass gefragt, den Dortmund beim 1:1 im Dezember vor allem im ersten Abschnitt zu selten zeigte.

Wichtig dabei demzufolge sein - zugegeben keine revolutionäre Erkenntnis -, dass Dortmund seine Umschaltbewegungen noch sicherer ausspielt als zuletzt gegen die Bayern. Im 4-5-1 muss daher häufiger schnell über die Flügel gekontert werden, anstatt langen Hafer auf Lewandowski zu schlagen. Dies bedeutet, dass Lukasz Piszczek und Schmelzer noch viel eher als sonst eine Schlüsselrolle zufällt. Sie haben die jeweiligen Spielsituationen so zu antizipieren, dass immer eine ausgewogene Balance zwischen Defensive und Offensive gewährleistet ist.

Um Reus und Kuba zu ermöglichen, auch im Zentrum zu wirbeln, müssen sie nach vorne schieben, damit das Dortmunder Offensivspiel breiter wird - und dabei nicht zu ungezügelt agieren, denn sonst rennen die schnellen Ribery und Robben bei Ballverlusten in der Offensive in ihrem Rücken davon.

Soweit die Theorie. "Das Spiel wird entschieden durch richtige Entscheidungen im richtigen Moment. Kleinigkeiten entscheiden und auf die muss man vorbereitet sein", sagte Klopp simpel, bevor sein Team erstmals den Rasen des Wembley-Stadions betrat. Nicht mehr lange und man wird zusehen können, inwiefern Dortmunds Plan und Vorbereitung gegriffen haben.

Dortmund - Bayern: Daten und Zahlen zum Spiel