Die neuen Xavi und Iniesta

Von Interview: Fatih Demireli
Wachablösung auch auf Kapitänsebene? Lahm & Schweinsteiger sowie Xavi & Iniesta
© spox

Hamit Altintop war 2009 dabei, als der FC Bayern im Camp Nou gegen den FC Barcelona mit 0:4 verlor. Hamit Altintop trug damals das Bayern-Trikot und erinnert sich an einen bitteren Abend. Doch inzwischen hat sich in München vieles geändert. Die Machtverhältnisse sieht er vor dem Rückspiel (20.30 Uhr im LIVE-TICKER) verändert.

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SPOX: Hamit Altintop, waren Sie nach dem 4:0 des FC Bayern gegen den FC Barcelona überrascht?

Hamit Altintop: Die Höhe des Ergebnisses überraschte vielleicht, weil der Gegner Barcelona hieß, aber die Spielweise überraschte mich nicht. Der FC Bayern spielt schon in der ganzen Saison einen sehr guten Fußball. Die Mannschaft hatte immer Qualität, aber dieses Jahr sind sie einfach extrem konstant.

SPOX: Barcelona hatte in München 67 Prozent Ballbesitz, aber nicht den Hauch einer Chance, gefährlich am Spiel teilzuhaben. Haben Sie eine Erklärung dafür?

Altintop: Barcelona hat traditionell immer deutlich mehr Ballbesitz, aber den haben sie meistens in der gegnerischen Hälfte und dadurch entsteht diese Dominanz. Gegen Bayern hatte Barca wieder viel Ballbesitz, aber sie haben sich die Bälle nur in der eigenen Hälfte hin und her spielen können. Bayern hat extrem kompakt und aggressiv agiert. Ribery, Robben und Gomez haben extrem gut nach hinten gearbeitet, bei Thomas Müller weiß man sowieso, dass er immer an die körperliche Grenze geht.

SPOX: Bayern scheint in dieser Saison je nach Gegner immer die richtige Lösung zu finden.

Altintop: Der große Vorteil ist, dass sich die Mannschaft so gut kennt wie keine andere. Die Entwicklung des aktuellen Teams hat schon 2007 begonnen: mit Ribery, Schweinsteiger, Lahm, van Buyten. Auch Kroos und Alaba sind schon sehr lange dabei. Man muss auch ganz deutlich sagen, dass dieses Jahr die Transfers der Bayern sehr, sehr gut eingeschlagen haben. Dazu kommt noch ein Trainer, der sich sehr gut auskennt.

SPOX: Sie kennen Jupp Heynckes seit einer halben Ewigkeit, er hat Ihnen damals bei Schalke 04 das Bundesliga-Debüt ermöglicht. Wie groß ist sein Anteil am Bayern-Erfolg?

Altintop: Jupp Heynckes ist ein super ehrlicher und lieber Mensch. Er hat an seiner Art und Weise nie etwas verändert und ist seiner Linie immer treu geblieben. Und er hat beim FC Bayern die Zeit bekommen, gezielt, aber in Ruhe zu arbeiten.

SPOX: Hat Bayern Barcelona bereits überholt oder ist das mit einem Spiel nicht zu machen?

Altintop: 2010 war ich dabei, als der FC Bayern im Champions-League-Finale gestanden hat. 2012 war die Mannschaft wieder im Endspiel und hätte, wenn man sich an das Spiel gegen Chelsea erinnert, den Sieg verdient gehabt. Wie es aussieht, kommt Bayern jetzt erneut ins Finale. Das sind drei Endspiele in vier Jahren und das ist mehr als ein Zeichen, dass man auf einer Ebene mit Barcelona ist. In der aktuellen Lage ist Bayern vielleicht sogar einen Tick besser.

SPOX: Sie kennen die Atmosphäre des Camp Nou: Kann es für die Bayern noch einmal gefährlich werden?

Altintop: Ich glaube nicht daran. Der Fußball mag von Überraschungen leben, aber die deutsche Spielweise und die deutschen Tugenden lassen im Normalfall keinen Raum für Überraschungen zu.

SPOX: 2009 hat Barca die Bayern 4:0 geschlagen, 2013 haben die Bayern den Spieß umgedreht. Was ist der eklatante Unterschied zu damals?

Altintop: Die Mannschaft, gegen die wir 2009 gespielt haben, war auf der allerhöchsten Ebene. Sie hatten eine sehr gute Mischung in der Mannschaft. Xavi und Iniesta waren damals das, was Schweinsteiger und Lahm heute sind. Heute hat sich das Bild verändert. Xavi ist 32, Schweini und Lahm sind 28 und 29. Es zeigt sich auch auf der Nationalmannschaftsebene, wie weit der deutsche Fußball ist.

SPOX: Glauben Sie, dass sich die Machtverhältnisse auf der Länderebene bald verändern werden? Spanien hat immerhin drei Titel in Folge geholt, Deutschland wartet noch.

Altintop: Das ist auf jeden Fall machbar. Lange haben die Brasilianer die Szene dominiert, nun seit Jahren die Spanier. Gut möglich, dass die Deutschen an der Reihe sind.

SPOX: Nochmal zurück zum 0:4 im Jahr 2009: Welche Erinnerungen verbinden Sie noch mit diesem Spiel?

Altintop: Wir hatten einen ganz schlechten Tag erwischt. Es war ein sehr schwieriges Jahr, weil wir unter Jürgen Klinsmann große Umstellungen hatten. In dem Spiel war es dann ganz extrem, weil viele Spieler fehlten. Philipp Lahm ist kurzfristig ausgefallen, viele andere haben gefehlt. Christian Lell hat hinten links gespielt, Breno musste spielen...

SPOX: ..und Sie mussten auch ran...

Altintop: Stimmt. Ich hatte zuvor eine Wadenverletzung und war fünf Wochen raus. Ich habe zwei Mal mit der Mannschaft trainiert, aber dann hatten wir eben wir so viele Ausfälle, dass ich plötzlich spielen durfte. Die Vorfreude war groß, aber zur Halbzeit musste ich raus. Ich war einfach nicht fit.

SPOX: Waren Sie denn nicht überrascht, dass Sie spielen mussten?

Altintop: Überrascht nicht. Irgendwann ahnte ich es, als ich die Situation in der Mannschaft sah. Ein paar Tage zuvor haben wir in Wolfsburg verloren und da war ich noch nicht dabei. Das war eine Phase, in der es einfach nicht so lief wie im Jahr zuvor, als wir im Halbfinale des UEFA-Pokals waren und sehr dominant Meister geworden sind. Ein Jahr später war alles weg.

SPOX: Mark van Bommel sagte damals: "Wir wollten dazwischen hauen. Ich wollte das, Zé Roberto wollte das. Aber der Ball war ja immer schon weg." War es so schlimm?

Altintop: Mit diesen Voraussetzungen gegen so eine Mannschaft, das war hart. Wir hatten mehr mit uns zu kämpfen als mit dem Gegner. Barcelona hat damals mit dem Fußball angefangen, mit dem sie danach Europa dominierten. Wir hatten damals vielleicht auch nicht die Möglichkeiten, die Mannschaft so zu analysieren wie heute. Damals waren sie neu.

SPOX: Wie war es im Rückspiel? Kann man sich nach einem 0:4 im Hinspiel ernsthaft motivieren oder ist es dann eine Pflichtveranstaltung?

Altintop: Nein, wir hatten ja erst neulich das gleiche Szenario mit Galatasaray. Wir haben im Bernabeu gegen Real Madrid 0:3 verloren, aber Zuhause noch einmal alles gegeben. Wir haben uns mit einem Sieg vernünftig verabschiedet. Es ist aber schon so, dass ein Tor im Hinspiel die Situation komplett verändert hätte.

SPOX: Barca wird seine Chance dennoch suchen.

Altintop: Suchen auf jeden Fall, aber Bayern hat im Hinspiel nicht nur ergebnistechnisch überzeugt, sondern hat Barcelona zum Verzweifeln gebracht. Das steckt in den Köpfen noch drin.

Bayerns Bilanz gegen Barcelona