"Ter Stegen ist nicht der Richtige"

Von Interview: Haruka Gruber
Gladbachs Marc-Andre ter Stegen soll angeblich Victor Valdes beim FC Barcelona beerben
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SPOX: Als Mitfavorit auf die Mourinho-Nachfolge gilt mittlerweile der scheidende Bayern-Trainer Jupp Heynckes.

Illgner: Er hatte bereits eine tolle Spielerkarriere und eine tolle Trainerkarriere, aber die jüngsten Erfolge geben seinem Renommee einen weiteren Schub. Im Widerspruch zu seinem Alter ist er als Typus fast schon wieder "in", weil er eine solch geballte Erfahrung mitbringt. Ich bin überzeugt: Wenn er möchte, kann er sich den neuen Verein auswählen.

SPOX: In seiner ersten Amtszeit in Madrid tat er sich schwer mit den politischen Verhältnissen und war zermürbt ob der Ränkespiele im Hintergrund.

Illgner: In dem Bereich hat sich Jupp Heynckes in den letzten Jahren sicherlich weiterentwickelt. Wobei ich sagen muss, dass ich von ihm schon zu den früheren Real-Zeiten ein sehr gutes Urteil gebildet habe. Er war damals schon sehr gelassen. Gelassener, als es womöglich in der Öffentlichkeit ankam. Er wusste damals sehr früh, dass er den Verein zum Saisonende verlassen muss, dennoch holte er das Optimale aus unserer Mannschaft heraus und gewann die Champions League. Eine Stärke vom ihm war schon damals der zwischenmenschliche Umgang. Ich weiß noch gut, welche gemischten Gefühle ich hatte, als seine Verpflichtung bekanntgegeben wurde. Mit seinem Vorgänger Fabio Capello pflegte ich ein super Verhältnis. Er wollte mich unbedingt haben und stützte mich zu jeder Zeit. Heynckes wiederum war bekanntermaßen ein enger Freund von Berti Vogts, mit dem ich 1994 nicht im Besten auseinanderging. Trotzdem verlief unsere Zusammenarbeit hervorragend.

SPOX: Passt ein eher unscheinbarer Trainer wie Heynckes zu Real?

Illgner: Da mache ich mir keine Sorgen. Ich verfolge das Umfeld von Real sehr intensiv und mehr als einmal fällt der Name Jupp Heynckes als Wunschkandidat.

SPOX: Was ist mit Barca?

Illgner: Jupp Heynckes passt überall hin und ich kann ihn mir bei jedem Klub der Welt vorstellen. Er erbrachte schon häufig den Beweis, dass er gut mit Superstars arbeiten kann und mit Talenten exzellent umgeht. In Barcelona gibt es von beiden Kategorien eine ganze Reihe und es wird eine wichtige Aufgabe im Sommer sein, junge Spieler in die Mannschaft einzubauen. Entsprechend wäre Heynckes prädestiniert für Barca.

SPOX: Für Real sehen Sie gegen Dortmund eine Chance aufs Weiterkommen. Wie groß sind die Hoffnungen für Barca auf ein Wunder gegen die Bayern?

Illgner: Aufgrund des Auswärtstreffers besitzt Madrid die wesentlich größeren Chancen. 3:0 klingt nicht unmöglich. Barca wiederum bräuchte ein 5:0 gegen ein Bayern München, das unglaublich stabil auftritt und den vielleicht besten Fußball der Vereinsgeschichte spielt. Die Bayern legten bereits eine super Saison hin und wurden zuletzt sogar noch stärker und dominierten im Viertelfinale mit Juventus die mit Abstand beste italienische Mannschaft. Ich kann mir nicht vorstellen, dass etwas passiert.

SPOX: Bei Barca war im Hinspiel die "Messidependencia", die Abhängigkeit von Lionel Messi, offensichtlich. Ist im Sommer die Zeit für eine Kaderkorrektur gekommen?

Illgner: Bei einem solch überragenden Spieler entstehen zwangsläufig Abhängigkeiten. Das gleiche ist bei Real und Cristiano Ronaldo zu erkennen. Ich weiß nicht, bei wem die Abhängigkeit größer ist. Real hat sich beispielsweise auf Kontersituationen reduziert. Wenn allerdings Ronaldo ausgeschaltet wird, fehlen Speed und Power. Beide Mannschaften müssen an alternativen Spielmodellen und Spielrichtungen arbeiten, wenn ihre Topspieler nicht dabei sind.

SPOX: Bei Barca steht ein Umbruch bevor - zumindest im Tor: Nach elf Jahren wird Victor Valdes den Verein wahrscheinlich verlassen. Als neue Nummer eins wird wiederholt über Gladbachs Marc-Andre ter Stegen spekuliert. Hat er das Format?

Illgner: Er ist sehr talentiert - aber eben auch sehr jung. Und es muss einem bewusst sein, dass so eine Geschichte in beide Richtungen losgehen kann. Wenn man bei einem so großen Klub auf dem falschen Fuß erwischt wird und der Start misslingt, würde eine Karriere deutlich markiert werden. Für mich wäre jemand anders der richtige Kandidat: Thibaut Courtois, in dieser Saison von Chelsea an Atletico Madrid ausgeliehen.

SPOX: Warum Courtois und nicht ter Stegen?

Illgner: Courtois ist sehr stark mit dem Fuß, strahlt eine unheimliche Ruhe aus. Mit seiner Spielstärke ist er genau der richtige Torwart-Typus, den Barcelona braucht. Außerdem kennt er die spanische Liga und bringt als Belgiens Nationaltorwart internationale Erfahrung mit. Daher ist er für mich der Favorit.

SPOX: Sie waren stilbildend und prägten als einer der Ersten das moderne Torwartspiel. Bei welchem Keeper erkennen Sie das meiste von sich?

Illgner: Ob ich stilbildend war, weiß ich nicht, das müssen andere beurteilen. Mir gefällt auf jeden Fall Manuel Neuer sehr. Er ist zu Recht die deutsche Nummer eins. Er ist fußballerisch stark, liest Spielzüge und versucht, den Strafraum zu beherrschen. Er sieht seine Aufgaben ähnlich vielfältig wie ich. Früher hatte es gereicht, auf der Linie zu kleben und einen Ball spektakulär zu parieren. Aber schon damals unterschied sich der sehr gute Torwart vom guten Torwart, in dem er mehr tat als nur zu halten.

SPOX: Wo reihen Sie Neuer im weltweiten Vergleich ein?

Illgner: Ohne mich auf eine Reihenfolge festlegen zu wollen, gehört Neuer zu der absoluten Topkategorie neben Casillas und Valdes, der mir in der öffentlichen Wahrnehmung immer noch zu sehr unterschätzt wird.

SPOX: Sie selbst absolvierten beim spanischen Verband erfolgreich die Ausbildung zum Sportdirektor und machten parallel den Torwart-Trainerschein. Könnten Sie sich vorstellen, als Mentor für ein aufstrebendes Torwart-Talent zu arbeiten?

Illgner: An den Seminaren zum Torwart-Trainerschein nahm ich eher aus Interesse teil, um neue Weiterbildungsmöglichkeiten wahrzunehmen. Mehr steckte nicht dahinter. Ich sehe mich vielmehr in der Position des Sportdirektors. Schon zu meiner Zeit in Köln sah man, dass Organisatorisches einiges im Argen lag. Zugleich verfolgt man, wie Dortmund ähnliche Aufs und Abs durchmachte, sich jedoch zusammenrauft und als Team ein tolles Projekt aufbaut. Diese Entwicklung dürfte für jeden Klub sehr interessant sein.

SPOX: Blicken Sie noch nach Köln?

Illgner: Über einzelne Klubs zu spekulieren wäre nicht angebracht. Die Vorstellung, als Sportdirektor zu arbeiten, ist völlig ungebunden vom Vereinsnamen. Ich möchte einfach etwas Positives bewirken, das wäre toll.

Bodo Illgner im Steckbrief