Schweinsteiger: Sehnsucht nach Vollendung

Von Thomas Gaber
Sein Elfmeter in Madrid brachte die Bayern ins Finale: Bastian Schweinsteiger
© Getty

Bastian Schweinsteiger hat in seiner Karriere schon viel erreicht, der große Wurf ist ihm aber bislang verwehrt geblieben. Im Champions-League-Finale gegen den FC Chelsea (Sa., 20.15 Uhr im LIVE-TICKER) muss er den Rhythmus vorgeben. Schweinsteiger hat schon oft Führungsqualitäten bewiesen, das Finale dahoam ist der ultimative Test, ob er eine Mannschaft auch zu einem großen Titel führen kann.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Letzten Samstag offenbarte Bastian Schweinsteiger eine leicht masochistische Ader. Während die Spieler von Borussia Dortmund das erste Double der Vereinsgeschichte auf dem Rasen des Berliner Olympiastadions ausgelassen feierten, fläzte Schweinsteiger in einem der bequemen Sportsitze der Bayern-Bank und zog sich die auf den Videoleinwänden flimmernden fünf Gegentore noch mal rein.

Kopfschüttelnd und vor sich hingrummelnd ließ Schweinsteiger die Schmach noch einmal über sich ergehen und konnte es auch im Nachklapp weder fassen, noch plausibel erklären, was sie da in den 90 Minuten zuvor abgespielt hatte.

Eine katastrophale Leistung in der Defensive mit einer stattlichen Anzahl an individuellen Fehlern hinderte den FC Bayern im DFB-Pokalfinale daran, die Negativserie gegen den BVB zu beenden und die Machtverhältnisse in Deutschland wieder ein wenig geradezurücken.

CL-Titel höhere Bedeutung als Meisterschaft

Das Gefühl, ein Pokalfinale zu verlieren, kannte Schweinsteiger bis dato nicht. Fünf Mal durfte er zuvor den Pott in den Berliner Nachthimmel stemmen. Was den nationalen Pokalwettbewerb angeht, war Schweinsteiger in den Endspielen pleitenresistent. Bei internationalen Veranstaltungen gab es für ihn dagegen noch nichts gewinnen.

Vier Mal war Schweinsteiger mit dem FC Bayern und der deutschen Nationalmannschaft auf dem Weg, einen großen Titel zu gewinnen, vier Mal ist er gescheitert. Er hat zwei WM-Halbfinals verloren, dazu das EM-Finale 2008 und das Champions-League-Finale 2010.

Kommenden Samstag soll es, vielmehr muss es klappen. "Der Champions-League-Titel hat für mich mehr Bedeutung als Meisterschaft oder DFB-Pokal. Und wenn du das Finale in deinem Wohnzimmer hast, willst du es natürlich erreichen und jetzt auch gewinnen. Es gibt keinen besseren Tag als den 19. Mai", sagt Schweinsteiger.

Lieber Bayern als Real Madrid

Kaum ein anderer Bayernspieler lechzt derart nach diesem Titel wie Schweinsteiger. Im Dezember 2010 verlängerte er seinen Vertrag beim FC Bayern vorzeitig bis 2016, weil er überzeugt war, im Trikot des Rekordmeisters die Champions League gewinnen zu können und diesen Titel auch nur mit seinem Stammverein gewinnen will.

"Es ist vielleicht einfacher mit Real Madrid oder dem FC Barcelona die Champions League zu holen, aber mit dem FC Bayern ist es viel schöner", sagte Schweinsteiger damals. Er hätte es leichter haben können; Jose Mourinho wollte ihn nach Madrid holen. Mit seinem verwandelten Elfmeter im Halbfinale zerstörte ausgerechnet Schweinsteiger den Traum der Königlichen von "La Decima", dem Landesmeistercuptitel Nr. 10.

In einer für Schwerinsteiger sehr schwierigen Saison, die gekennzeichnet war von vielen Verletzungen, bitteren Niederlagen vor allem gegen Borussia Dortmund und bislang zwei zweiten Plätzen, war der Moment des Triumphs im Estadio Santiago Bernabeu nicht nur das pure Glücksgefühl.

Es war auch ein persönlicher Triumph. Mit 27 Jahren hat Schweinsteiger als Fußballer schon viel erreicht. Er denkt nicht oft an seine vielen Titel aus Meisterschaft und DFB-Pokal, "aber ich mir es schon merken". Er hat 90 Länderspiele auf dem Buckel und wird im Juni an seinem vierten großen Turnier mit der Nationalmannschaft teilnehmen.

Schweinsteiger taugt zum Leader

Aber seine Karriere ist noch unvollendet, auch wenn er nicht die Meinung von Philipp Lahm teilt, dass große Titel unabdingbar sind, um als großer Spieler oder Goldene Generation durchzugehen. "Es gibt große Spieler, die keinen internationalen Titel gewonnen haben", sagt Schweinsteiger und zielt dabei auf seinen Kumpel Michael Ballack ab, dem der große Wurf verwehrt blieb.

Schweinsteiger bekam in seiner Karriere früh vermittelt, wie stark Erfolg machen kann. Als er 2002 in den Profikader des FC Bayern aufstieg, lag der größte Sieg der jüngeren Vereinsgeschichte gerade ein Jahr zurück. Schweinsteiger orientierte sich an Oliver Kahn und tut es auch heute noch. Auf dem Bankett nach der Pokalschmach suchte er das Gespräch mit Ehrengast Kahn und den "Tunnelblick", von dem Schweinsteiger vor den beiden Finals sprach, hat Kahn beim FC Bayern salonfähig gemacht.

Kahn gehörte zu denjenigen, die Schweinsteiger Führungsqualitäten absprachen. Dass Schweinsteiger zum Leader taugt, hat er jedoch in vielen Spielen als Mittelfeldstratege bewiesen und in Madrid war er es, der die Mannschaft in der Verlängerung zusammentrommelte und auf die letzten Minuten bzw. das Elfmeterschießen einschwor.

"Es ist der letzte Schritt"

Gegen Chelsea muss er erneut den Rhythmus vorgeben. Das Finale dahoam ist für Schweinsteiger der ultimative Test, ob er eine Mannschaft auch zu einem großen Titel führen kann.

"Es ist der letzte Schritt. Und der wird steinig, so wie das Halbfinale in Madrid. Aber wir haben die Qualität, um zu gewinnen. Und gerade durch die Niederlage gegen Inter vor zwei Jahren ist eine zusätzliche Motivation da", sagt er.

Am Samstagabend wird Schweinsteiger die wichtigsten 90 Minuten (oder 120) erleben, auch wenn er nichts vom wichtigsten Spiel seines Lebens wissen will: "Sagen wir es so: Es ist auf jeden Fall ein ganz besonderer Abend."

Bastian Schweinsteiger im Steckbrief

Artikel und Videos zum Thema