Torgefahr, wohin man blickt

Von Christian Bernhard
Zlatan Ibrahimovic erzielte in dieser Champions-League-Saison bereits vier Treffer in vier Spielen
© Getty

Der AC Milan trifft im Champions-League-Achtelfinale zum vierten Mal in Folge auf ein englisches Team. Die vergangenen Male schieden die Rossoneri immer aus. Was macht Zlatan Ibrahimovic und Co. Mut, diese Negativserie gegen den FC Arsenal zu durchbrechen? Und wo drückt momentan der Schuh? Eine Analyse.

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Milan und die Engländer - das passte aus Mailänder Sicht zuletzt überhaupt nicht. Seit 2008 standen die Rossoneri dreimal im CL-Achtelfinale und schieden dabei dreimal aus. Die Gegner: Arsenal, ManUnited und Tottenham. "Wir haben keinen England-Komplex. Letztes Jahr haben wir im Hinspiel einen Riesen-Fehler gemacht, im Rückspiel hätten wir es verdient zu gewinnen und weiterzukommen", sagte Milan-Coach Massimiliano Allegri auf der UEFA-Pressekonferenz.

Milan hat gegen die Gunners ein weiteres Tabu zu brechen: Lässt man den Finalsieg 2007 außen vor, datiert der letzte Milan-Sieg in einem CL-K.o-Rundenspiel vom 2. Mai 2007: Damals gab es im Halbfinal-Rückspiel ein 3:0 gegen ManUtd.

Was passt bei Milan?

Die Aussicht auf Erfolg: In Sachen verletzte und fehlende Spieler hatte es Milan zuletzt alles andere als leicht. Gegen Udinese musste Allegri beispielsweise 13 Spieler ersetzen - elf Verletzte und zwei Gesperrte. Und das alles in einer Phase, in der die Mailänder sieben entscheidende Spiele in 25 Tagen zu bestreiten haben. Trotz dieser Probleme sind die Rossoneri noch in allen drei Wettbewerben im Rennen. "Die Partie Udinese - Milan ist der Beweis dafür, dass Milan der große Favorit auf den Meistertitel ist", sagte Juve-Coach Antonio Conte. "Obwohl ihnen 13 Spieler fehlten, haben sie in einem Stadion gewonnen, in dem wir als einzige einen Punkt geholt hatten. Das sagt viel darüber aus, zu was sie fähig sind."

Die Moral: Der Sieg in Udine hat gezeigt, aus welchem Holz die Rossoneri geschnitzt sind. Obwohl sie eine Halbzeit lang überhaupt nicht im Spiel waren, drehten sie die Partie in der Schlussphase quasi aus dem Nichts. Großen Anteil daran hatte die gewaltige Erfahrung vieler Milan-Spieler und ihre Sieger-Mentalität. "In den schwierigen und delikaten Momenten gehen immer die großen Spieler voran, die schon viel gewonnen haben - so wie unser Kapitän Ambrosini", verteilte Allegri ein Sonderlob. "Aus dieser schwierigen Situation konnten wir uns nur mit unserem Zusammengehörigkeitsgefühl befreien", sagte Keeper Marco Amelia bei "Sky Italia". Zur Erinnerung: Udinese hatte bisher noch kein Heimspiel verloren.

Die Rückkehrer: Pünktlich zum CL-Achtelfinale lichtet sich auch das Milan-Lazarett. Im Gegensatz zum Udine-Spiel stehen gegen die Gunners Kevin-Prince Boateng, Pato, Alessandro Nesta, Christian Abbiati, Mark van Bommel und Zlatan Ibrahimovic wieder zur Verfügung - allesamt potenzielle Stammspieler. Der Coach ließ offen, ob Boateng und Pato bereits eine Option für die Startelf seien: "Sie haben noch nicht die 90 Minuten in den Beinen. Schwer vorstellbar, dass sie beginnen, aber vielleicht ändere ich ja noch meine Meinung." Abbiati und Nesta kehren hingegen sicher zurück. Am Dienstag trainierte auch Alberto Aquilani erstmals wieder mit der Mannschaft, einen Tag zuvor war auch Mathieu Flamini (ist nicht auf der CL-Liste) an Bord gekehrt.

Die Entwicklung von Stephan El Shaarawy: Neben Maxi Lopez ist der Youngster der Mann der Stunde bei Milan. "Er ist zu einem unserer Offensiv-Stammspieler geworden", sagt Allegri. "Stephan ist ein großer Vollstrecker mit viel Qualität." Vier Tore hat der 19-Jährige bereits für die Rossoneri erzielt - und das in nur 714 Minuten. Damit ist er in der Kategorie "Tore pro Minuten" hinter Ibrahimovic die Nummer zwei Milans. Für den langjährigen Juve-Spieler Alessio Tacchinardi sind bereits Parallelen zu einem ganz Großen des italienischen Fußballs zu erkennen: "Stephan erinnert mich an den frühen Del Piero. Er hat das Tor im Blut und ist sehr schnell. Meiner Meinung nach verdient er sich bereits den Sprung in die A-Nationalmannschaft."

Torgefahr, wohin man blickt: 15 verschiedene Milan-Spieler haben in der Liga bereits getroffen - ein sensationeller Wert. Zum Vergleich: Barca und Real kommen auf 13 Liga-Torschützen, die Bayern auf elf. Herausragend sind dabei die Mittelfeldspieler: 16 Liga-Treffer gehen auf ihr Konto, Antonio Nocerino hängt mit acht Treffern alle weit ab und ist einer der torgefährlichsten Mittelfeldspieler Europas. Daran hat Ibrahimovic großen Anteil. "Ibra zieht immer mindestens zwei Verteidiger auf sich. Dadurch entstehen Räume, die die Mittelfeldspieler nutzen. Es ist kein Zufall, dass Nocerino so oft trifft", sagt Amelia. Hinter Nocerino sticht Boateng mit sechs Toren in insgesamt 16 Spielen heraus.

Was passt nicht?

Probleme gegen die Großen: Trotz des Sieges in Udine sticht eine Statistik ins Auge: Gegen die Topteams tun sich die Mailänder in dieser Saison sehr schwer. Vor dem Erfolg in Udine setzte es Pleiten gegen Barca, Juventus (Liga und Pokal), Napoli, Inter und Lazio. Der 3:2-Sieg beim AS Rom war der bisher einzige gegen einen großen Namen gewesen.

Ibra vs. Topteams: 26 Spiele, 21 Tore, acht Vorlagen: Ibrahimovic war schon lange nicht mehr so torgefährlich, wie in dieser Saison. Allerdings bestätigte er erneut ein Klischee, das im schon lange nachhängt: Top gegen die Kleinen, aber schwach gegen die Großen. Der Beleg? Der Schwede blieb gegen Juve (Liga und Pokal), Inter, Lazio, und Napoli ohne Treffer - alle Partien verloren die Rossoneri. Auch in der Königsklasse blieb er in den vergangenen Jahren meistens viel schuldig. Mittlerweile geht er aber gelassener an die Sache heran. "Vor einigen Jahren war der Königsklasse-Pokal mein großes Ziel. Wenn du es aber zu sehr aufbauschst, wirst du ihn nie holen", sagte Ibrahimovic. "Wenn ich ihn hole, gut. Wenn nicht, eben nicht. Das schmälert meine Karriere nicht.""Das sind keine Worte des Aufgebens, Ibra gibt noch nicht einmal in den Trainingsspielchen auf", sagt Allegri. "Er ist physisch und psychisch topfit und geht gelassen an das Spiel heran."

Fehlender Rhythmus: Der Sieg in Udine täuscht nicht darüber hinweg, dass Milan zuletzt Probleme hatte, den Spiel-Rhythmus hochzuhalten und Tempo-Wechsel vorzunehmen. Das liegt zum einen an den vielen Verletzten, besonders im Mittelfeld, aber anscheinend auch an der Einstellung. "Trotz einiger Siege habe ich in den letzten Spielen nicht die nötige Aggressivität und Aufmerksamkeit gesehen", sagte Allegri nach der 0:2-Pleite gegen Lazio. "Wir haben einfach zu langsam gespielt." Das soll sich jetzt ändern: "Die Rückkehr der Verletzten ist enorm wichtig, da immer die gleichen gespielt haben und sie Pausen brauchen", so Allegri.

Der AC Milan im Steckbrief

 

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