Der Abstieg zu Channel 5

Von Fatih Demireli
ManUnited ist in der Champions League erst zum zweiten Mal in der Vorrunde ausgeschieden
© Getty

Das Aus von Manchester United in der Champions League sorgt für Tristesse bei den Red Devils. Hohn und Spott gibt's gratis. Trainer Sir Alex Ferguson muss sich Kritik gefallen lassen - vor allem alter Weggefährten. Doch diese scheint berechtigt.

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Es sah aus wie die große Vorfreude auf tolle Einschaltquoten, wirkte aber dann doch eher wie frecher Diss: "A warm welcome to Manchester United to the C5 team", twitterte die Socialmedia-Abteilung von "Channel 5". Der TV-Sender ist der britische Rechteinhaber der Europa League, wo im Frühjahr Manchester United seinen Pflichten im Europapokal nachkommen muss.

Die Reaktionen lassen vermuten, dass manch einer bei United lieber ganz ausgeschieden wäre, als im "Cup der Verlierer", Franz Beckenbauer lässt grüßen, weitermachen zu müssen.

"Es ist beschämend, in der Europa League zu spielen. Ich spiele für Manchester United, um in der Champions League anzutreten", sagte Patrice Evra nach dem 1:2 beim FC Basel, das United zum Gruppendritten machte: "Es ist eine Katastrophe."

"Enttäuschung ist das einzige Gefühl"

In einer Gruppe mit Benfica, Otelul Galati und dem FC Basel war der Sieger-Tipp Manchester United sicher keine Offenbarung, aber die Mannen von Sir Alex Ferguson brachten es fertig, nur gegen die punktlosen Rumänen aus Galati zweimal zu gewinnen. "Enttäuschung ist das einzige, was wir fühlen können in so einer Situation", so Sir Alex.

Kritik, Hohn und Spott - vernichtend waren die Urteile nach dem ersten Vorrunden-Aus seit 2005/2006. "Vater, Barcelona hat gestern Abend Manchester United geschlagen. Nein, mein Sohn. Das war Basel. Die hatten aber Barca-Trikots an, um Manchester Angst zu machen." "Oh, Manchester United ist abgestiegen - zu Channel 5." Nur zwei von unzähligen Running Gags bei Twitter.

Deutlich ernsthafter ging es in den Medien zu. Der Sportchef der "Sun", Steven Howard, stellte sogar die Zukunft von Alex Ferguson in Frage: "Ist er noch stark genug, das wieder in Ordnung zu bringen?"

Herbe Kritik von Keane

Dass sich auch Ex-United-Kapitän Roy Keane, TV-Experte und Augenzeuge des Debakels, in die Reihe der Kritiker gesellte, brachte Alex Ferguson auf die Palme.

"United hat bekommen, was es verdient", schimpfte Keane und schoss sich auf Fergies Youngsters ein: "Es wird immer über die jungen Spieler gesprochen. Sie haben Jones, Smalling, Young. Alle jubeln sie zum Himmel hoch, aber sie haben noch viel Luft nach oben. Manche haben der Realität endlich ins Auge gesehen."

Und Keane hatte noch einen: "Ich würde mir die jungen Burschen zur Brust nehmen und zu ihnen sagen 'Reißt Euch mal lieber zusammen!' Der beste Mann auf dem Platz war Ryan Giggs. Er ist 37 oder 38. Sie können nicht von ihm abhängig sein."

Ein deutlicher Affront gegenüber Sir Alex, dessen Antwort nicht lange auf sich warten ließ: "Ich weiß nicht, wieso ich damit konfrontiert werde", sagte er auf der Pressekonferenz. "Roy hatte Gelegenheiten, sich als Trainer zu beweisen. Er weiß, dass das ein harter Job ist", so Fergusons Seitenhieb auf Keanes Fehlversuche in Sunderland und bei Ipswich Town. "Ich habe vollstes Vertrauen in unsere jungen Spieler, aber Enttäuschungen gehören dazu und sie müssen lernen, damit umzugehen."

United zu sorglos

Ganz unbegründet waren Keanes Ausführungen jedoch nicht. Der Ire kritisierte etwa den jungen Phil Jones, der vor dem Basel-Spiel sagte, man sei bei United "entspannt". "Das stört mich sehr", so Keane.

Genau diese Sorglosigkeit schlich sich bei Manchester United ein wie ein gemeiner Virus, der schwer zu bekämpfen ist. Letztlich trug er dazu bei, dass United blamabel Abschied nahm.

Blog: ManUniteds Ausscheiden: Ein Resultat aus Arroganz und Behäbigkeit

Mit Ruhm bekleckerte man sich in den letzten Jahren in der Gruppenphase ohnehin selten, doch die eigene Qualität, der Respekt der Gegner und insbesondere der Glaube an die eigene Stärke ließen dann letztlich doch keine Gefahr aufkommen. Diese Komponenten scheinen Manchester diesmal zum Verhängnis geworden zu sein.

In Basel reichte ein Remis, stattdessen ließ sich der englische Meister den Schneid abkaufen und zeigte allenfalls in Ansätzen den unbedingten Willen, das drohende Debakel abzuwenden.

Auch Ferguson selbst muss sich der Kritik stellen. Das fehlende Durchsetzungsvermögen im St. Jakob Park schrie förmlich in den kalten Nachthimmel, aber Ferguson brachte erst wenige Minuten vor Schluss den Stoßstürmer Federico Macheda für Ji-Sung Park.

Ferguson weiß, wo der Schuh drückt. Gerade das Hinspiel gegen Basel im eigenen Stadion (3:3) liegt ihm immer noch schwer im Magen: "Da waren wir zu sorglos. Wir haben uns nicht gewehrt und das hat uns einiges gekostet."

Evra ist ähnlich selbstkritisch: "Vielleicht muss der eine oder andere von uns in den Spiegel gucken und sagen: Das hätte ich besser machen können."

Eine große Umstellung

Es ist nicht nur der Imageschaden, der teuer zu stehen kommen könnte. Die ganze Welt hat gesehen, dass selbst das stolze ManUnited verwundbar ist. Oder der finanzielle Aspekt: Das Achtelfinale ist in den Planungen einkalkuliert - nun muss für die finanziell weit weniger attraktive Europa League neu gerechnet werden. Aber vor allem ist es die immense Umstellung, die der "Abstieg" mit sich bringt und für Probleme sorgt.

"Wir kennen diesen Wettbewerb nicht. Wir müssen jetzt im Donnerstag-Sonntag-Takt immer spielen. Das gefällt uns nicht, aber wir müssen uns damit anfreunden", sagte Sir Alex. Den Kampf um die Meisterschaft macht dieser Zustand nicht einfacher, zumal United - sollte man in der Europa League weit kommen - wohl sehr oft auf die Ergebnisse der Titelkonkurrenten reagieren muss: viele Drucksituationen nicht ausgeschlossen.

Dann eben die Europa League gewinnen

Fergusons Truppe muss nun eine Trotzreaktion zeigen. "Wenn in Old Trafford das Licht angeht und die Champions-League-Musik ertönt - genau für diese Augenblicke leben wir", sagte Rio Ferdinand. "Wir sind jetzt raus, das ist enttäuschend. Aber wir spielen jetzt in der Europa League. Wir spielen keinen Wettbewerb, um Zweiter zu werden oder früh auszuscheiden."

Auch Evra, der die Europa League nicht ausstehen kann, versucht sich an Kampfansagen: "Ganz ehrlich, es fühlt sich wie ein Albtraum an, aber es ist die Realität. Wir wollen diesen Wettbewerb gewinnen."

Wer übrigens in England das Finale der Europa League in Bukarest am 9. Mai sehen will, muss Channel 5 einschalten. Die "Daily Mail" hat fürsorglicher Weise einen Programmguide für die United-Fans erstellt.

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