Wayne und Leo: Wer soll euch stoppen?

Von Oliver Wittenburg / Fatih Demireli
Wayne Rooney und Lionel Messi schossen in dieser Saison gemeinsam 64 Pflichtspiel-Tore
© Getty

Die derzeit besten Mannschaften Europas stehen sich im Finale der Champions League gegenüber: Barcelona trifft auf Manchester United (Sa. 20.15 Uhr im LIVE-TICKER) und beide Trainer tüfteln am Masterplan, um den Cup zu holen. Wer soll die überragenden Stürmer Lionel Messi und Wayne Rooney stoppen? Auf welche Spieler kommt es an? Und was ist der X-Faktor des Finals? Die Schlüsselduelle.

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Victor Valdes vs. Edwin van der Sar

Die Frage ist durchaus berechtigt: Warum hört Edwin van der Sar eigentlich auf? Am Sonntag hat sich der United-Torhüter von seinen Fans in Old Trafford verabschiedet, das Champions-League-Finale wird sein letzter Auftritt bei den Red Devils. Dabei hat van der Sar nichts an seiner Klasse verloren. Zwar gönnte ihm Sir Alex Ferguson immer mehr Pausen, um die Regeneration zu fördern, aber van der Sar ist mit seiner Routine der absolute Rückhalt. Seine ruhige, fast schon stoische Art kommt der zum Teil jungen Mannschaft zu Gute. Der Niederländer ist der Typ Torhüter, den auch Barcelonas Trainer Pep Guardiola mag. Nicht nur stark im Verhindern von Toren, sondern auch in der Spieleröffnung. Mit seinen 41 Jahren ist er im voll im Trend.

Van der Sar im Porträt: Eigentlich will er nur seine Ruhe

Verstecken braucht sich Victor Valdes aber auch nicht. Auch wenn seltsamer Weise immer wieder gemutmaßt wird, dass der Torhüter Barcelonas Schwachstelle ist, gehört der Spanier zu den Besten seiner Zunft. Im Eins zu Eins ist Valdes womöglich sogar der beste Torhüter der Welt, seine Reflexe auf der Linie sind überragend. Dass Barca in der Liga wieder nur 21 Tore kassiert hat, ist kein Zufall. Valdes zeigt lediglich Schwächen, wenn Hochbetrieb in seinem Strafraum ist. So geht's übrigens auch van der Sar.

Eric Abidal vs. Antonio Valencia

Man kann es drehen und wenden, wie man will, aber die linke Defensivseite bleibt ein Schwachpunkt bei Barca. Eric Abidal ist nicht bei 100 Prozent, und sowohl Maxwell als auch Adriano haben nicht das Top-Niveau wie etwa Dani Alves am rechten Ende der Viererkette. Links hinten ist Barcelona traditionell nicht so gut bestückt. 2009 spielte dort der alte Haudegen Sylvinho, doch United konnte kein Kapital daraus schlagen. Kein Wunder, dass Barca europaweit nach einem Linksverteidiger scoutet. Abidal wird im Finale wohl auflaufen, auch wenn der Franzose nach seiner Krankheit und der folgenden Operation - verständlicher Weise - noch nicht auf seinem Topniveau angelangt ist.

Die Briten wären gut beraten, diese Schwachstelle zu bearbeiten - und mit Antonio Valencia haben sie den idealen Mann dafür. Der Ekuadorianer befindet sich in großartiger Verfassung und bringt die Frische mit, die vielen anderen abgeht, die am Samstag auflaufen werden, schließlich setzte ihn eine Knöchelfraktur über weite Strecken der Saison außer Gefecht. Mit seiner enormen Antrittsschnelligkeit ist er im Eins gegen Eins im Prinzip überhaupt nicht zu stoppen.

Das musste Schalke im Halbfinale leidvoll erfahren, aber auch der FC Chelsea jüngst in der Premier League - und bei den Blues verteidigt links draußen immerhin Ashley Cole. Valencia zu doppeln, birgt das Risiko, in der Mitte Räume zu öffnen und damit Angebote an Wayne Rooney oder Javier Hernandez zu machen. Eine knifflige Aufgabe für Barca, das vor allem vermeiden muss, United Kontergelegenheiten zu bieten. Guardiola sagte nicht umsonst, dass Manchester nach Real Madrid die beste Kontermannschaft der Welt sei. Und Valencia ist der ideale Spieler für den schnellen Gegenangriff.

Lionel Messi vs. Ferdinand/Vidic/Carrick

Die große Schwierigkeit für Manchester United und eigentlich allen anderen Gegnern des FC Barcelona ist nicht nur, dass Messi eine Begabung hat, die weltweit ihresgleichen sucht, vielmehr ist der Argentinier schwer zu packen, weil seine Position für den Gegner kein "Matching" findet. Auf Deutsch: Messi, der zentrale Spieler im Dreiersturm ist, gibt keinen klassischen Mittelstürmer ab, sondern eher einen Zehner in vorderster Front.

So ist die "Betreuung" des Argentiniers auch nicht zwingend Sache eines Innenverteidigers. Jose Mourinho behalf sich bei den Clasico-Festspielen mit einer defensiven Dreierreihe, deren zentraler Spieler Pepe, Messi sehr wirkungsvoll bekämpfte. Mourinho "opferte" sozusagen einen Spieler, um den gefährlichsten Gegenspieler aus dem Spiel zu nehmen. Folglich war Pepes Mitwirken im Aufbau, Spieleröffnung und Organisation eher Nebensache. Im Ligaspiel sowie im Pokalfinale war Messi aber so gut wie ausgeschaltet.

Einen derartigen Typen hat Alex Ferguson nicht in seinen Reihen und dem Sir wird sicherlich eine elegantere Lösung vorschweben. Essentiell für United wird die exakte Abstimmung zwischen den Innenverteidigern Rio Ferdinand und Nemanja Vidic sowie Michael Carrick als zentral-defensivem Mittelfeldspieler. In die Zuständigkeit Carricks fällt auch die Aufgabe, auf Barcas Hauptverkehrsader, nämlich der Route Xavi-Messi, für Störungen und Behinderungen zu sorgen. Auch wenn es mörderisch schwer klingt: Manchester muss den Blickkontakt zwischen Xavi und Messi verhindern.

Ferguson wird Carrick wohl weitere Kräfte wie Fletcher und möglicherweise Giggs zur Seite stellen, um Barcas Schaltzentrale zu sabotieren. Die komplette Viererkette - und dafür sind dann Ferdinand und Vidic zuständig - muss relativ hoch stehen und den Abstand zu Carrick und Konsorten möglichst gering halten.

Wayne Rooney/Javier Herandez vs. Pique/Puyol

Wayne Rooney und seine besonderen Laufwege sind sicher das größte Problem für jede Defensivorganisation. Nominell als Spitze aufgeboten, bewegt sich der 25-Jährige zwischen den Linien, stört gerne hinterrücks beim Spielaufbau oder gliedert sich in die Mittelfeldviererreihe ein, um die Räume für den Gegner noch enger zu machen.

Unberechenbar aber wird es, wenn United in Ballbesitz ist. Da er sich beim Spiel gegen den Ball weit mit zurückzieht, kommt ihm oft eine Schlüsselrolle beim Umschalten von Abwehr auf Angriff zu. Oft zu sehen bei United: Der Ball wandert schnell auf einen Außen und Rooney selbst prescht auf der ballfernen Seite nach vorn. Dadurch dass sich der Gegner kollektiv in Richtung Ball verschiebt, aber Rooney nicht aus dem Augenwinkel verlieren darf, ist Unordnung programmiert.

Wenn er dann, wie er es gerne macht, von der Seite oder der Halbposition nach innen kreuzt, um sich für ein Anspiel anzubieten, ist gegnerische Defensive immer vor das Problem gestellt, in wie weit Spieler aus ihren angestammten Positionen rücken sollen, um Rooney zu stellen oder zuzudecken.

Wenn es ihm gelingt, Pique etwa aus dem Zentrum zu ziehen, kommt sein Partner Chicharito ins Spiel. Der lauert konsequent in vorderster Spitze, im Bereich der Innenverteidiger und wartet nur darauf, loszuschlagen, sollte dort Unordnung entstehen. Mit seinem explosiven Antritt dürfte der Mexikaner auch von Puyol oder Pique nur schwer zu kontrollieren sein, sollte einem der beiden die Absicherung durch den Partner fehlen. Als hilfreiche Option könnte Guardiola wie schon gegen Real Javier Mascherano in der Innenverteidigung aufbieten und Puyol nach links schicken. Mascherano wusste gegen die Königlichen im Defensivverbund zu überzeugen: Vor allem seine Zweikampfwerte waren überragend.

X-Faktor: Dani Alves

2009 beim Endspiel in Rom fehlte Barca eine ganz wichtige Komponente im Spiel. Dani Alves war gesperrt, und Guardiola operierte mit Puyol auf der rechten Seite der Viererkette. Der Spanier beschränkte sich wie zu erwarten fast ausschließlich auf die Defensivarbeit und ging nur wenig mit nach vorn.

Alves beackert bekanntlich die gesamte Flanke und schaltet sich permanent mit in die Angriffe ein und agiert nicht selten auf Höhe der Stürmer. Seine Statistiken wollen auch gar nicht zu einem Abwehrspieler passen. Mit 14 Assists ist er drittbester Vorbereiter der Primera Division, in der Champions League erzielte er zwei Tore und bereitete zwei weitere vor. Wer auch immer bei United die linke Mittelfeldseite bekleiden wird - auszugehen ist wohl von Ji-Sung Park -, muss auf der Hut sein und Patrice Evra links in der Viererkette zur Seite stehen.

Gleichzeitig aber wird umgekehrt von Alves auch mehr defensive Disziplin gefordert sein als in "normalen" Spielen, denn es könnte fatal sein, Manchester bereitwillig Räume auf dem Flügel anzubieten. Aus Spanien ist auch zu hören, dass Guardiola seinem stürmischen Außenverteidiger die Order gegeben hat, mehr auf die Defensive zu achten als sonst. Dass der Brasilianer das kann, bewies er zuletzt im Clasico-Marathon. Sicher ist aber auch, dass ein offensiver Alves wertvoller ist als einer, der sich wie Puyol 2009 ausschließlich auf die Defensivarbeit konzentriert.

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