Sampdoria Genua: Mehr als nur Cassano

Von Christian Bernhard
Mit einem 1:0 über Napoli sicherte Sampdoria sich am letzten Spieltag Platz vier
© Getty

Werder Bremen trifft in der letzten Champions-League-Qualifikationsrunde auf Sampdoria Genua um Zauberer Antonio Cassano. Die Blucerchiati landeten in der vergangenen Serie-A-Saison auch dank der 19 Liga-Treffer von Cassanos Sturmpartner Giampaolo Pazzini überraschend auf dem vierten Rang. SPOX stellt die Schlüsselspieler des neuen Trainers Domenico Di Carlo vor.

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Die Sehnsucht nach der Champions League ist groß in Genua. Wie groß, demonstrierten die Fans von Sampdoria am vergangenen Freitag. Innerhalb einer halben Stunde waren die 2000 Tickets für das Hinspiel in Bremen vergriffen, der Verein hätte sein Kontingent am liebsten gleich verdoppelt.

Fast 19 Jahre ist es her, dass die Blucerchiati zuletzt in der Königsklasse mitgemischt haben. Das Team um Gianluca Vialli, Roberto Mancini und Gianluca Pagliuca kam in der Saison 1991/92 sogar bis ins Finale und unterlag dort dem FC Barcelona erst in der Verlängerung.

Es war die Hochzeit des Traditionsvereins aus Genua. In der vergangenen Spielzeit knüpften Antonio Cassano und Co. mit Platz vier an diese glorreiche Vergangenheit an.

Erfolgstrainer Luigi Delneri und Sportdirektor Giuseppe Marotta sind allerdings nicht mehr da, beide zog es zu Juventus Turin. Domenico Di Carlo, der Chievo Verona in den letzten beiden Spielzeiten in der Serie A gehalten hatte, tritt Delneris Erbe an. Genau wie sein Vorgänger setzt er auf ein 4-4-2-System, sein Augenmerk liegt auf einer sicheren Defensive.

Das Vorbild der neuen sportlichen Leitung ist Deutschlands Nationalmannschaft "Kompaktheit, Teamgeist, Enthusiasmus und das Leben eines Traums: Das sind die Grundlagen unserer Philosophie, wie die der deutschen Nationalmannschaft", erklärte Di Carlo bei seiner Vorstellung.

Trainer neu, Sportdirektor neu, dafür sind die Schlüsselspieler mit Ausnahme der Torhüter Luca Castellazzi und Marco Storari alle geblieben."Wir haben viel Geld investiert, um Palombo, Pazzini und Cassano zu halten. Sie zu behalten, war wie sie neu zu holen", unterstrich Präsident Riccardo Garrone.

Die wichtigsten Spieler von Sampdoria im Überblick:

Gianluca Curci:

Der Ex-Siena-Torhüter, der im Sommer nach Genua kam, tritt eine schwere Nachfolge an. Sowohl Luca Castellazzi (jetzt Inter), als auch Marco Storari (jetzt Juventus) waren zwei Garanten für die sensationelle Sampdoria-Saison.

"Vom Abstieg in die Champions-League-Qualifikation: Diesen Sprung hätte ich mir nie erwartet", sagte Curci bei seiner Präsentation. Sein letztes Bewerbungsvideo liegt noch gar nicht so lange zurück: Der 25-Jährige, der vor seinem Wechsel nach Siena vier Jahre lang im Kader der Roma stand und auf eine zweijährige Karriere im U-21-Team zurückblickt, trieb Triple-Sieger Inter am letzten Spieltag mit mehreren ganz starken Paraden zur Verzweiflung und vermieste den Nerazzuri beinahe die Meisterschaft.

Die Champions-League-Musik kennt Curci bereits. In der Saison 2007/08 bestritt er sein erstes und bisher einziges Spiel in der Königsklasse - und das ausgerechnet im Old Trafford. Die Roma unterlag Manchester United damals mit 0:1, Rooney traf für die Red Devils.

Reto Ziegler:

Lange Zeit sah es so aus, als ob der Schweizer diese Saison nicht im Sampdoria-Trikot bestreiten würde. Zenit, Werder, Schalke, Juve, Liverpool - die Liste der Interessenten am blonden Linksverteidiger war lang. Der 24-Jährige, der nach einer langen Nomadenzeit vor dreieinhalb Jahren in Genua sesshaft wurde, wird jetzt aber wohl doch seinen 2011 auslaufenden Vertrag verlängern. "Ich finde es wichtig, dass auch die Teamstützen Cassano, Palombo und Pazzini bei uns bleiben. Sicher ist: Der Trainer will mich behalten, der Präsident auch", sagte Ziegler kürzlich dem "Blick".

Das Interesse vieler Klubs kommt nicht von ungefähr. Der Ex-HSV-Spieler hat sich in der vergangenen Saison zu einem der besten Linksverteidiger der Serie A entwickelt, bei den Fans ist er auch wegen seiner sympathischen und umgänglichen Art sehr beliebt. Zusammen mit den Innenverteidigern Stefano Lucchini und Paolo Gastaldello ist der einzige nicht-italienische Sampdoria-Stammspieler der letzten Saison ein Garant für die Defensivstärke des Teams.

Angelo Palombo:

Ist die Rede von Sampdoria, denkt man unweigerlich zuerst an Antonio Cassano. Der wichtigste Mann im Team ist aber Kapitän Angelo Palombo. Der 28-Jährige geht in seine neunte Samp-Saison, er ist die Seele und das Herz der Blucerchiati - und das nicht nur wegen seiner Position auf dem Spielfeld. Palombo ist im 4-4-2 der Regisseur auf der Doppelsechs und Antreiber. Laufstark und mit einem großen Kämpferherz ausgestattet, ist er seit 2006 festes Mitglied der italienischen Nationalmannschaft, egal ob unter Roberto Donadoni, Marcello Lippi oder jetzt Cesare Prandelli. Palombo ist einer der meistunterschätztesten italienischen Spieler.

"Hätte ich den Kopf von Palombo gehabt, hätte ich eine andere Karriere gemacht", sagte Cassano einst über seinen Kapitän. "Ich auch, wenn ich seine Füße hätte", antwortete Palombo mit einem Lächeln. Keiner verkörpert den Verein so sehr, wie der große Angelfan, der vor ein paar Jahren noch zusammen mit einer Bulldogge im Bett schlief. "Er hat fürchterlich gefurzt. Meine Freundin sagte: Entweder er oder ich. Ich habe mich für den Hund entschieden." Palombos größter Traum: Der Gewinn des Scudettos mit seiner Sampdoria.

Giampaolo Pazzini:

Englands Fußballfans kennen Pazzini spätestens seit dem 24. März 2007. Damals weihten die U-21-Teams Englands und Italiens das neue Wembley-Stadion ein. Die spektakuläre Partie endete 3:3 - Pazzini erzielte alle drei Tore für die Azzurrini, das erste 30 Sekunden nach dem Anpfiff.

Pazzini ist schon seit Jahren das größte italienische Talent im Angriff, so richtig aufgeblüht ist er aber erst seit seinem Wechsel von Florenz nach Genua im Januar 2009. Elfmal ließ er es in der Rückrunde jener Saison klingeln, in der letzten Spielzeit verbuchte der 25-Jährige sogar 19 Ligatore. Er ergänzt sich perfekt mit Cassano, 28 der 49 Liga-Treffer der abgelaufenen Spielzeit gehen auf das Konto der beiden. Kein Wunder, dass das Duo von den Samp-Fans als Nachfolger des legendären Duos Roberto Mancini-Gianluca Vialli gefeiert wird.

Selbstverständlich waren die großen Vereine auch an Pazzini dran, allen voran Juve und Chelsea. Doch der Verein blockte alle Abwerbeversuche ab. O-Ton Garrone: "Nicht einmal für 100 Millionen verkaufe ich Pazzini an Juve". Pazzini kann damit gut leben: "Ich bleibe und habe nie einen anderen Wunsch gehabt", sagte er kürzlich.

Antonio Cassano:

Sampdorias Zauberer. Dass Cassano ein Riesen-Talent hat, ist seit jeher unbestritten. Für England-Coach Fabio Capello ist er zusammen mit Ronaldo "der beste Spieler, den ich je trainiert habe". Doch Cassano stand sich meistens selbst im Weg, seine Geschichten abseits des Rasens haben jetzt schon Kultpotenzial.

Cassano schien seine Karriere bereits weggeschmissen zu haben, doch dann kam der Wechsel von Real zu Sampdoria - und die zweite Phase in der Karriere des 28-Jährigen aus Bari begann.Seit einem Jahr sorgt Fantantonio nur noch auf dem Platz für Furore, Italiens neuer Nationalcoach Prandelli hat ihn im August ins Team zurückgeholt und ihm eine tragende Rolle zugesprochen. Cassanos Wiedergeburt hat viel mit der Wasserballerin Carolina Marcialis zu tun. Seit der Ex-Roma-Spieler mit der 20-Jährigen liiert ist, gehören Cassano-Skandale der Vergangenheit an. Im Juni heiratete das Paar. Cassano und Sampdoria - es scheint die perfekte Symbiose zu sein. "Ich möchte meine Karriere in Genua beenden, hier fühle ich mich wie ein König", betonte Cassano erst vor wenigen Tagen.

Antonio Cassano im SPOX-Porträt

 

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