Bergomi: "Müller kann Inter vor Probleme stellen"

Von Interview: Christian Bernhard
Giuseppe Bergomi (r.) stand 759 Spiele für Inter Mailand auf dem Platz - einsamer Rekord
© Getty
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SPOX: Louis van Gaal gilt als Lehrmeister Mourinhos. Wie schätzen Sie den Niederländer ein?

Bergomi: Sie sind sich ähnlich, denn sie schaffen es beide, eine Stimmung "Einer gegen alle" herzustellen. Van Gaal hat überall Erfolge eingefahren, den Titel mit Alkmaar schätze ich besonders hoch ein. In Deutschland den Titel mit den Bayern zu holen, ist wie momentan in Italien mit Inter erfolgreich zu sein. Klar ist es nicht einfach, aber es gehört zur Normalität. Van Gaal ist auch ein Beispiel dafür, wie schnell sich die Dinge im Fußball ändern können. Vor dem Juve-Spiel sah es so aus, als wäre er bald weg, dann hat dieses eine Spiel alles verändert. Das sollte man nicht vergessen.

SPOX: Van Gaal muss am Samstag auf den gesperrten Franck Ribery verzichten. Wie schwer wiegt der Ausfall des Franzosen?

Bergomi: Schwer. Van Gaal legt großen Wert auf das Spiel über die Flügel und wenn man da einen Spieler wie Ribery hat, kann man den Gegner vor große Probleme stellen. Allerdings haben die Bayern momentan ein unglaubliches Selbstvertrauen, deshalb können sie Riberys Abwesenheit besser kompensieren als noch vor einigen Monaten.

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SPOX: Wen oder was fürchten Sie an den Bayern am meisten?

Bergomi: Hauptsächlich den Fakt, dass sie auf so viele Arten Tore machen können. Ein Spieler gefällt mir besonders: Thomas Müller. Er ist unberechenbar und kann Inter richtig Probleme bereiten. Er ist viel unterwegs und darf auf keinen Fall unterschätzt werden.

SPOX: Sie haben selbst mit Inter gegen den FC Bayern gespielt, 1988 im UEFA-Cup-Achtelfinale. Erinnern Sie sich noch daran?

Bergomi: Und wie, leider.

SPOX: Das Rückspiel in Mailand, dass der FCB nach dem 0:2 im Hinspiel mit 3:1 gewann, ging als "Wunder von San Siro" in die Annalen der Bayerngeschichte ein. Was ist damals passiert?

Bergomi: Brehme hat sich in der ersten Halbzeit verletzt und musste ausgewechselt werden. Wir waren dann ein paar Minuten nicht geordnet und haben uns die drei Tore eingefangen. In der zweiten Halbzeit war es ein einziger Sturmlauf unsererseits. Raimond Aumann hat unglaublich gehalten, ich kann mich noch genau an eine Parade gegen Matthäus erinnern, die war der Wahnsinn. Zehn Leichtsinnsminuten haben uns damals den Einzug ins Viertelfinale gekostet, so ist der Fußball eben. Nimmt man beide Spiele her, hätten wir weiterkommen müssen, geschafft haben es aber die Bayern: Das macht die Faszination dieses Sports eben aus. Allerdings schmerzt diese Niederlage immer noch.

SPOX: Nach dem Schlusspfiff soll es in den Katakomben zu Rangeleien gekommen sein...

Bergomi: Das stimmt, im Kabinengang hat sich die große Anspannung entladen. Solche Sachen sollten nicht passieren, aber es war eben ein wichtiges Spiel. Zwischen Andi Brehme, Lothar Matthäus und den deutschen Bayernspielern ging es hoch her, wir Italiener haben "unsere" Deutschen verteidigt. Wir haben uns vielleicht nicht ganz richtig verhalten, aber von Bayernseite wurde auch ein wenig provoziert.

SPOX: Neben Matthäus und Brehme haben Sie auch mit Karl-Heinz Rummenigge und Jürgen Klinsmann zusammengespielt. Welche Rolle haben die Deutschen für Inter gespielt?

Bergomi: Sie haben vor allen Dinge eins mitgebracht: die Winner-Mentalität. Die Deutschen gaben nie auf, sie trainierten immer hart und waren Top-Profis. Mir persönlich hat diese Zeit auch tolle Freundschaften gebracht.

SPOX: Haben Sie zu einem der Deutschen ein spezielles Verhältnis aufgebaut?

Bergomi: Rummennige war nicht nur als Spieler, sondern auch als Mensch beeindruckend. Aber ich habe mich mit allen gut verstanden, egal ob Brehme, Klinsmann, Hansi Müller oder Matthias Sammer. Bei Matthias habe ich alles versucht, um ihn zu überreden, bei uns zu bleiben, denn ich habe gesehen, dass er ein überragender Spieler war. Und Lothar war in den Jahren, in denen ich gespielt habe, der beste Ausländer, den Inter hatte. Kurzum: Sie waren enorm wichtig für uns, ich habe sie alle noch gern. Wenn es bei großen Turnieren ans Mitfiebern geht, kommt bei mir hinter Italien gleich Deutschland. Diese Spieler haben mir so viel gegeben, ich erkannte mich was die Arbeitsmoral betrifft in ihnen wieder.

SPOX: Können die Bayern und Inter in der kommenden Saison an diese überragende Spielzeit anknüpfen?

Bergomi: In den jeweiligen Meisterschaften auf jeden Fall. Die Champions League ist ein anderes paar Schuhe: Seien wir mal ehrlich, wir erinnern uns alle noch, wie die Bayern gegen die Fiorentina weitergekommen sind und was in der ersten Halbzeit in Manchester los war. In der Königsklasse muss einfach alles passen, da ist es fast unmöglich, Vorhersagen zu treffen.

SPOX: Fiebern Sie in Madrid im Stadion mit?

Bergomi: Nein, ich schaue mir das Spiel gemütlich zuhause an. Auf der Couch mit meinen Ultras, den Kindern. (lacht)

Giuseppe Bergomi im Steckbrief