Der Geist des Roy Keane

Von Carolin Blüchel
Manchester United will in Porto die Negativ-Serie englischer Mannschaften beenden
© Getty

Seit knapp 40 Jahren wartet eine englische Mannschaft auf einen Sieg beim FC Porto. Titelverteidiger Manchester United will das Kunststück (ab 20.30 Uhr im LIVE-TICKER und im Internet TV) nach dem 2:2 im Hinspiel nun gelingen. Trainer Alex Ferguson setzt dabei auf die Hilfe eines ganz großen Ehemaligen.

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"Wir werden gewinnen, weil wir eine bessere Mannschaft haben als Porto." Cristiano Ronaldo macht vor dem Viertelfinal-Rückspiel von Manchester United beim FC Porto unmissverständlich klar, dass die Red Devils trotz des suboptimalen 2:2 im Hinspiel nicht die leisesten Zweifel am dritten Halbfinal-Einzug in Folge haben.

Die lautstark geäußerte Zuversicht des Titelverteidigers hat zwei Gründe: Mit Abwehrchef Rio Ferdinand und Stürmer Dimitar Berbatov kehren zwei wichtige Leistungsträger in die Mannschaft zurück.

Vor allem auf Ferdinand ruhen große Hoffnungen. Der 30-Jährige, der drei Spiele wegen einer Leistenverletzung pausieren musste, soll der zuletzt wackeligen Abwehr wieder zu mehr Stabilität verhelfen.

Trainer Alex Ferguson spricht gar von einem Wendepunkt.

"Die Inkonstanz der Viererkette war zuletzt ein großes Problem. Aber nun ist Ferdinand wieder fit. Seine Qualität und seine Erfahrung machen den Unterschied", sagte Fergie dem "Guardian" und ist sich sicher, dass das Duo Ferdinand/Vidic an die großartigen Leistungen anknüpfen wird, die es in dieser Saison schon gezeigt hat. "Dies wird der Schlüssel zum Erfolg sein."

Steigerung in der Abwehr nötig

Dass Ferdinand nicht das Allheilmittel gegen Porto sein wird, zeigt ein einfacher Blick in die Statistik. In den letzten fünf Pflichtspielen zappelte der Ball ganze elf Mal im United-Netz - ohne, aber auch mit dem hoch Gepriesenen.

Bei der Generalprobe am Wochenende gegen den FC Sunderland (2:1) will Ferguson jedoch bereits eine Steigerung seiner Abwehrreihe beobachtet haben. Dafür gibt es eine Schwächung im Mittelfeld zu verzeichnen. Darren Fletcher muss gegen Porto wegen einer Oberschenkelverletzung passen. Shooting-Star Federico Macheda steht dagegen erneut im Kader.

"Geist des Roy Keane" ist gefragt

So groß das Selbstvertrauen nach außen hin auch sein mag, wie sehr der Titelverteidiger tatsächlich um das Weiterkommen bangt, zeigt die Tatsache, dass Ferguson vor dem Auftritt im Estadio do Dragao zu Porto den "Geist des Roy Keane" beschwört.

Jener hatte 1999 im Halbfinal-Rückspiel bei Juventus Turin mit einer herausragenden Leistung und dem 1:2-Anschlusstreffer die Wende eingeleitet und Manchester schließlich mit 3:2 (Hinspiel 1:1) ins Finale gegen den FC Bayern geführt. Der Ausgang ist hinlänglich bekannt.

Die denkwürdige Partie gegen Juve vor zehn Jahren war jedoch auch das letzte Mal, dass die Red Devils trotz eines nicht gewonnen Hinspiels in Old Trafford in die nächste Runde eingezogen sind. Die nächsten vier Male, 2001 in München, 2002 in Leverkusen, 2005 und 2007 beim AC Mailand, folgte jeweils das Aus.

"Das ist eine ähnliche Situation wie 1999 in Turin. Wir haben viele Spieler, die ein Spiel entscheiden können, wenn es darauf ankommt. Diese Matchwinner sind jetzt gefragt", nimmt Ferguson seine Stars in die Pflicht.

"Dürfen uns nicht auf Ronaldo verlassen"

Vor allem Cristiano Ronaldo muss endlich einmal wieder eine überzeugende Leistung abliefern. Der Top-Spieler der letzten Saison ist mit 20 Toren zwar auch in dieser Spielzeit Uniteds Topscorer, doch in der Königsklasse blieb er mit nur einem Treffer bislang weit hinter den Erwartungen zurück.

Der 24-Jährige Weltfußballer erlaubte sich zuletzt wieder die alten, längst abgelegten Sperenzchen, zudem merkte man ihm zusehends das Pensum der vergangenen Monate an. Bezeichnend für den Ronaldo der letzten Wochen: Im Hinspiel gegen Porto war er derjenige, der durch einen laxen Ballverlust das 0:1 verschuldete und dafür vom Trainer öffentlich gerügt wurde.

Ferguson will den Druck jedoch auf mehrere Schultern verteilt wissen. "Cristiano ist ein Teil der Mannschaft. Wir können uns nicht auf eine einzige Person verlassen. Alle müssen sich steigern", sagt er wohlwissend, dass sein Superstar in Porto sowieso ein heißes Pflaster erwartet.

FC Porto - der England-Schreck

Als ehemaliger Spieler von Sporting Lissabon dürfte den 24-Jährigen, wie schon 2005 in der Gruppenphase gegen Benfica Lissabon, ein gellendes Pfeifkonzert erwarten. Damals beeinträchtigten ihn die Hassbekundungen der Landsleute so sehr, dass er nach enttäuschender Leistung ausgewechselt wurde und ManUtd schließlich in der Vorrunde scheiterte. Natürlich ist dies fünf Jahre her und Ronaldo war seinerzeit noch blutjung und wenig abgebrüht.

Größeres Kopfzerbrechen als Ronaldos Reifeprozess macht dem Titelverteidiger allerdings die unrühmliche Negativserie englischer Mannschaften im Estadio da Dragao in Porto. Seit 1968 ist es keinem Team mehr gelungen, als Sieger auf die Insel zurückzukehren.

Allein in den letzten fünf Jahren bissen sich die Top-Vier der Premier League Arsenal, Chelsea, Liverpool und eben Manchester United die Zähne am Champions-League-Sieger von 2004 aus. "Ich möchte nicht in Fergusons Haut stecken", stichelte Porto-Coach Jesualdo Ferreira in Richtung Manchester.

Porto-Coach Ferreira gesperrt

Fergie selbst sieht darin eher eine Herausforderung. "Wir sind gut darin, Dinge zum ersten Mal zu schaffen. Wir waren das erste englische Team, das den Europacup, die Premier League und die Klub-WM gewonnen hat. Natürlich steht uns eine große Aufgabe bevor, aber ich vertraue meiner Mannschaft, und die großen Spiele der Vergangenheit in Rom, Mailand oder Barcelona rechtfertigen dieses Vertrauen", sagt er vor seinem 150. Champions-League-Spiel und kann sich einen Seitenhieb nicht verkneifen.

"Ich habe Porto gegen Atletico gesehen (0:0), sie haben sehr defensiv gespielt. Gegen uns wäre das ein großer Fehler. Aber es ist natürlich deren Entscheidung, wie sie spielen."

Fest steht, dass Ferreira den großen Showdown nur von der Tribüne aus verfolgen darf. Die UEFA sperrte den 62-Jährigen nach intensivem Video-Studium wegen Schiedsrichterbeleidigung im Achtelfinale gegen Atletico Madrid für ein Spiel.

Das Champions-League-Viertelfinale im Überblick